Al Jaber legt mit dem Grand Hotel Wien die nächste Pleite hin

Von Josef Redl
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Das Grand Hotel Wien kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. In dem Haus am Kärntner Ring 9 feierte Walzerkönig Johann Strauss 1894 sein 50-jähriges Bühnenjubiläum, Opernstar Luciano Pavarotti stieg hier ebenso ab wie der Dalai Lama und Filmikone Sophia Loren. Das Grand Hotel Wien blickt allerdings auch in eine ungewisse Zukunft. Das Handelsgericht Wien hat am Montag ein Konkursverfahren über die Erste Wiener Hotel AG, in deren Eigentum das Grand Hotel steht, eröffnet.
Es geht um richtig viel Geld: Die Verbindlichkeiten übersteigen 100 Millionen Euro.
Eigentümer des Grand Hotel und der benachbarten Shopping-Mall im Palais Corso ist der saudisch-österreichische Unternehmer Mohamed Bin Issa Al Jaber. Seit nunmehr 15 Jahren beschäftigt der Mann Gerichte und Insolvenzverwalter von Österreich über Frankreich bis auf die British Virgin Islands. Sei es der Einstieg als Großaktionär bei den Austrian Airlines, die Rettung des Skiherstellers Kneissl oder ein geplantes Luxushotel im Wiener Palais Schwarzenberg, ein Projekt nach dem anderen scheiterte kolossal. Und jetzt? Kündigt Al Jaber an, dass sich alles in Wohlgefallen auflösen werde. Wie schon so oft.
Der Blick in die Lobby des Grand Hotel Wien zeigt mondäne Eleganz: Marmorböden, klassizistische Säulen, Kristallluster. Kein Zweifel, der Fünf-Sterne-Ringstraßenpalast ist eine Absteige für die betuchte Klientel.
Der Blick ins Grundbuch zeigt eine andere Wirklichkeit. Die Immobilie, in der das Grand Hotel und die angrenzende Shopping Mall Palais Corso untergebracht sind, ist bis unters Dach mit Pfandrechten vollgepackt. Allein auf die Raiffeisen Bank International entfallen mehr als 90 Millionen Euro, eine ganze Reihe von Gläubigern hat in den letzten Monaten sogar schon Exekutionstitel eintragen und Mieteinnahmen pfänden lassen. Damit ist jetzt Schluss: Auf Antrag eines Gläubigers wurde diese Woche ein Konkursverfahren gegen die Eigentümerin der Immobilie, die Erste Wiener Hotel AG, eröffnet. Bis 1. Juli 2025 können Forderungen bei Masseverwalter Stephan Riel angemeldet werden. Auf Riel kommt einiges an Detektivarbeit zu. Ihren letzten Jahresabschluss hat die Erste Wiener Hotel AG für das Jahr 2021 gelegt. Der Bilanzverlust damals: 42,5 Millionen Euro.
Aufstieg und Fall
Al Jaber kaufte das Grand Hotel im Jahr 2002, das Palais Corso im Jahr 2006. Damals galt der Mann als Milliardär. Das US-Magazin „Forbes“ schätzte sein Vermögen auf sieben Milliarden US-Dollar. Al Jabers Unternehmensgruppe MBI International besaß eine ganze Reihe von Luxushotels in England, Frankreich und Portugal. Mit der Finanzkrise 2008 geriet Al Jaber in finanzielle Schwierigkeiten. Seine Ankündigung, mit 150 Millionen Euro als Großaktionär bei Austrian Airlines einzusteigen, machte er nie wahr. Dem strauchelnden Skiproduzenten Kneissl sicherte er eine Kapitalerhöhung zu. Immer wieder ließ er Fristen verstreichen, bat um Geduld, bis Kneissl 2011 Insolvenz anmelden musste. Ähnlich lief es beim Textilunternehmen Backhausen. Das angekündigte Luxushotel am Schwarzenbergplatz ist nie umgesetzt worden. In einem Interview mit profil im April 2011 hatte Al Jaber noch behauptet: „Es wird das Projekt geben, und es wird ein Erfolg. Warten Sie bis September.“
Was ist da passiert?
„Ab dem Jahr 2008 wurde Al Jaber wiederholt zum Ziel systematischer Täuschung durch Personen aus seinem damaligen Umfeld. Diese Täuschungen betrafen sowohl strategische Unternehmensentscheidungen als auch den Erwerb bedeutender Beteiligungen in Österreich“, behauptet eine Sprecherin von Al Jaber auf profil-Anfrage. Damals sei so etwas wie ein Dominoeffekt eingetreten. Mittlerweile ist vollkommen unklar, welche Vermögenswerte überhaupt noch da sind. Auf der Website der Unternehmensgruppe MBI International ist auch heute noch eine ganze Reihe von Luxushotels wie das Hotel Balzac und das La Trémoille (beide in Paris) aufgelistet. Das sei der aktuelle Stand der Beteiligungen, heißt es auf profil-Anfrage. Tatsächlich hat die französische Bertrand-Gruppe die beiden Häuser (und vier weitere aus dem Al- Jaber-Portfolio) im Rahmen eines Sanierungsverfahrens schon 2021 übernommen. Auf nochmalige Nachfrage ist seine Sprecherin nur noch sicher, dass drei Hotels in Portugal und das Grand Hotel in Wien im Besitz Al Jabers seien.
