Auf der Schattenseite

Seit Jahren wird der Bau des Wiener Marina Towers angekündigt. Bis heute gibt es keine Baugenehmigung.

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Es war ein richtiger Wohlfühltermin, den Bürgermeister Michael Häupl und Bezirksvorsteher Karlheinz Hora am 8. Oktober 2015, kurz vor der Gemeinderatswahl, in der Leopoldstadt, dem 2. Wiener Gemeindebezirk, absolvierten. Gemeinsam mit Immobilienentwickler Markus Teufel stachen sie den Spaten in eine Gstättn am Handelskai 346. Dort sollte der Marina Tower 130 Meter in den Himmel wachsen. Modern. Majestätisch. Maritim. Sagt der Werbefolder. Mit über 500 Wohnungen auf 39 Geschossen. Ein Prestigeprojekt direkt am Wasser.

Für Politiker im Wahlkampf-Finale verheißt eine solche Veranstaltung schöne Bilder und freundliche Berichte. In einer Stadt zumal, in der Wohnraum knapp zu werden droht.

Lokalaugenschein knapp zwei Jahre später. Von der angekündigten Landmark ist noch immer nichts zu sehen. Auf der 3500 Quadratmeter großen Fläche wuchert das Unkraut fröhlich vor sich hin. Bis heute sind auf dem Grundstück nächst der U-Bahn-Station Donaumarina keine Baumaschinen aufgefahren. Das Projekt verzögert sich immer weiter. Woran liegt das?

Bauvorhaben liegt über zehn Jahre zurück

Die Historie dieses Bauvorhabens geht mittlerweile über zehn Jahre zurück. Im Mai 2007 wurde ein "spektakuläres Büroprojekt, das die Wiener Skyline nachhaltig prägen wird", annonciert. Doch aufgrund eklatanten Desinteresses potenzieller Mieter wurde der Plan Jahre später verworfen. 2014 erfolgte die Umwidmung zur Wohnzone.

Tatsächlich war es ein attraktives und ehrgeiziges Projekt, welches die Eigentümer der Marina-Tower-Gesellschaften (75 Prozent hält die WIK Immobilien GmbH, deren luxemburgische Mutter im Einflussbereich von Markus Teufel steht; die Cabet Holding GmbH - eine Tochter der Unicredit Bank Austria - ist mit 25 Prozent beteiligt) aus dem Boden stampfen wollten. Es sollte der höchste Turm der Leopoldstadt werden. Der Entwurf des Architekturbüros Zechner/Zechner sah für alle Wohnungen Freiraum in Form von Loggien oder Balkonen vor. Das sogenannte Marina Deck - eine Überplattung der Straße und der Bahngleise mit Grünflächen - sollte einen direkten und öffentlichen Zugang zum Donauufer und zum Yachthafen gewährleisten. Bisher trennen die S-Bahn und der vierspurige Handelskai die Stadt von der Donau und bilden für die Bewohner eine fast unüberwindliche Barriere. Das Projekt könnte die unwirtliche Gegend nur aufwerten.

Doch trotz des Wohlwollens der Stadtregierung ging bei dem Projekt nichts weiter. Der Spatenstich erfolgte deutlich verfrüht. Damals hieß es noch, die Stadt Wien werde sich mit 51 Prozent an der Betreibergesellschaft Marina Deck beteiligen. Davon ist längst keine Rede mehr. Stattdessen wurde ein Dienstbarkeitsvertrag ausgehandelt, welcher allerdings bis dato nicht verbüchert ist.

Wir erwarten die Baugenehmigung in den nächsten Wochen. Wir haben den Tower umgeplant. Die Belichtungseinschränkung ist nun nicht mehr gegeben.

Und bis heute gibt es nicht einmal eine Baugenehmigung. Das liegt an der BAI (Bauträger Austria Immobilien), die bis Anfang dieses Jahres ebenfalls eine Bank-Austria-Tochter war, dann aber von René Benkos Signa-Gruppe übernommen wurde. Als Eigentümerin des Nachbargrundstückes hat die BAI (also Benko) bei der kürzlich erfolgten Bauverhandlung wegen "Einschränkung des Lichteinfalls" Einspruch erhoben. Für ihr eigenes Projekt, die Donaumarina Studios mit rund 210 Eigentumswohnungen, hat die BAI das baubehördliche Okay bereits erhalten. "Wir erwarten die Baugenehmigung in den nächsten Wochen", sagt Markus Teufel, Marina-Tower-Co-Geschäftsführer. "Wir haben den Tower umgeplant. Die Belichtungseinschränkung ist nun nicht mehr gegeben."

