Blattschuss

Blattschuss: Die „Kärntner Tageszeitung“ wurde nach 69 Jahren eingestellt

Medien. Vom Sanierungsfall zum Kriminalfall: Die „Kärntner Tageszeitung“ wurde nach 69 Jahren eingestellt

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Es ist immer das oberste Gebot jeder Zeitung gewesen, stets von den anderen, nie aber von sich selbst zu sprechen. Ausgenommen davon sind lediglich ganz besondere Anlässe und einer davon ist das erste Erscheinen einer Zeitung. Da ist es wohl üblich „Guten Tag“ zu sagen und unter höflichem, nun glücklicherweise wieder Sitte gewordenem Hutabnehmen seinen Namen zu nennen und zu sagen, was man will.

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Und das ist sehr einfach getan: Ihnen dienen.

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Für diese Arbeit müssen wir Sie heute um einen kleinen Vorschuß an Vertrauen bitten. Sie werden an der Mühe, die wir uns geben, rasch bemerken, daß sie es nicht an Unwürdige verschwendet haben.

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Wir werden unsere schönste Belohnung gefunden haben, wenn in den kommenden schweren und mühevollen Zeiten des Wiederaufbaues unseres Vaterlandes und der Neuordnung der Wirtschaft Ihnen allen die „Neue Zeit“ zum alten Freund geworden ist.

Die Besatzungsmächte hatten es den österreichischen Parteien – anlässlich der ersten Wahlen nach dem Krieg im November 1945 – ermöglicht, Zeitungen zu gründen. Um Meinungsvielfalt zu fördern und ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Standpunkte darzustellen.
Mit Freitag, 4. Jänner 1946, stellte die seit Herbst 1945 von der Kärntner SPÖ als Wochenblatt herausgegebene „Neue Zeit“ auf einen täglichen Rhythmus um.

Pfiat euch, es war uns eine Freude
Auf der Titelseite dieser ersten Ausgabe sind die Neujahrsbotschaften von Bundespräsident Karl Renner und Bundeskanzler Leopold Figl zu lesen; ein Bericht über Hitlers Testament und eine Warnung vor einem Bürgerkrieg in Spanien. Erst auf Seite drei – der insgesamt nur vier Seiten starken Zeitung – findet sich zwischen Unfallberichten, Fußballberichterstattung, Wettervorhersage und Rundfunkprogramm, eingangs zitierte Begrüßung der Leserschaft.

68 Jahre später, am Freitag, den 28. Februar 2014 – die Verabschiedung: Pfiat euch, es war uns eine Freude.

In den Trafiken liegt die letzte Ausgabe des 1965 in „Kärntner Tageszeitung“ („KTZ“) umgetauften Blattes auf. Damit geht die Ära einer karinthischen Institution zu Ende. Gegen die Wand gefahren von windigen Geschäftemachern.
Es ist die Chronik eines angekündigten Todes. Wenngleich die Patientin am Ende dann doch ziemlich rasch verstarb.
Am Dienstag der Vorwoche eröffnete Konkursrichter Herwig Handl das Insolvenzverfahren. Drei Wochen hatten die „KTZ“-Eigentümer Zeit gehabt, einen Sanierungsplan vorzulegen oder zumindest einen Teil der sich auf rund 280.000 Euro belaufenden Schulden bei der Kärntner Gebietskrankenkasse zu tilgen. Doch die Frist verstrich ungenutzt.
Spätestens seit der übel beleumundete Unternehmer Dietmar Wassermann bei dem Traditionsblatt das Sagen hatte, gab es nur noch eine Fahrtrichtung: jene Richtung Crash.

Im Sommer 2012 zunächst nur als „Kooperationspartner“ ins Boot geholt, übernahm der 53-Jährige mittels undurchsichtiger Firmengeflechte Anfang vergangenen Jahres die Mehrheit an der „KTZ“. Zuletzt stand die – in Insolvenz befindliche – BB & Partner Vermögens- und Liegenschaftsgesellschaft als 100-Prozent-Eigentümerin im Firmenbuch. An dieser hält der Werbeunternehmer Hansjörg Berger 25 Prozent, der Rest entfällt auf die DW Invest & Consulting; eine Gesellschaft, die im Eigentum von Wassermanns Sohn Daniel steht.
Der Senior fungiert seit Oktober als offizieller Geschäftsführer der „KTZ“. Im Hintergrund zog er aber schon längst die Fäden. Und fiel mit recht unorthodoxen Geschäftsmethoden auf. „Mitarbeitern, denen eine Abfindung zugestanden wäre, bot er stattdessen ein Darlehen an, von dem sie eine seiner in Oberkärnten errichteteten Wohnungen kaufen sollten“, berichtet ein Redakteur. Gehaltszahlungen kamen nur noch schleppend, zuletzt gar nicht mehr.

