KARL ZWEYMÜLLER: Der Arzt und Mitbegründer einer Bürgerinitiative setzt sich für den Erhalt des Stadtbildes ein.

Baden: Prominente gegen umstrittene Immobilienprojekte

In der Kurstadt Baden ist eine etwas andere Protestbewegung am Werk. Honorige Bürger halten Stadtregierung und Investorengruppen im Zusammenhang mit umstrittenen Immobilienprojekten auf Trab. Ein Lokalaugenschein.

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Sie sind nicht zu übersehen. Schwarz auf gelb prangt es auf gleich mehreren Schildern: "Privatgrundstück. Betreten verboten". Karl Zweymüller wagt sich dennoch auf die grüne Wiese vor. Einerseits, um neben der Beethoven-Büste für den Fotografen zu posieren. Andererseits um auf die architektonischen Besonderheiten des eindrucksvollen Bauwerkes im Hintergrund hinzuweisen. Gilt doch der Sauerhof in Baden bei Wien als eines der Hauptwerke des Joseph Kornhäusel, der seinerseits so etwas wie der Stararchitekt des Biedermeiers war.

"Ah, der Herr Professor", raunt eine zufällig vorbeikommende Spaziergängerin, als sie den hochgewachsenen Mann erblickt. Offensichtlich ist Zweymüller in der Kurstadt kein ganz Unbekannter. Was man jedoch nicht sofort zu erkennen vermag: der Herr Professor ist An-und Wortführer einer stetig wachsenden Protestbewegung.

Seit einiger Zeit setzt sich der renommierte Orthopäde und ehemalige ärztliche Leiter des Krankenhauses Gersthof für die Erhaltung des Badener Stadtbildes ein. Und hat dabei gut zu tun. In der Stadt sei eine "übermäßige Bautätigkeit" zu beobachten, eine "Zerstörung der schönen, alten, gewachsenen Strukturen" und eine "Minderung der Lebensqualität" zu befürchten . Dagegen kämpft er mit seiner prominent besetzten Bürgerinitiative an und scheut dabei auch vor einem gewissen Aktionismus nicht zurück. Für die Badener Stadtregierung werden die Salonrebellen immer mehr zum Ärgernis.

"Eines der berühmtesten klassizistischen Bauwerke Österreichs"

Der Sauerhof ist zwar nur eines von mehreren Projekten, welches Zweymüller Sorgen bereitet, aber wohl jenes, das ihm am meisten am Herzen liegt. "Es ist eines der berühmtesten klassizistischen Bauwerke Österreichs", so der Professor. 1820 in seiner heutigen Form errichtet, hat es eine höchst wechselhafte Geschichte hinter sich. Zunächst als Hotel und Sanatorium in Betrieb, diente es während der beiden Weltkriege als Lazarett. Nach der sowjetischen Besatzung war das Haus devastiert. Ende der 1960er-Jahre stellte die damalige Besitzerin, die niederösterreichische Gebietskrankenkasse, einen Antrag auf Demolierung, doch Stadt und Denkmalamt legten sich quer. Seit Anfang der 1980er-Jahre firmierte es - unter wechselnden Besitzern -als "Grand Hotel Sauerhof", ehe es im Februar 2014 in Konkurs ging und geschlossen wurde. Während Zweymüller die Geschichte des Hauses referiert, tauchen auf dem ansonsten völlig verwaist wirkenden Areal zwei muskelbepackte Männer auf. Auf den Hinweis, dass es vielleicht bekömmlicher wäre, das Gelände zu verlassen, um nicht eine Anzeige wegen Besitzstörung zu provozieren, meint der 75-Jährige: "Soll ich es riskieren? Dann hätten wir eine Schlagzeile." Doch für die Titelseite reicht es diesmal nicht. Die beiden Herren zeigen kein gesteigertes Interesse an den ungeladenen Gästen.

Seit Oktober 2015 ist der Sauerhof im Besitz der malaysisch-österreichischen Kyatt-Gruppe rund um Siegmund Kahlbacher. Diese will das Objekt zum Fünf-Sterne-Gesundheitshotel ausbauen. Was spricht eigentlich dagegen?"Wir vermuten, dass es den Investoren vorrangig um die Umwidmung des Parkes in Bauland geht, um Eigentumswohnungen zu errichten und damit schnelles Geld zu machen", erklärt Zweymüller. An der Revitalisierung und nachhaltigen Bewirtschaftung des historischen Objekts bestünden erhebliche Zweifel.

Kyatt-Geschäftsführer Kahlbacher ist später mit Verweis auf einen dichten Terminkalender für profil nicht zu sprechen. Der Presseverantwortliche der Kyatt- Gruppe, Christian Spath, hat grundsätzlich Verständnis für die Sorgen: "In Baden sind in der Vergangenheit viele Bausünden passiert. Aber die geplanten Arbeiten werden die Großzügigkeit des Kornhäusel-Juwels unterstreichen." Tatsächlich plant die Gruppe die Errichtung von drei Gebäudeblöcken in der Parkanlage. Zwei der drei Zubauten seien für Gastronomie und Wellness-Einrichtungen gedacht. Im dritten sollen Ferienapartments errichtet werden: "Für Langzeitgäste aus Asien. Für Eigentumswohnungen gibt es gar keine Genehmigung", erklärt Spath. Ende September werde man einen Tag der offenen Tür abhalten, bei dem man die Zweifel der Badener Bürger ausräumen möchte, so der Sprecher.