Das sind Verzögerungen, die ins Geld gehen. Wie auch die Steuerprüfung, welche die Gesellschaft ereilte und die zu einer Nachforderung führte. Weil die Wohnungen ursprünglich als Mietobjekte konzipiert waren, wurde ein Vorsteuerabzug geltend gemacht. Als jedoch die IG Immobilien, eine Tochter der Oesterreichischen Nationalbank, im vergangenen Sommer ihren 25-Prozent-Anteil an die WIK Immobilien verkaufte, verlegte man sich auf das Geschäft mit Eigentumswohnungen, welches nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die kolportierte Nachforderung in Höhe von rund 3,6 Millionen Euro stellt Teufel in Abrede: "Die Umsatzsteuerprüfung ist mittlerweile abgeschlossen. Die offene Forderung war deutlich geringer und wurde bereits beglichen."

Die Finanzierung ist bis Mitte nächsten Jahres gesichert – das heißt, alle Planungen bis zum Baubeginn.

Ein Grundproblem bei der Immobilienentwicklung: Je mehr Zeit vergeht, desto höher werden die Kosten. Dem Vernehmen nach soll auch das Verhältnis mit einem russischen Financier mittlerweile etwas angespannt sein. Dieser ist mit einer sogenannten Call-Put-Option in das Marina-Tower-Projekt involviert. Als Sicherheit dienten Anteile an der luxemburgischen WIK-Mutter. Das Geschäft wäre eigentlich mit Ende Juni fällig gewesen. Bisher wurde die Schuld jedoch nicht getilgt. "Die Call-Put-Option gibt es nicht mehr. Das Darlehen wurde bis ins nächste Jahr verlängert", sagt Teufel. Eine entsprechende Rechercheanfrage dieses Magazins beantwortet der österreichische Berater des russischen Finanziers mit einer Klagsdrohung.

Auch die weiteren Pläne der Cabet als Mitgesellschafterin sind derzeit ungewiss. In der Branche hört man, dass es von der Bank Austria für die Baufinanzierung kein Placet gibt. Zudem hat sich das Kreditinstitut schon Anfang 2015 dazu entschlossen, sich von ihrem Immobilienportfolio zu trennen. Bei der Bank Austria gibt man sich zugeknöpft: "Wir geben grundsätzlich keinen Kommentar zu einzelnen Kunden oder Geschäften ab", erklärt Sprecher Matthias Raftl.

Kenner glauben, dass sich Tower nicht mehr rechnen kann

Kenner des Projektes glauben mittlerweile, dass sich der Marina Tower gar nicht mehr rechnen kann. Das Investitionsvolumen soll laut Eigenangaben rund 200 Millionen Euro betragen. "Die Finanzierung ist bis Mitte nächsten Jahres gesichert - das heißt, alle Planungen bis zum Baubeginn", erklärt Teufel. Zudem seien bereits 60 Prozent der Gewerbeflächen vermietet. Und bei den Wohnungen gäbe es vier Mal so viele Interessenten wie tatsächliche Wohneinheiten.

Teufel geht nun von einem Baubeginn im Spätherbst aus und rechnet mit einer Bauzeit von zwei Jahren. Und damit beginnt auch ein Wettlauf um potenzielle Bewohner. Je nach Etage soll der Quadratmeterpreis zwischen 3500 und 6800 Euro betragen. Für die Penthousewohnungen wird man rund 9000 Euro hinblättern müssen. Derzeit werden gleich mehrere Wohnhochhäuser geplant. Triiiple, die drei Türme der Soravia-Gruppe auf dem Areal des früheren Zollamts im 3. Bezirk, haben kürzlich die Baugenehmigung erhalten. MySky, der Wohnturm im Stadtentwicklungsgebiet Monte Laa in Favoriten, hat kürzlich Dachgleiche gefeiert. Die ersten Bewohner sollen Ende des Jahres einziehen.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.