Und fertig

Baumax: Ist die Baumarktkette noch zu retten?

Baumax. Die Baumarktkette strampelt ums Überleben

Drucken

Schriftgröße

Man nehme eine kräftige Prise Musik, füge John Travolta und Uma Thurman hinzu und garniere das Ganze mit Tanzszenen in Zeitlupe. In Quentin Tarantinos Film "Pulp Fiction“ waren dies die Zutaten für einen durchschlagenden Erfolg. Und was einmal funktioniert hat, klappt womöglich auch ein zweites Mal - dachten sich zumindest die Kreativköpfe der neuen Baumax-Werbelinie.

"Baumax. Und fertig"
Es braucht nur ein paar Takte des Soundtracks, um bei einem popkulturell geprägten Publikum die entsprechenden Bilder im Kopf hervorzurufen. Die Reminiszenzen im Fernsehspot sind klar erkennbar. Allerdings: Die Darstellerin trägt zwar Uma-Thurman-Frisur, bleibt aber ungekämmt. Zu mehr als der deutschen Synchronstimme Travoltas hat es nicht gereicht. Und in Sachen Coolness hinkt der Spot seinem Vorbild weit hinterher. Auch das Timing der Kampagne erscheint eigenwillig: Sie wurde vergangene Woche gestartet. Zu einem Zeitpunkt, als eine drohende Insolvenz der Baumarktkette schon breit thematisiert wurde, ging man mit dem Slogan "Baumax. Und fertig“ in die Offensive.

Das Heft liegt in der Hand der Banken
Das Unternehmen strampelt ums Überleben. In den kommenden Wochen wird über die Zukunft der Handelskette entschieden. Die einst von den Reichen und Mächtigen hofierte, nun in der Öffentlichkeit mit Spott und Häme übergossene Gründerfamilie Essl hat dabei nicht mehr viel zu melden. Das Heft liegt in der Hand der Banken. Ob der Karren noch aus dem Dreck gezogen werden kann, ist mehr als ungewiss. In seinen Sanierungsbemühungen hat das frühere Vorzeigeunternehmen viel Zeit vergeudet.

Möglicherweise zu viel.

9000 Mitarbeiter in neun Ländern
Karlheinz Essl machte aus dem schwiegerväterlichen Kleinbetrieb in Klosterneuburg einen Konzern mit 9000 Mitarbeitern und 160 Märkten in neun Ländern. Gemeinsam mit Gattin Agnes hat er eine 7000 Werke umfassende Kunstsammlung aufgebaut. Nun steht er vor den Trümmern seines Lebenswerks. Die Baumax-Gruppe ist mit knapp einer Milliarde Euro verschuldet. Davon entfallen 633 Millionen auf die Banken, der Rest auf Lieferanten, Finanz und verbundene Unternehmen. Die ausländischen Töchter schreiben mit Ausnahme der Slowakei durchwegs Verluste; 2012 machte man allein in Rumänien 26 Millionen Euro Miese, in der Türkei waren es 14 Millionen. Und seine Sammlung musste Essl nun als vorgeblich entscheidendes Gewicht für oder gegen eine Insolvenz in die Waagschale werfen.

Es läuft schon seit geraumer Zeit unrund. Doch die Familie konnte sich nie zu den zwar schmerzhaften, aber notwendigen Schritten durchringen.

Kräfteraubender Wettlauf
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war Baumax einer der ersten einschlägigen Anbieter jenseits der Grenze. Was damals als visionär galt, ist nun fatal. Die Handelskette musste sich einen kräfteraubenden Wettlauf mit internationalen Mitbewerbern wie Obi, Bauhaus, Praktiker und Hornbach liefern. Dann kam die Wirtschaftskrise, und die Geschäfte liefen immer schlechter. "Andere sparen sich gesund, wir investieren antizyklisch“, meinte Sohn Martin 2009, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren an der Spitze des Vorstands saß, während der Senior im Aufsichtsrat den Ton vorgab. Damals hielt man bei 140 Märkten, es folgte eine forsche Expansion - grundsätzlich keine schlechte Idee, wenn man sie aus eigener Kraft stemmen kann. Doch die Errichtung der neuen Standorte erfolgte auf Pump. 2010 dehnte Baumax seinen Aktionsradius in die Türkei aus; binnen drei Jahren wurden dort sieben Baumärkte eröffnet. Noch 2012 und 2013, als die Kette schon arg in der Bredouille war, kamen Märkte in Bulgarien, Tschechien und Rumänien dazu.

Schon damals empfahlen Branchenkenner, Baumax solle sich aus einzelnen Ländern zurückziehen beziehungsweise Töchter dort in den Konkurs schicken, um das Österreich-Geschäft nicht zu gefährden. Doch die Warnungen verhallten ungehört. Der gemeinsam mit Experten des Beratungsunternehmens Roland Berger ausgetüftelte Restrukturierungsplan zog entsprechende Maßnahmen nicht einmal in Erwägung. "Man kann nicht immer alle Entwicklungen voraussehen“, sagt Unternehmenssprecherin Monika Voglgruber.