Prominente Projekt-Gegner

Man könne ja bei den Anrainern nachfragen, was die von dem Projekt halten, schlägt Professor Zweymüller vor. Unmittelbar angrenzend befindet sich das von Lotte Tobisch präsidierte Hilde-Wagener-Künstlerheim, ein Alterswohnsitz für Schauspieler, Musiker und Schriftsteller. Man bedaure, Frau Tobisch sei nicht zugegen, bescheidet man dort den Überraschungsgästen. Macht nichts. Ihre Meinung hat die frühere Opernballorganisatorin bereits Anfang Juni anlässlich eines Pressegesprächs kundgetan: "Solange mir niemand sagt, wie das Ganze finanziert wird, existiert das Projekt für mich nur insofern, als dass ich dagegen bin", gab sie damals zu Protokoll. Sekundiert wurde sie dabei unter anderen von Schauspielerin Christiane Hörbiger, deren (nur wenige Wochen nach dieser Veranstaltung verstorbenen) Partner Gerhard Tötschinger, Altbürgermeister August Breininger sowie den Altabt von Heiligenkreuz, Gregor Henckel-Donnersmarck.

Erhebliche Zweifel hegen die Protagonisten zudem an der Seriosität des Herrn Kahlbacher. Tatsächlich hat der 56-Jährige eine recht bunte berufliche Laufbahn vorzuweisen: Vom FPÖ-Parteisekretariat über zahlreiche Geschäftsführerpositionen in den unterschiedlichsten Branchen - mit sehr wechselhafter Fortüne. So war er in die Pleite der Klagenfurter Wörtherseebühne (eines der schlimmen Prestigeprojekte Jörg Haiders) ebenso involviert wie in die Insolvenz des Fertigteilhausproduzenten Brauchl Haus. Mit seinen malaysischen Partnern (diese halten 49 Prozent an der Kyatt-Gruppe) führt Kahlbacher bereits das Hotel Sacher in Baden, ein Thermenhotel in Lutzmannsburg, sowie das Heritage Hotel in Hallstatt. In der Salzkammergut-Gemeinde stieß Kahlbacher ebenfalls nicht auf ungeteilte Zustimmung. Auch dort beobachtet eine Bürgerinitiative die Kyatt-Aktivitäten mit Skepsis.

In Baden ist der Ton mittlerweile recht rau geworden. Vizebürgermeisterin Helga Krismer etwa warf den Kritikern "zerstörerischen Populismus" und "pures betriebswirtschaftliches Unwissen" vor. "Das nehme ich persönlich", sagt Manfred Biegler, "vor allem, wenn ich mir das von einer Veterinärmedizinerin vorwerfen lassen muss." Die Kritik entbehrt tatsächlich nicht einer gewissen Ironie: Biegler ist als Parner einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft seit Jahren als Gutachter in Finanzskandalen tätig. Die Badener Hotellerie habe bereits jetzt mit erheblichen Auslastungsproblemen zu kämpfen. Bezüglich des Erfolges zusätzlicher Projekte sei er skeptisch, so der Experte.

Aufruhr im Villenviertel

Auf dem Weg durch den Doblhoffpark hält Zweymüller schnell einen Exkurs über den Rosenzüchter Rudolf Geschwind, dessen Kreationen gerade in voller Blüte stehen. Um vor dem Schlosshotel Weikersdorf nicht als Betriebsspion entlarvt zu werden, fordert er die Begleitung auf: "Schnüffeln Sie doch einmal an den Rosen." Die Tarnung gelingt. Zweymüller kann ungestört über die Ausbaupläne der Gerstner-Gruppe (die unter anderen auch das Wiener Hotel De France betreibt) erzählen. Der Neubau eines zusätzlichen Hoteltraktes stößt aufgrund seiner geplanten Bauhöhe auf erheblichen Widerstand. Doch auch im Villenviertel herrscht Aufruhr. Dort will die Gerstner-Gruppe auf dem Areal des ehemaligen Hotel Caruso - das so hieß, weil der berühmte Opernsänger einmal in der Kraus-Villa gleich daneben genächtigt haben soll -Bauten für bis zu 100 Wohnungen hochziehen. "Wer weiß, ob die Gründerzeitvilla wirklich, wie behauptet, erhalten bleibt", sorgt sich Zweymüller. Zur Stärkung pflückt er ein paar Ringlotten von den über den Zaun hängenden Ästen.

Warum tut er sich das eigentlich an? Die Bürgerinitiative ist schließlich nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine finanzielle Belastung. "Die Einstellung 'Da kann man halt nix machen' liegt mir nicht. Wenn einem etwas nicht passt, muss man halt was tun", erklärt der Professor. Außerdem habe er nach dem Tod seiner Mama (Zweymüller betont auf der zweiten Silbe) und mit der Übernahme seines Elternhauses seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Baden verlegt. Es sei ihm ein Anliegen, zu einer positiven Entwicklung der Kurstadt beizutragen.

Zweymüller will noch zum Lokalaugenschein in das kürzlich wieder in Betrieb genommene Hotel Sacher am Eingang zum Helenental. Ein kleines Abendessen vielleicht? Sie könne leider nur Toast oder Sacherwürstel anbieten, entgegnet die Servicekraft. Mehr braucht Zweymüller nicht, als Beweis für die völlige touristische Unbelecktheit der Kyatt-Gruppe.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).