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Causa Karl-Heinz Grasser: Das lange Warten auf Anklagen

Der Fall Grasser. Das lange Warten auf Anklagen. Jetzt ermittelt die Justiz gegen zwei Belastungszeugen

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Nimmt diese Causa nie ein Ende?

2011: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner erteilt ihrer Anklagebehörde die Weisung, dass der Fall Buwog mit Karl-Heinz Grasser im Zentrum noch in diesem Jahr einer Erledigung zuzuführen sei. Also Anklage oder Einstellung. Zu diesem Zeitpunkt ermittelt die Justiz bereits seit gut zwei Jahren.

2012: Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, wähnt in einem Interview einen „großen, starken Verdacht in Richtung korruptiven Verhaltens“ und verspricht, es werde bald schon eine „definitive“ Entscheidung geben. Man warte lediglich noch auf Akten aus Liechtenstein.

2013: Die Finanz legt einen Abschlussbericht zu Grassers mutmaßlichen Steuervergehen vor. Er soll vorsätzlich Abgaben in der Höhe von fast fünf Millionen Euro hinterzogen haben, sein Wohnsitzfinanzamt fordert Nachzahlungen. In der Justiz geht man davon aus, dass es zumindest im Steuerkomplex noch in diesem Jahr, also 2013, zu einer Anklage kommen werde.

2014: Noch immer gilt für Karl-Heinz Grasser die Unschuldsvermutung. Noch immer ist keine Anklageschrift in Sicht. Und doch ist die Justiz zuversichtlich, dass es jetzt schnell gehen könne. Schließlich habe man jetzt auch die Akten aus der Schweiz erhalten.
Das Jahr ist ja noch jung.

Karl-Heinz Grasser, die Buwog-Privatisierung, die Meinl-Millionen, das Geld der Schwiegermutter – und kein Ende.

KHG beteuert seit Jahren seine Unschuld. Weder will er – in Tateinheit mit Leuten wie Peter Hochegger, Walter Meischberger und Ernst Karl Plech – die Buwog-Privatisierung geschoben, erst recht nicht will er Abgaben verkürzt haben. Die Verantwortung für den Murks mit den Liechtensteiner Stiftungen trage, wenn schon, sein früherer Steuerberater Peter Haunold, selbst ein Beschuldigter. Haunold wiederum sagt, er habe lediglich Grassers explizite Wünsche erfüllt. Aussage gegen Aussage. Für Grassers Anwalt Manfred Ainedter ist die lange Verfahrensdauer nur ein Beleg dafür, wonach an all den Geschichten nichts dran sei. Die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sagt offiziell gar nichts, weil Amtsgeheimnis.
Faktum ist: Seit 2009 wird gegen Karl-Heinz Grasser wegen einer ganzen Reihe von Delikten ermittelt. Es geht um Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit, Beihilfe zur Untreue, Beweismittelfälschung. 2011 kam Steuerhinterziehung dazu. Faktum ist aber auch, dass die Justiz bisher große Mühe hatte, Indizien so weit zu verdichten, dass sie für eine Anklage reichen. Mehr noch: Der Rechtsstaat blockiert sich selbst.

Am 11. Februar des Vorjahres erließ das Finanzamt Wien 1/23 mehrere Steuerbescheide gegen Karl-Heinz Grasser. Im Gefolge einer Betriebsprüfung war der Fiskus über unversteuerte Einkünfte des ehemaligen Finanzministers aus seiner Tätigkeit für die Meinl-Gruppe gestolpert. Zwischen 2007 und 2010 hatte Grasser von Meinl 8,949 Millionen Euro kassiert, davon aber nur einen Bruchteil in Österreich versteuert. Der weitaus größte Teil – 5,574 Millionen Euro – wurde unversteuert zu einem Stiftungskonstrukt nach Liechtenstein verschoben und von dort aus weiterverteilt. Unter Berücksichtigung der ominösen 500.000 Euro von der Schwiegermutter – welche die Finanz ebenfalls Grasser zuschlug – forderte die Behörde 4,95 Millionen Euro an Einkommensteuer nach, zuzüglich Verzugszinsen von 462.375 Euro, insgesamt also 5,4 Millionen Euro (profil berichtete ausführlich). Grasser hat die Bescheide angefochten, mit seiner Beschwerde muss sich nun das Bundesfinanzgericht auseinandersetzen.

