Bitte bar bezahlen

„Cash is fesch”: Gastronomen wollen Bargeldzahlung „cool“ besetzen

Die Verfechter des Bargelds machen mobil. Mit einem Label für „bargeldfreundliche Betriebe“ und dem Maskottchen „Kitty Cash“ wollen sie die Bargeldzahlung promoten. Es geht dabei auch ums Steuernsparen.

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Es sind augenzwinkernde Abwandlungen gängiger Sprüche auf Geschenkartikeln, wie man sie aus klassischen Souvenirshops kennt. „Cash is Queen“ prangt auf einem Jutebeutel, „Cash me if you can“ auf einem T-Shirt. Besonders originell: die „Kitty Cash“-Tasse mit einer Sonnenbrillen-Katze im Hoodie, die Banknoten zählt. 

„Menschen mögen Katzen. Und Menschen mögen Bargeld – warum also nicht beides verbinden?“, fragt Heimo Ertl, Geschäftsführer der Geldservice Austria (GSA). Das Unternehmen ist eine Tochter der Österreichischen Nationalbank (OeNB) und verantwortet nicht nur Geldtransporte, etwa für Bankomaten, sondern neuerdings auch einen Bargeld-Fanshop mit „coolen“ Artikeln rund ums Bargeld. Der Slogan der Kampagne: „Bargeld verbindet Menschen.“

Kitty Cash aus dem GSA Bargeldshop

Als Unternehmen, dessen Kerngeschäft sich um Scheine und Münzen dreht, beobachtet man sehr genau, wie hierzulande bezahlt wird. In Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut Marketagent hat die GSA untersucht, wie die Österreicherinnen und Österreicher am liebsten bezahlen: 75 Prozent der Umfrageteilnehmer zahlen bar, wobei junge Menschen (14-29 Jahre) wesentlich öfter zur Karte oder anderen digitalen Zahlungsmethoden greifen. Seit der Pandemie gehe der Trend weiter Richtung Karte, kontaktlos und Zahlen mit dem Handy. Eine Entwicklung, die beim Bargeldversorger GSA naturgemäß wenig Freude auslöst. Blicke man nach Skandinavien oder Großbritannien, leide die flächendeckende Versorgung mit Bargeld.

Aber sind Münzen oder Scheine in Österreich vom Aussterben bedroht? Keineswegs, meint der GSA. Man möchte auf die Versorgung und dahinterstehende Infrastruktur aufmerksam machen. Denn je weniger Bares im Umlauf ist, desto schwieriger und unwirtschaftlicher wird die Versorgung mit Bargeld. Die Folgen sehe man bereits in Kleingemeinden, die keine Bankomaten mehr führen. 

Mit der neuen Kampagne gehe es den Verantwortlichen nicht nur um Nostalgie. Die Bargeld-Infrastruktur müsse aufrechterhalten werden, um Wahlfreiheit beim Bezahlen zu garantieren, betont die Nationalbank. 120 neue Bankomaten sollen deshalb in kleinen Gemeinden den Zugang zum Baren wieder verbessern. Mit der Präsentation des neuen Fanartikel-Shops gehe es um Bewusstseinsbildung – vor allem bei jungen Menschen, bei Bargeld-Liebhabern und bei Betrieben. Letztere dürfen sich bald mit einem eigenen Aufkleber stolz als „bargeldfreundlicher Betrieb“ auszeichnen. 

Wir beobachten schon länger, dass bei Kartenzahlungen deutlich weniger Trinkgeld gegeben wird.

Heimo Ertl

Geschäftsführer Geldservice Austria

GSA Bargeld Fanartikel

Bargeld gegen Silicon Valley

Für junge und digitalaffine Kundinnen und Kunden ist das österreichische Bargeld-Faible ein Ärgernis, in anderen Ländern ist bargeldloses Bezahlen selbst bei Imbissbuden Standard. Die Bargeld-Campaigner versuchen, ihre Position so zu erklären: Die Zahlungsdienstleister, die den digitalen Zahlungsverkehr abwickeln – und dabei kräftig mitverdienen – sind überwiegend in Hand US-amerikanischer Techkonzerne. Angesichts der geopolitischen Lage und der erratischen Zollpolitik Donald Trumps, wird auch vor der europäischen Souveränität, insbesondere im Zahlungsverkehr, gewarnt. Der viel diskutierte „digitale Euro“ als europäische Alternative lässt indes weiter auf sich warten.

„Die Rückgänge in anderen Staaten haben auch damit zu tun, dass dort die Bargeldversorgung sich signifikant verschlechtert hat, inklusive der Annahmepflicht“, warnt Matthias Schroth, Direktor der OeNB. Bargeld-Kritiker halten dagegen, dass damit Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung eingedämmt werde. Schroth überzeugt das nicht: „Wir stehen klar gegen Steuerhinterziehung. Bargeld schützt die Privatsphäre. Alles, was gut ist, wird auch missbraucht von Leuten, die es nicht so gut mit der Gesellschaft meinen.“ In unbaren Zahlungsmöglichkeiten sieht der OeNB-Direktor ebenso Missbrauchspotenziale. 

Letztlich gehe es um Waffengleichheit zwischen Bar und Karte. Während große Zahlungsdienstleister wie Mastercard oder Paypal ein massives Budget in Marketingkampagnen oder Cashback-Aktionen für ihre Dienste investieren, soll sich das Bargeld hierzulande als Gegengewicht positionieren können – unabhängig von Strom, Internet oder Drittanbietern, wie die Verfechter des Baren betonen. Die humorvollen Fanartikel sollen dabei das „verstaubte Image“ aufbrechen. „Wir wollen damit zeigen, dass Bargeld cool sein kann“, sagt Ertl.