Auch das ist nicht unumstritten.
Seit mehr als zehn Jahren prozessieren die Liquidatoren von Gesellschaften auf den British Virgin Islands und auf der Kanalinsel Guernsey mit dem Scheich. Al Jaber hat ein ganzes Dickicht an Firmen mit beinahe gleichlautendem Namen gegründet, zwischen denen über Jahre hinweg Bürgschaften, Vermögensanteile und Beteiligungen hin und her transferiert worden sind. Gerichtsbeschlüsse werden so lange bekämpft, bis die einzelnen Gesellschaften nicht mehr handlungsfähig sind. Auch die JJW Hotel & Resort Holding Inc. mit Sitz auf den Virgin Islands befindet sich seit Jahren „in Liquidation“. Über diese Gesellschaft hat Al Jaber die Mehrheit an der Erste Wiener Hotel AG gehalten.
Ungebrochener Optimismus
„Aufgrund Unstimmigkeiten mit dem Liquidator kam es zu Verzögerungen der Jahresabschlüsse und einer Patt-Situation bei Entscheidungen. Das wird bis Juni 2025 final geklärt und gelöst sein. Die Refinanzierung für die Erste Wiener Hotel AG soll bis dahin ebenso abgeschlossen sein“, lässt Al Jaber über seine Sprecherin ausrichten.
Auch der Verkauf des Palais Corso ist seit mehr als zehn Jahren gerichtsanhängig. Im Jahr 2011 hatte das Immobilienunternehmen Dom Immobilien Leasing Gmbh die Liegenschaft um 80,5 Millionen Euro gekauft. Allerdings wurde der Deal nie abgewickelt. Al Jaber hielt den Kaufvertrag für ungültig und zog vor Gericht. Bereits im Jahr 2016 hat der Oberste Gerichtshof festgestellt, dass der Kaufvertrag rechtswirksam ist. Das Haus am Kärntner Ring hat bis heute nicht den Besitzer gewechselt. Die Konsequenz: Die Dom Immobilien Leasing GmbH (die Gesellschaft wurde inzwischen in Immobilieninvestment One 10% Leasing GmbH umbenannt) hat im Februar 2025 Insolvenz angemeldet. Der Masseverwalter des insolventen Unternehmens war es schließlich, der vergangene Woche den Konkursantrag gegen die Erste Wiener Hotel AG eingebracht hat.
profil wollte von Al Jaber wissen, ob er sich selbst als einen ordentlichen Kaufmann bezeichnen würde. Seine Antwort: „Ich bin seit Jahrzehnten international erfolgreich unternehmerisch tätig. Integrität, Verantwortung und Verlässlichkeit gegenüber Geschäftspartnern waren dabei die Grundpfeiler des Erfolgs – wie sonst kann man eine milliardenschwere Unternehmensgruppe aufbauen?“ Und: „Die Verfahren gegen mich waren persönlich belastend und haben auch wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Heute sind die meisten Prozesse erfolgreich abgeschlossen, ich blicke positiv in die Zukunft.“
Das tut er schon länger. Sein Comeback kündigte Mohamed Bin Issa Al Jaber standesgemäß in „Forbes“ an. Das US-Wirtschaftsmagazin, das jedes Jahr die Liste der reichsten Menschen der Welt erstellt, liefert ein schmeichelhaftes Umfeld. Ein Artikel mit dem Titel „Die Rückkehr des Scheichs“, steht seit November 2023 auf der Website des Österreich-Ablegers von „Forbes“.
„Doch nun will Al Jaber, dessen Vermögen ‚Forbes‘ zuletzt auf sieben Mrd. US-Dollar schätzte, wieder ‚zurückkehren‘ und sich auf sein Geschäft mit Luxushotels konzentrieren – auch und vor allem in Wien“, heißt es da. Kleiner Schönheitsfehler: Was aussieht wie ein redaktioneller Artikel, ist tatsächlich eine bezahlte Anzeige zur Imagepolitur. Und auch das Vermögen von Mohamed Bin Issa Al Jaber hat schon lange keiner mehr auf sieben Milliarden US-Dollar geschätzt.

Josef Redl
Wirtschaftsredakteur.