Aus strafrechtlicher Sicht scheint die Sache sonnenklar. Bereits am 5. Februar hatte die Großbetriebsprüfung Standort Ost die Feststellung getroffen, dass „eine Kette von Rechtshandlungen“ vorliege, „die darauf gerichtet war, einen Großteil der Verdienstsumme des Mag. Grasser … zur Gänze den österreichischen Besteuerungsgrundlagen zu entziehen“. Und wer Steuern in diesem Ausmaß verknappt, muss sich dafür vor der Justiz verantworten. Dabei geht es allenfalls um die Frage, ob die Abgaben fahrlässig, vorsätzlich, in betrügerischer oder gar gewerbsmäßiger Absicht verkürzt wurden. Je nach Verantwortung des Delinquenten sieht das Finanzstrafgesetz Geldstrafen bis zum Dreifachen des hinterzogenen Betrags, in Einzelfällen auch Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Dies zu klären, ist Aufgabe eines ordentlichen Gerichtsverfahrens. Dazu bedarf es einer Anklage. Und diese hat die zuständige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bis heute nicht auf den Weg gebracht.

Warum? Man wartet auf Akten – wieder einmal.

Die Chronologie der Ereignisse verdeutlicht, wie sehr der Rechtsstaat sich bisweilen selbst im Weg steht. Weil Beschuldigte, Mittel und Möglichkeiten vorausgesetzt, die Instanzenzüge bis zum Anschlag ausreizen.
Am 26. Mai 2011 hatte die WKStA im Finanzstrafverfahren 12St20/11m – Beschuldigte Grasser und Haunold – eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung bei Haunolds Arbeitgeber Deloitte durchgeführt und eine Festplatte mit Daten zu KHGs Steuersparmodell sichergestellt. Haunold und Deloitte gingen dagegen wegen „Rechtsverletzung“ vor und deckten die WKStA mit insgesamt zehn Beschwerden und Einsprüchen ein. Die sichergestellte Dokumentation wurde daraufhin beim Landesgericht für Strafsachen versiegelt.

Am 3. Februar 2012 entschied das Oberlandesgericht Wien im Sinne des Steuerberaters. Die Hausdurchsuchung sei „rechtswidrig“ erfolgt, weil kein „dringender Verdacht“ bestanden habe.
Dagegen wehrte sich wiederum die WKStA – und regte bei der Generalprokuratur am 19. April 2012 eine „Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes“ vor dem Obersten Gerichtshof an, was in der Folge auch tatsächlich geschah.

Am 18. Oktober 2012 – die Hausdurchsuchung lag mittlerweile 17 Monate zurück – entschied der OGH, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts das Gesetz „verletze“, also nichtig sei.
Dessen ungeachtet beantragte der Steuerberater die Rückgabe der immer noch versiegelten Akten – was die WKStA verwehrte, weshalb sie abermals mit Einsprüchen eingedeckt wurde.

Noch im Oktober 2012 leistete das Landesgericht Haunolds Einsprüchen Folge und bescheinigte der Korruptionsstaatsanwaltschaft „Rechtsverletzung“.

Diese marschierte daraufhin ihrerseits zum Oberlandesgericht und deponierte dort am 11. Oktober 2012 eine „Beschwerde“ gegen den Entscheid des Landesgerichts.

Weitere neun Monate zogen ins Land, ehe das OLG am 4. Juni 2013 der Beschwerde der Ermittler stattgab und dem Landesgericht die Sichtung der 2011 beschlagnahmten Unterlagen auftrug. Seit Sommer vergangenen Jahres wird also gesichtet. Danach soll es einen Bericht an die Staatsanwaltschaft geben. Diesmal aber wirklich.
Es mussten also geschlagene zwei Jahren vergehen, ehe die Rechtsfrage geklärt wurde, ob die Justiz Akten des Steuerberaters überhaupt auswerten darf.