Die Bargeld-Offensive wird auch von der Wirtschaftskammer (WKO) und der Gastronomie forciert. Das hat wohl auch mit einer Steuerersparnis zu tun.

Kartenzahlung mindert Trinkgeld

Es geht aber nicht nur um Bewusstseinsbildung, sondern auch um ökonomische Interessen: „Wir beobachten schon länger, dass bei Kartenzahlungen deutlich weniger Trinkgeld gegeben wird“, sagt Ertl. Die GSA-Umfrage zeigt, dass 14,9 Prozent der Kartenzahler bei einer Zahlung von 48 Euro nicht dazu bereit sind, Trinkgeld zu geben, bei Barzahlern sind es mit 1,8 Prozent weit weniger. Erschwerend kommt für die Gastwirtschaft hinzu: Neben den Gebühren für die Zahlungsdienstleister, wird bei elektronischen Zahlungen jede Transaktion aufgezeichnet – das ruft die Sozialversicherung auf den Plan. 

Während Trinkgelder laut Finanzamt nicht lohnsteuerpflichtig sind, wertet die Krankenkasse sie als Einkommen, dafür sind Abgaben zu entrichten. Um den Verwaltungsaufwand gering zu halten, in Form von Trinkgeldpauschalen. Um den Verwaltungsaufwand wieder zu erhöhen, je nach Bundesland unterschiedlich. 

In der Praxis bedeutet das: Bezahlt ein Gast das Trinkgeld mittels Karte, reicht der Wirt das Trinkgeld weiter an den Mitarbeiter – vorfinanziert, denn die Kartentransaktion wird erst nach einigen Wochen auf dem Firmenkonto verbucht. Kommt es zu einer Betriebsprüfung und stellen die Prüfer ein höheres Trinkgeld fest als durch die Pauschale abgedeckt war, werden Abgabennachzahlungen fällig. Bisher zu Lasten der Wirte. Bei analogen Trinkgeldern entfällt diese Gefahr in Ermangelung von genauen Aufzeichnungen.

„Für unsere Betriebe braucht es rasch Rechtssicherheit“, fordert Alois Rainer, Tourismussprecher in der Wirtschaftskammer. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen weiterhin Trinkgeld annehmen können, ohne dass der Betrieb Nachzahlungen an Finanz oder Sozialversicherung befürchten muss.“ Arbeitnehmervertreter waren zur Präsentation des Bargeld-Fanshops übrigens nicht eingeladen. 

Dass in bar bezahltes Trinkgeld in der Regel nicht versteuert wird, gilt hierzulande als gelebte Praxis, die nun unter Druck gerät. Berend Tusch von der Gewerkschaft vida kritisiert: „Die Löhne werden im Kollektivvertrag bewusst niedrig gehalten – den Rest sollen sich die Beschäftigten über das Trinkgeld holen.“ Lohnbestandteile sollen dadurch auf das Trinkgeld ausgelagert werden. „Du bekommst den Kollektivvertrag, aber rechne mit 500 bis 1000 Euro Trinkgeld“, berichtet Tusch von typischen Aussagen von Arbeitgebern.

Die Bank interessiert sich nur für den Lohnzettel – nicht fürs Trinkgeld.

Berend Tusch

Gewerkschaft vida

Ein vermeintlich lukratives Versprechen mit Folgen. „Wer krank oder arbeitslos wird, bekommt nur den Grundlohn ersetzt“, warnt der Gewerkschafter. Hinzu kommt: Wer einen Kredit beantragen will, steht ebenfalls vor Problemen: „Die Bank interessiert sich nur für den Lohnzettel – nicht fürs Trinkgeld“, so Tusch. Seine Kritik: Die Betriebe versuchen, ihre Kosten zu senken, indem sie lohnabhängige Abgaben mit dem Trinkgeld umgehen. Die Zeche für zu geringe Sozialabgaben zahle letztlich die Belegschaft. 

Für Betriebe ist das Trinkgeld jedenfalls ein Durchlaufposten. Wenn die Sozialversicherung anhängige Abgaben des Trinkgeldes einfordern möchte, möge sie dies über die Arbeitnehmer einfordern, heißt es von Gastronomievertretern. Soll heißen: Die Betriebe wollen sich aus der Verantwortung nehmen. Das Personal soll selbst darüber walten, ob und wie sie ihr Trinkgeld versteuern – und damit auch darüber, ob sie in ihre Pensionskasse einzahlen.

Kartenpflicht im Bargeldshop

Wer trotz all dieser Diskussionen Bargeld-Fan ist, kann sich nun jedenfalls mit entsprechendem Merchandise bekennen. Beispielsweise mit dem „Geldpolster“, komfortabel weich, dank der Füllung aus geschredderten Banknoten. Hypothetischer Wert, wenn alle Schnipsel zusammengesetzt werden: 10.000 Euro. Aber: Bei aller Sensibilisierung für das Bargeld, ist der Shop derzeit rein online verfügbar – Bezahlung ist nur per „Kartenzahlung (VISA, Mastercard), Paypal, Sofortzahlung und EPS“ möglich, heißt es auf der Homepage. 

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im Digitalteam und faktiv Faktenchecker. Davor bei der Wiener Zeitung und ORF.