Mutmaßliche Steuerhinterziehung im großen Stil
Anfang Jänner spitzte sich die Situation zu. profil hatte publik gemacht, dass gegen Wassermann ein internationaler Haftbefehl der deutschen Justiz vorliegt. Der Vorwurf: mutmaßliche Steuerhinterziehung im großen Stil. Gemeinsam mit elf weiteren Beschuldigten soll er die deutsche Finanz um mindestens 3,8 Millionen Euro geprellt haben. Der Austria Presseagentur (APA) erzählte er freimütig, dass er in Deutschland bereits ab 2006 eine mehrjährige Haftstrafe wegen schweren Betrugs verbüßt hätte. Die aktuellen Anschuldigungen bezeichnete Wassermann als haltlos und kündigte an, sich den Behörden stellen zu wollen. Doch dazu kam es nicht.
Er tauchte unter.

Vergangenen Donnerstag, nur zwei Tage nach Konkurseröffnung, gab Masseverwalter Gerhard Brandl die Einstellung der „KTZ“ bekannt. Ohne Investoren sei an eine Fortführung des Betriebes – der monatlich zwischen 350.000 und 400.000 Euro verschlingt – nicht zu denken. Doch solche waren weit und breit nicht zu sichten.

Wie hoch die Schulden sind, konnte Brandl bis dato nicht eruieren: „Dort herrschen Zustände wie im Wilden Westen.“ Er rechne mit Verbindlichkeiten von bis zu vier Millionen Euro. Die Gläubiger werden wohl durch die Finger schauen – Vermögenswerte sind keine vorhanden. Das letzte Asset, das Archiv mit sämtlichen Ausgaben seit 1945, ließ Daniel Wassermann wenige Stunden vor Konkurseröffnung abtransportieren. Michael Sommer, Anwalt von Wassermann junior, erklärt gegenüber profil: „Im Juli 2013 hat die H.M.S. GmbH (ein Unternehmen des Seniors, Anm.) der „KTZ“ ein Darlehen von rund 100.000 Euro gewährt. Das Archiv diente als Sicherheit.“ Man werde im Insolvenzverfahren die entsprechenden Anmeldungen der Aussonderungsansprüche zeitgerecht vornehmen.
Bei den 27 von der Pleite betroffenen Mitarbeitern hielt sich bis zuletzt die Hoffnung, dass es irgendwie weitergehen würde. Kummer und wirtschaftlich schwierige Situationen war man schließlich gewohnt: „Als ich 1993 ins Unternehmen eingetreten bin, fragte meine Familie: ‚Warum fängst du dort an. Die KTZ wird das Jahr nicht überleben‘“, erzählt Chefredakteurin Claudia Grabner.

Doch Totgesagte leben manchmal länger. Schon ab 1948 hatte die „KTZ“ mit harter Konkurrenz zu kämpfen. Die einst von den Nationalsozialisten eingestellte „Kleine Zeitung“ begann, anfangs von Graz aus, Teile ihres Blattes mit Kärnten-Inhalten zu befüllen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus ein vollwertiges Kärnten-Produkt mit eigener Redaktion in Klagenfurt. Das kostete die Parteizeitung Leser und Abonnenten.
In den 1970er-Jahren verzeichnete die Kärntner SPÖ mit über 50.000 ihren Mitgliederhöchststand. In Leserzahlen hat sich das freilich nicht niedergeschlagen. Trotz aller Bemühungen gelang es nie, alle Parteimitglieder auch als Abonnenten zu gewinnen.