Die Vorgänge erinnern frappant an die Fährnisse in Zusammenhang mit der Beschaffung von Unterlagen aus Liechtenstein, in Zusammenhang mit dem Buwog-Komplex. Am 12. April 2011 waren auf Grundlage eines österreichischen Rechtshilfeansuchens (das zu diesem Zeitpunkt bereits ein halbes Jahr abgelegen war) bei einem Treuhänder Grassers in Liechtenstein Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Zu einer Übermittlung der Unterlagen nach Wien kam es aber nicht, weil sich der Treuhänder querlegte und das Fürstliche Obergericht anrief. Dieses erachtete die von Liechtenstein geleistete Rechtshilfe als unzulässig und verwehrte die Ausfolgung. Dagegen ging die Staatsanwaltschaft in Vaduz vor und rief den Obersten Gerichtshof an, der die Beschwerde im Oktober 2011 abwies. Einem erneuten österreichischen Rechtshilfeansuchen wurde zunächst Folge geleistet, ehe das Obergericht nach Beschwerde des Treuhänders abermals eine Überstellung der Unterlagen nach Österreich verweigerte. Die Affäre ging wiederum durch die Instanzen, ehe der Oberste Gerichtshof Liechtensteins die Ausfolgung im Dezember 2012 verfügte. Auch hier mussten also knapp mehr als zwei Jahre vergehen, bis die österreichischen Behörden endlich an Unterlagen kamen.

Ähnlich zäh gestaltete sich auch die Aktenbeschaffung aus der Schweiz. Mit der Konsequenz, dass im Buwog-Verfahren bis heute ebenfalls keine Fortschritte in Richtung Anklage – oder auch nicht – gemacht wurden (siehe Kasten am Ende).

Wenn Grassers Anwalt Ainedter die „überlange Verfahrensdauer“ geißelt, dann liegt er damit nicht ganz falsch. Andererseits: Die handelnden Personen haben wenig unversucht gelassen, das Verfahren zu entschleunigen. Sie haben damit zwar ihre Rechte gewahrt. Dennoch steht das Verhalten im krassen Widerspruch zu den mantraartigen Beteuerungen, da wie dort sei alles „supersauber“ gewesen. Wenn es das wirklich war, den Beschuldigten also nichts vorzuwerfen ist, warum legen sie dann nicht von sich aus alles offen?

Als ob die Gemengelage nicht schon komplex genug wäre, beschert sich die Korruptionsstaatsanwaltschaft nun ohne jede Not zusätzlichen Arbeitsaufwand. Sie ermittelt gegen zwei der wichtigsten Zeugen – von Amts wegen. Grassers ehemaligen Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht auf der einen Seite; Willibald Berner, einst Kabinettschef unter FPÖ-Verkehrsminister Michael Schmid, auf der anderen.

Ramprecht hatte Grasser in einem profil-Interview im Oktober 2009 belastet und damit die Ermittlungen angestoßen. Die Buwog-Privatisierung sei demnach ein „abgekartetes Spiel“ gewesen. Wenig später sagte Berner unter Wahrheitspflicht in einer Einvernahme folgendes aus: Im Jahr 2000 habe ihm Lobbyist Hochegger unmissverständlich vorgeschlagen, bei Anschaffungen und Vergaben im Verantwortungsbereich von FPÖ-Ministern mitzuverdienen. Laut Berner soll Hochegger anhand eines Organigramms mögliche Provisionsflüsse über Liechtenstein skizziert haben. Hochegger habe sogar Namen von potenziellen Empfängern genannt: darunter Grasser, Meischberger, Plech und Hochegger selbst.
KHG hat sowohl Ramprechts als auch Berners Wahrnehmungen wiederholt als „Lüge“ und „Verleumdung“ abgetan.
Am 17. Dezember 2013 passierte Denkwürdiges. In einer Einvernahme bei der Justiz sagte Grasser wörtlich: „Ich würde gerne nochmals die Staatsanwaltschaft darauf aufmerksam machen, dass sich Hr. Ramprecht und Hr. Berner meines Erachtens des Verbrechens der Verleumdung mehrfach schuldig gemacht haben und darf nochmals offiziell dazu auffordern, diesen Verdachtsmomenten nachzugehen.“
Gesagt, getan: Die WKStA leitete – auf schlichten Zuruf Grassers – ein Ermittlungsverfahren gegen Ramprecht und Berner ein. Wegen „falscher Beweisaussage“ und „Verleumdung“. Die Justiz verfolgt jetzt also Belastungszeugen, welche die Affäre überhaupt erst ins Rollen gebracht haben.

Neuer Justizminister, neuer Stil?

Infobox

„Ungeklärter Vermögenszuwachs“
Das Buwog-Verfahren schleppt sich dahin. Ein neues Gutachten liefert
belastende Indizien. Doch die Beweislage bleibt schwierig.

