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Asamer: Schmiergeldzahlungen und Managementfehler in Sotschi

Asamer. Schmiergeldzahlungen und Managementfehler: die Baustoffgruppe in Sotschi

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Auf der Siegerseite: Anna Fenninger, Mario Matt, Julia Dujmovits und Matthias Mayer. Die Bilanz der österreichischen Athleten bei den 22. Olympischen Winterspielen in Sotschi kann sich sehen lassen. Auf der Verliererseite: Johannes Dürr. Der Langläufer wurde bekanntlich am letzten Tag der Bewerbe wegen einer positiven Dopingprobe ausgeschlossen.

Es waren die größten, teuersten und umstrittensten Winterspiele aller Zeiten. Doch schon im Vorfeld war klar: Österreich gehört zu den Gewinnern. Genauer gesagt jene heimischen Unternehmen, die es geschafft haben, rund um das sportliche Großereignis Aufträge an Land zu ziehen. Über 50 Firmen soll das gelungen sein. Der Baukonzern Strabag errichtete das Olympische Dorf und sorgte für die Infrastruktur. Der Gesundheitsdienstleister Vamed stellte die medizinische Versorgung sicher. Der Seilbahnhersteller Doppelmayr errichtete 80 Prozent aller Aufstiegshilfen. Und die oberösterreichische Asamer Holding lieferte Beton und Kies für die Baustellen. Insgesamt sollen österreichische Unternehmen ein 1,5 Milliarden schweres Stück vom Kuchen abbekommen haben. Immerhin über drei Prozent des gesamten Investitionsvolumens.

Mehr Dürr als Fenninger - so muss indes die Sotschi-Bilanz des Schotterkonzerns Asamer lauten. Dessen Aktivitäten und Erfahrungen an der Schwarzmeerküste bedienen so ziemlich jedes Klischee, das man über Geschäfte in Russland im Kopf haben kann. Probleme gab es noch und nöcher. Von ausufernden Schmiergeldzahlungen über korrupte Mitarbeiter bis hin zu verschwundenen Rohstoffen. Um nur einige zu nennen. All das gepaart mit gravierenden Managementfehlern.

Wie sich österreichische Unternehmen vor Ort bewegt haben, ohne im Korruptionssumpf zu versinken, war bisher immer ein großes Fragezeichen. Bei Nachfrage verwiesen sie stets auf hauseigene, strenge Compliance-Vorschriften. Mit Korruption sei man nicht in Berührung gekommen.

Dass es ein bisschen anders gelaufen sein dürfte, bringt nun eine bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts des Betruges gegen Holding-Vorstand Manfred Asamer ans Licht. Dem Wiener Unternehmer Gerald Voigt war für die Vermittlung von Geschäften und Kontakten ein Anteil von 16 Prozent an der russischen Asamer-Tochter, der OOO Austromobil Sochi, versprochen worden. Dazu kam es aber nie. "Die Anzeige richtet sich in ihrer Absurdität von selbst“, meint Asamer-Medienberater Werner Beninger. Man habe dort nur Verluste geschrieben. Stimmt nicht, kontert Voigt. In den Jahren 2011 bis 2013 habe das Unternehmen gut verdient. "Die Gewinne wurden durch Umbuchungen und Abschreibungen zu Verlusten transformiert, sodass buchhalterisch nichts übrig geblieben ist.“ Voigt fordert nun einen Gewinnanteil in Millionenhöhe und untermauert diese Forderung mit höchst aufschlussreichen Dokumenten.

Die Sachverhaltsdarstellung und profil vorliegende unternehmensinterne Unterlagen zeichnen jedoch nicht nur die Geschichte einer in die Brüche gegangenen Geschäftsbeziehung, sondern auch ein Sittenbild der Geschäftspraktiken in Russland.

Im Jahr 2006 hatte Voigt die Oberösterreicher mit den beiden Russen Genady Ogienko und Vladimir Rudenko zusammengebracht. Die Besitzer eines Kieswerks hofften auf ein Joint Venture mit der Asamer-Tochter Austromobil Baustoffproduktion. An deren Schottergrube hatten die Asamers zunächst kein Interesse, dennoch wurde man rasch handelseins. Der Plan: Die Errichtung eines Betonwerkes in Sotschi, mit Ogienko und Rudenko im Management. Bereits Anfang 2007 konnte die Betonproduktion der Austromobil Sochi gestartet werden. Nach Plan lief es jedoch nicht. Mangels eigener Rohstoffquellen mussten Kies und Sand von russischen Lieferanten teuer zugekauft werden. Die erwiesen sich zudem als unzuverlässig. So blieben Produktionsmengen und Margen weit hinter den Erwartungen zurück. Damit kam die Schottergrube der Russen im 100 Kilometer Luftlinie entfernten Zarietchnij wieder ins Spiel. 2009 wurde sie angekauft. Die Probleme wurden dadurch nicht weniger. Auf dem Straßen- oder Bahnweg liegt das Rohstoffvorkommen rund 300 Kilometer von Sotschi entfernt. Aber erst nach Inbetriebnahme der Anlage stellte man fest, dass keine kostengünstige Bahnverlademöglichkeit vorhanden war. Ein weiteres Grundstück wurde angekauft, um darauf einen Verladeterminal zu errichten. Man hatte jedoch die Rechnung ohne die korruptionsanfällige und unpünktliche russische Bahn gemacht. "Die Kiesproduktion war infolge strategischer Fehleinschätzung der Probleme mit den Russischen Staatsbahnen durch Horst Wiener (Geschäftsführer Austromobil Österreich, Anm.) und Dr. Manfred Asamer (...) nicht erfolgreich. Man musste daher wieder auf die bisherigen Lieferanten zurückgreifen“, schildert Voigt in seiner Anzeige.