Die von Bruno Kreisky betriebene Öffnung der Partei wurde von den Kärntner Sozialdemokraten kaum mitvollzogen. Als die Redaktion der „KTZ“, die um eine offenere Berichterstattung bemüht war, gegen nachdrückliche Eingriffe Leopold Wagners protestierte, reagierte der damalige Landeshauptmann verärgert. Ihren Ruf als „Karawanken-Prawda“ wurde die Zeitung lange nicht los.

Ab 1983 musste sich die „KTZ“ auch noch gegen die von da an auch in Kärnten operierende „Kronen Zeitung“ behaupten. Ein aussichtsloses Match. Hinter den Platzhirschen „Kleine“ und „Krone“ blieb sie bis zum Schluss Dritte.

Dann die Landtagswahl 1989. Ein aufwendiger Wahlkampf, der Verlust der absoluten Mehrheit und der Sieg Jörg Haiders zeitigten Folgen: In der Parteikasse war Ebbe, die SPÖ Kärnten außerstande, die „KTZ“ weiter zu finanzieren. Der Auftrag lautete: Sucht euch potente Partner – ein Vertrag mit der Mediaprint wurde eingegangen. Die Kooperation umfasste Vertrieb, Werbung und Anzeigen. Während die ÖVP 1990 ihre „Volkszeitung“ einstellte, machte die „KTZ“ weiter. Und versuchte sich – auch aufgrund der veränderten politischen Machtverhältnisse – inhaltlich zu öffnen.
Mit der abermaligen Wahl Haiders zum Kärntner Landeshauptmann im April 1999 wurde der scharfe Gegenwind zum Orkan. Eine erste Maßnahme der Landesregierung war die Streichung der Presseförderung. Haider gab zu verstehen, dass er nicht gewillt war, Blätter, die gegen ihn anschrieben, finanziell zu unterstützen. Und das sollte er auch bis 2004 so halten – einmal floss Geld, dann wieder nicht –, ehe Peter Ambrozy ein Presseförderungsgesetz zur Koalitionsbedingung für eine blau-rote Landesregierung machte.

Im Vergleich zu der jährlich rund eine Million Euro starken Bundespresseförderung war der Landeszuschuss aber ohnehin nur Kleingeld.

Als 2009 die ebenfalls im Besitz der SPÖ befindliche Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft ins schnelle Trudeln geriet und sich die finanzielle Situation der Partei immer mehr anspannte, gab sie die Mehrheit an der „KTZ“ ab.

Geschäftsführer Bernhard Wernig und Chefredakteur Ralf Mosser übernahmen 45 Prozent; Hannes Berger, Unternehmer und ehemaliger SPÖ-Bezirkssekretär in Hermagor, stieg mit zehn Prozent ein. Doch das Geschäft verlief holprig. 2010 übernahm Bergers Sohn Hansjörg die Anteile von Mosser, Wernig und der SPÖ. Und hatte große Pläne: „In nur kurzer Zeit werden wir bei guter Rendite sein.“

Die Bergers galten durchaus als medienerfahren – Vater Hannes hatte zuvor die Kärntner Regionalmedien aufgezogen, die inzwischen vom Styria Verlag aufgekauft wurden. Ihr Ruf ist aber nicht der beste: Dem Senior verübelt man seine politische Elastizität – nach seiner Karriere bei der SPÖ umgarnte er BZÖ-Landeshauptmann Dörfler und versuchte schließlich beim Team Stronach anzudocken. Und gegen den Junior ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue im Zusammenhang mit Scheinrechnungen für freiheitliche Politiker.
Nach der Übernahme stampften die Bergers in Rekordzeit die „Bezirksjournale“ als Tochterunternehmen der „KTZ“ aus dem Boden, die, auf teurem Hochglanzpapier, an jeden Kärntner Haushalt gingen.
„Vom Tageszeitungsgeschäft hatten sie aber keine Ahnung. Ihre Ideen waren realitätsfern“, meint Chefredakteurin Grabner. Doch weder beim einen noch beim anderen Format bewiesen sie ein glückliches Händchen: Das Aus für die Bezirksjournale erfolgte vergangenen Sommer. Der erste Konkursantrag gegen die „KTZ“ im Juni 2012 konnte nur durch den Auftritt Dietmar Wassermanns abgewendet werden. Mit bekanntem Finale.

Mitarbeit: Ulla Kramar-Schmid

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).