Angebot im Cafe Westend

Gratis-Espresso für fünf Sterne: Das Geschäft mit gekauften Online-Bewertungen

Ein kostenloser Shot im Club in Prag oder ein Espresso in Wien – eine Fünf-Sterne-Bewertung auf Google oder Trustpilot ist oft mehr wert als das Getränk selbst. Das wissen auch die Agenturen für Fake-Bewertungen.

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Wer in den letzten Wochen im Café Westend am Westbahnhof Platz nahm, stieß auf ein verlockendes Angebot: Eine Fünf-Sterne-Bewertung auf Google im Austausch für einen kostenlosen Espresso. Was zunächst wie eine harmlose Marketingaktion wirkt, offenbart ein ernstes Problem. Online-Bewertungen gehören zu den wichtigsten Kaufkriterien – und sind längst zu einem milliardenschweren Markt für Manipulationen geworden.

„Beste Pizza in Heiligenstadt. Glatte fünf Sterne!“ oder „Mit den alten Matratzen besuche ich das Hotel nie wieder. Ich wünschte, ich könnte null Sterne geben.“ Wer im Internet nach Hotels oder Restaurants sucht, hat bestimmt schon einmal Kundenbewertungen gelesen – vielleicht sogar selbst eine verfasst. Ein bis fünf Sterne vergeben, vielleicht ein kurzer Kommentar – und fertig. Was eigentlich als Orientierungshilfe für Kunden gedacht ist, birgt auch Risiken. Denn je mehr Menschen sich bei ihrer Kaufentscheidung auf Bewertungen bei Amazon, Trustpilot oder Google verlassen, desto mehr versuchen einige, diese zu manipulieren – notfalls mit gekauften, gefälschten Rezensionen.

Studien zeigen: Schon eine halbe Stern-Steigerung auf Google, zum Beispiel von 4 auf 4,5 Sterne, kann den Umsatz eines Restaurants oder Händlers um bis zu neun Prozent erhöhen. Viele Gewerbetreibende möchten von diesem Umsatzplus profitieren und greifen daher auf gekaufte Bewertungen zurück. Kunden und Verbraucherschützer werfen ihnen deshalb Kundentäuschung und Wettbewerbsverzerrung vor. Weltweit schätzen Forschende der Universität Baltimore, dass etwa vier Prozent aller Online-Bewertungen gefälscht sind. Studien der TU Berlin gehen sogar von 12 bis 25 Prozent manipulierten Rezensionen aus. In Österreich berichten 68 Prozent der Konsumenten im Verbraucherbarometer 2025, bereits auf Fake-Bewertungen gestoßen zu sein – das sind zwei Prozent mehr als im EU-Durchschnitt. Die vielen Fake-Bewertungen stammen entweder aus Social-Media-Gruppen, in denen Nutzer gegen Geld oder Gratisprodukte positive Bewertungen abgeben, oder von Vermittlungsagenturen, die Personen bezahlen, um für Unternehmen positive Rezensionen zu schreiben.

Das große Business mit Fake-Bewertungen

„Die Nachfrage ist seit Jahren sehr hoch und wächst weiter“, bestätigt Felix Schneider von Fivestar, einer der führenden Agenturen, die positive Bewertungen verkauft. Den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung und Kundentäuschung weist er entschieden zurück. Ohne gekaufte positive Bewertungen dominierten seiner Erfahrung nach oft negative Stimmen, da zufriedene Kunden nur selten Bewertungen abgeben. Dadurch werde das Unternehmensbild verzerrt – wie etwa am Beispiel Apple auf Trustpilot sichtbar, wo das Unternehmen nur eine durchschnittliche Bewertung von 1,7 von 5 Punkten habe. „Unternehmen wie Apple können es sich leisten, keine aktive Bewertungsstrategie auf den gängigen Plattformen zu verfolgen. Für kleinere Firmen kann dies langfristig sogar existenzbedrohend sein“, so Schneider. Fivestar sieht sich als rechtschaffenen Anbieter, der dieses vermeintliche Ungleichgewicht in den Bewertungen ausgleichen will. „Wir sorgen so für ein Bild, das viel eher den tatsächlichen Erfahrungen mit einem Unternehmen entspricht.“ Rechtliche Probleme gebe es nicht, betont Schneider, da alle Bewertungen angeblich die ehrliche Meinung der Tester widerspiegeln.

Auch Lutendo, eine weitere Agentur für positive Bewertungen, betont, dass ihre Tester ausschließlich ihre ehrliche Meinung abgeben und nicht zu Fünf-Sterne-Bewertungen gedrängt werden. „Unsere Tester sind vertraglich verpflichtet, ausgewogenes Feedback zu geben, das sowohl Stärken als auch Schwächen umfasst“, erklärt CEO und Gründer Doruk Şen. Sein Geschäft läuft gut: Seit November 2024 haben Produkttester bei Lutendo insgesamt rund 110.000 Euro durch etwa 4.000 Bewertungen verdient, berichtet Şen.