Dennoch wurde 2010 ein zweites Betonwerk in Krasnaya Polyana, dem Austragungsort der Alpinbewerbe, errichtet.

Um überhaupt an Aufträge zu kommen respektive die Standorte am Laufen zu halten, soll jede Menge Schwarzgeld nötig gewesen sein. Angestellte von Kunden sollen für Aufträge, die sie erteilt haben, Kick-Back-Zahlungen verlangt haben. Alle möglichen Leistungen, die Austromobil Sochi in Anspruch genommen hat, dürften sich die Erbringer auch abseits des Zugriffs der russischen Finanz entlohnen haben lassen. In der internen - von österreichischen Mitarbeitern verfassten - Kommunikation der Austromobil Sochi ist auffallend oft von "Freundschaft“ beziehungsweise "AC“ (für Akonto) die Rede. Die beiden Begriffe sollen laut Voigt als Euphemismus für Schwarzgeldzahlungen verwendet worden sein. Die profil vorliegenden Unterlagen stützen diese Behauptung. So wurde etwa bei einer Sitzung im September 2010 über die "AC Besorgung“ sinniert. Im dazu gehörigen Protokoll ist zu lesen:

"Variante I: über Gehälter; Mitarbeiter bekommen Provisionen (...) und zahlen zurück; Steuer 13 % fällig plus Sozialversicherung für Höchstbemessungsgrundlage;

Variante II: Kunden stellen offizielle Rechnung über die Provision?!“

Man dürfte sich für Variante I entschieden haben, wie ein weiteres Sitzungsprotokoll vom Mai 2011 nahelegt. Unter dem Punkt "AC (Freundschaft)“ wird das Gehalt des russischen Geschäftsführers Ogienko sowie das seines Gehilfen für die Monate Jänner bis April 2011 mit insgesamt rund 30 Millionen Rubel (rund 602.000 Euro nach aktuellem Kurs) angegeben. Selbst wenn die Asamers den Ruf haben, gut zu zahlen: 150.000 Euro pro Monat für zwei russische Mitarbeiter ist ein doch sehr fürstliches Gehalt. Vor allem, weil Ogienko zuvor monatlich nur 300.000 Rubel (etwa 6000 Euro) verdient hat. "Als Hintergrund dieser Vereinbarung wurde erklärt, dass diese Gehälter zu 95 Prozent an die Gesellschaft in Form von Cashmittel (...) rückzuführen sind und (...) für Kick-Back-Zahlungen an die russischen Betonkunden verwendet werden sollen“, so Voigt in der Sachverhaltsdarstellung. Wohin der Rubel rollte, ist wiederum dem Protokoll zu entnehmen: "Ausgaben Beton 20.000.000,--; Terminal Strasse (sic!) 2.000.000,---“, heißt es da unter anderem. Ein gutes Geschäft war das wohl nicht: Zum einen mussten die offiziellen Gehälter zum Höchstsatz versteuert werden, zum anderen waren bei jeder Barabhebung Bankspesen fällig. Laut Protokoll allein 1,3 Millionen Rubel (26.000 Euro) von Jänner bis April 2011. Nicht ohne Grund fordert Wiener in einem E-Mail an seine Kollegen: "Freundschaft reduzieren oder abschaffen.“

Zudem verschwand aus dem Werk in Krasnaya Polyana Material in rauen Mengen. 13.000 Tonnen fehlten im November 2010, der Schaden wurde mit 200.000 Euro beziffert. "Ursache muss unbedingt aufgeklärt werden; Detektivarbeit“, heißt es dazu im Protokoll. Ein Monat später ist von einer Fehlmenge von 10.500 Tonnen die Rede. Immerhin 300 LKW-Fuhren, die offenbar spurlos abhandengekommen sind.

Glaubt man russischen Medien, ist für all diese Kalamitäten Ogienko verantwortlich. Die Asamers hatten ihren ehemaligen Geschäftsführer 2012 wegen Betrugs, Veruntreuung und Unterschlagung angezeigt. Im Jänner 2013 wurde er vom Sotschier Gericht zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt, kurz darauf aber - gegen umfangreiche Kompensationszahlungen - wieder entlassen.

Die Schotterunternehmer selbst geben sich bedeckt. Zu einzelnen Geschäftsfällen könne man nichts sagen. "Asamer hatte immer das Prinzip, in allen Märkten, in denen man tätig war und ist, lokale Partner zu beteiligen“, erklärt Beninger. Diesen habe man weitgehend freie Hand gegeben. "Im konkreten Fall wurde das Vertrauen missbraucht. Letztlich hat das Vorgehen der lokalen Partner dazu geführt, dass Asamer in Sotschi gescheitert ist.“

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Abbautendenzen

Sotschi ist nicht die einzige Baustelle der angeschlagenen Asamer-Gruppe. Das kies-, zement- und betonerzeugende Unternehmen steckt in einem Restrukturierungsprozess. Derzeit wird versucht, die defizitären Sparten abzustoßen. Bis auf einen Kernbereich, der das Österreich-Geschäft und Teile Osteuropas umfasst, will sich Asamer all seiner Beteiligungen entledigen. Insgesamt steht die Gruppe, die weltweit 5000 Mitarbeiter beschäftigt, mit Verbindlichkeiten von rund 900 Millionen Euro in der Kreide. Der Verlust betrug im Jahr 2012 100 Millionen Euro.

Noch sitzen die Brüder Manfred, Kurt und Andreas im Vorstand der Asamer Holding. Nach erfolgter Sanierung sollen sie sich, dem Vernehmen nach, aus dem operativen Geschäft zurückziehen.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).