Hat er oder hat er nicht? An dieser Frage arbeitet sich die österreichische Justiz nun schon das fünfte Jahr ab. Sie versucht zu beweisen, dass Finanzminister Karl-Heinz Grasser den Verkauf der Bundeswohngesellschaften (Buwog) 2004 an ein Konsortium rund um die Immofinanz-Gruppe manipulierte – um im Gegenzug verdeckte Provisionen zu kassieren.

Die harten Fakten: Die Immofinanz zahlte dem Lobbyisten Peter Hochegger nach der Privatisierung ein „Erfolgshonorar“ in der Höhe von 9,9 Millionen Euro, das dieser jedenfalls mit Walter Meischberger und dem Immobilienkaufmann Ernst Karl Plech teilte. Die Spur endete bisher in einem Gewirr aus Stiftungen, Treuhandkonstruktionen, Briefkastengesellschaften und Bankkonten in Liechtenstein, der Schweiz, Zypern, den USA und der Karibik. Grasser wird verdächtigt, einen Anteil von 2,44 Millionen Euro über ein Liechtensteiner Konto kassiert zu haben. Weitere 57.000 Euro sollen ihm 2007 in Zusammenhang mit dem Umzug der Finanzlandesdirektion Oberösterreich in ein neues Bürogebäude (Faktenkomplex „Terminal Tower“) zugegangen sein. Auch hier waren Hochegger, Meischberger und Plech mit von der Partie. Grasser will da wie dort nie Geld erhalten haben. Das größte Problem der Justiz: Bis heute konnte sie nicht zweifelsfrei klären, wer der Begünstigte des KHG zugerechneten Vaduzer Kontos Nummer 10.400815.0.100 bei der damaligen Hypo Investmentbank Liechtenstein war. Auf dem Papier war Meischberger zeichnungsberechtigter Kontoinhaber. Auch das nun vom Sachverständigen Gerhard Altenberger erstellte Gutachten, über das „Format“ vergangene Woche berichtete, dokumentiert zwar erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten (die profil bereits ausführlich würdigte), liefert aber keinen schlagenden Beweis. Altenbergers dürres Resümee: „Über dieses Konto wurden zahlreiche Aktientransaktionen von Gesellschaften mit einem Naheverhältnis zu KHG durchgeführt bzw. hat er Funktionen bei diesen Gesellschaften ausgeübt.“

Und dann wäre da noch das notorische Schwiegermuttergeld. Wie berichtet, will Grasser zwischen 2005 und 2006 eine halbe Million Euro cash von Marina Giori-Lhota übernommen und anschließend auf ein Meinl-Konto der Treuhandgesellschaft Ferint AG mit Sitz in der Schweiz eingezahlt haben. Das Geld wurde später unter anderem dazu verwendet, einen „Genusschein“ der Hypo Alpe-Adria zu zeichnen. 2009 wanderte es nebst eines Gewinns von 275.000 Euro vom Ferint-Konto bei Meinl auf ein Liechtensteiner Konto der Treuhandgesellschaft Mandarin Ltd. mit Sitz in der Karibik (jene Mandarin, die in der Vergangenheit auch von Walter Meischberger genutzt worden war) und von da weiter in die Schweiz – auf ein Konto einer Catherine Participation Corporation Ltd., wo es bis heute liegt. Grasser bestreitet, hinter dieser oder anderen Gesellschaften zu stehen. Seiner Darstellung zufolge ist diese Catherine Corp. der Schwiegermutter zuzurechnen, davor soll sie seiner Frau Fiona gehört haben. Marina Giori-Lhota hat ihrerseits bestritten, jemals „wirtschaftlich Berechtigte“ der ursprünglichen Ferint-Konstruktion gewesen zu sein. Umgekehrt hat sie bis heute nicht bestritten, dem Schwiegersohn das Geld gegeben zu haben. Beweislage: diffus. Oder wie es in einem von profil 2013 veröffentlichten Bericht der Großbetriebsprüfung heißt: „Es handelt sich … um einen ungeklärten Vermögenszuwachs, der Mag. Grasser persönlich zuzurechnen ist.“

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hofft, nun zumindest in diesem Punkt final Klarheit schaffen zu können. Ende vergangener Woche sind nach einem Bericht des ORF Akten aus der Schweiz eingelangt. Nach profil-Recherchen handelt es sich dabei um die Kontodaten eben jenes Catherine-Corp.-Briefkastens.