Onlinebewertung des Prager Clubs Duplex

Der Club Duplex in Prag hat 4,8 Sterne bei über 53.000 Google-Bewertungen. Doch wie glaubwürdig ist ein solches Rating, wenn einzelne Bewertungen offensichtlich gekauft wurden?

Bewertung für imaginäre Dating-App

Eine Undercover-Recherche von Stiftung Warentest aus dem Jahr 2020 zeichnete ein anderes Bild: In 63 Prozent der Fälle griffen die Agenturen direkt in die Bewertungstexte ein. So wurde einem Undercover-Tester bei Lutendo beispielsweise nahegelegt, eine Drei-Sterne-Bewertung auf mindestens vier Sterne anzuheben – andernfalls dürfe keine Bewertung abgegeben werden. Dadurch bliebe die Arbeit unbezahlt. Für Fivestar mussten Tester sogar Rezensionen für eine fiktive Dating-App verfassen.

Auch in Österreich wird das Problem gefälschter Bewertungen schon lange angegangen, erklärt Pavel Skrabanek vom Europäischen Verbraucherzentrum. Gekaufte positive Bewertungen gelten hier als Werbung und müssen entsprechend gekennzeichnet sein, etwa mit „*Werbung“ oder „*gesponsert“. Erfolgt dies nicht, ist das illegal. Besonders gegen gefälschte Negativbewertungen setzt sich aktuell die österreichische Hotelvereinigung (ÖHV) ein. Sie sieht den Tourismusbetrieben durch Fake-Bewertungen im Internet zunehmend erheblichen Schaden entstehen und fordert deshalb ein konsequentes Eingreifen der Regierung.

Offiziell verbietet eine EU-Richtlinie das Erstellen oder Beauftragen gefälschter Bewertungen ausdrücklich. Online-Plattformen sind verpflichtet, transparent darzulegen, wie sie Bewertungen prüfen und moderieren. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. Dieses Gesetz ist in Österreich seit Juli 2022 in Kraft. Dank dieser Regelung konnte 2023 eine Ärztin am Oberlandesgericht Wien erfolgreich gegen eine falsche Google-Bewertung vorgehen. Die Entschädigung musste Google zahlen, nicht der anonyme Verfasser – allerdings belief sich die Summe lediglich auf etwa 2.000 Euro und nicht auf die möglichen vier Prozent des Google-Jahresumsatzes. Die Einführung einer Online-Klarnamenpflicht wurde in der türkis-grünen Vorgängerregierung bereits diskutiert, jedoch bisher nicht umgesetzt.

Fake-Bewertungen erkennen

„Erstes Indiz für unechte Bewertungen sind überschwängliche Lobhudeleien und durch die Bank positive 5-Sterne-Wertungen“, erklärt Skrabanek den Konsumenten. Vollständig positive Bewertungen sind oft unrealistisch, da seriöse Anbieter in der Regel auch kritische Rückmeldungen erhalten. Wenn ausschließlich Lob zu finden ist, wurden möglicherweise negative Bewertungen entfernt oder manipuliert. Ein weiteres Anzeichen für gefälschte Bewertungen können Übersetzungsfehler sein, die auf bezahlte Rezensenten hinweisen – wobei KI-gestützte Übersetzungen solche Fehler inzwischen seltener machen. „Schnell und schlampig am Handy abgegebene Wertungen mit Tippfehlern sind mittlerweile glaubwürdiger als geschönte KI-Texte“, so Skrabanek. Echte Kunden schreiben meist kurz und spontan. 

Auch Nutzerprofile, die ausschließlich bestimmte Produkte oder Händler durchweg positiv bewerten, wirken oft nicht authentisch. Darüber hinaus sei es wichtig zu wissen, woher die Bewertungen stammen: Geschlossene Bewertungssysteme, bei denen nur nachweislich echte Käufer bewerten können, sind zuverlässiger als offene Plattformen, auf denen jeder Nutzer kommentieren darf. Gerade bei größeren Anschaffungen sollte man sich nicht nur auf eine einzige Quelle verlassen, sondern mehrere Bewertungsplattformen vergleichen und auch andere Faktoren wie das Impressum, den Standort des Shops und die Stornobedingungen beachten. So lassen sich irreführende Bewertungen besser erkennen und fundiertere Kaufentscheidungen treffen.

Auf eine Anfrage zum Angebot eines kostenlosen Espressos im Austausch für eine 5-Sterne-Bewertung reagierte das Café Westend nicht. Ähnlich knapp fällt auch das aktuelle Regierungsprogramm der schwarz-rot-pinken Koalition aus: Konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen sind nicht geplant.