Tatsächlich lag es wohl eher daran, dass man bei Verhandlungen mit Essl senior mit einer gewissen Beratungsresistenz zu kämpfen hatte. Die Zepterübergabe an Sohn Martin war nur auf dem Papier erfolgt. Karlheinz traf aus dem Aufsichtsrat heraus nach wie vor alle Entscheidungen. "Ein Unternehmen dieser Größe kann man aber nicht mehr von einem einzigen Schreibtisch aus führen“, meint ein ehemaliger Topmanager. In der Führungsetage gab es massive Diskrepanzen. Während die einen den Fokus auf die Liquidität richten und Strukturen zurückfahren wollten, hielten die Essls an ihrem Großreich fest.

Vergangenen Sommer warf Werner Neuwirth-Riedl nach 14 Jahren als Finanzvorstand das Handtuch. Er scheide im "besten Einvernehmen“, hieß es damals. Seinen Nachfolger hielt es nicht einmal einen Monat. Marcus Pechlaner, vormaliger Wirtschaftsprüfer bei Ernst & Young, habe das Unternehmen aus "persönlichen Gründen“ verlassen, wurde verlautbart. Im Lichte der aktuellen Entwicklungen sind diese Abgänge wohl anders zu beurteilen.

In den drei Verlustjahren haben die Banken 80 Millionen Euro und die Familie Essl über 50 Millionen eingeschossen. Im Rahmen des Restrukturierungsplans wurde mit den Gläubigern - die größten sind Raiffeisen, Bank Austria und Erste Bank - ein Stillhalteabkommen vereinbart. Bis Ende 2015 werden die Kreditverbindlichkeiten tilgungsfrei gestellt; sämtliches Immobilienvermögen sowie die Markenrechte sind an die Kreditgeber verpfändet.

Doch das erste Sanierungskonzept ist längst Makulatur. Man brauche mehr Zeit, erklärte man im vergangenen Juni. Das Standstill-Agreement wurde um ein Jahr ausgedehnt.

Aber es zwickt an allen Ecken und Enden. Dem Unternehmen fehlt es an Liquidität. In den Auslandstöchtern wird Geld in rauen Mengen verbrannt. Ein eigentlich Ende März auslaufender staatlich besicherter Kredit aus dem Unternehmensliquiditätsprogramm (ULSG) in Höhe von 36 Millionen Euro konnte nicht bedient und musste deshalb verlängert werden.

Im Ringen um frisches Geld brachte Karlheinz Essl nun auch seine Kunstsammlung aufs Tapet - ein Schritt, der von den Gläubigern, im Gegensatz zur Kulturszene, durchaus goutiert wird. Doch die Rechnung, mit der Essl dem Staat den Deal schmackhaft machen will - Kunstsammlung gegen 4000 Arbeitsplätze - ist gewagt. Dem Buchwert von 86 Millionen Euro stehen Verbindlichkeiten in mehr als zehnfacher Höhe gegenüber. Mit seinen Gemälden kann Essl Baumax nicht retten. "Aber er kann sich damit Zeit und Liquidität verschaffen“, meint Christian Berger, Österreich-Chef des Kreditversicherers Coface.

Beides ist dringend nötig. Denn auch der Rückzug aus den verlustreichen Märkten, der erst jetzt - unter dem neuen Vorstandschef Michael Hürter - ernsthaft thematisiert wird, kostet. Dreht man dort das Licht aus, müssen sämtliche Schulden beglichen werden. Werden die Töchter in die Insolvenz geschickt, wird es für die österreichische Mutter gefährlich. Sie hat die Gesellschaften mit umfangreichen Haftungen ausgestattet, die dann schlagend würden.

Für Ende April steht eine Zusammenkunft sämtlicher Gläubiger auf der Agenda. Es wird eine große Runde sein, die über den mittlerweile dritten, wieder von Roland Berger erstellten, Sanierungsplan zu befinden hat. Insgesamt sind über 30 Banken, Leasing-Gesellschaften und Kreditversicherer in die Causa involviert. Rund die Hälfte davon stammt aus dem Ausland. Zumindest die österreichischen Gläubiger beteuern derzeit noch, Baumax die Stange halten zu wollen. Ob dieses Commitment auch von den ausländischen Kreditgebern, darunter die tschechische Komerèni Banka, die russische Sberbank sowie die türkischen Geldinstitute Akbank und İşbank zu bekommen ist, wird sich zeigen. "Eine gmahde Wiesn ist das nicht“, sagt ein Gläubigervertreter. Schert nur einer aus, wird es das mit Baumax gewesen sein. Vielleicht kann aber kurz davor noch ein Investor aus dem Hut gezaubert werden. Interessenten soll es dem Vernehmen nach geben.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).