Gratis-Espresso für fünf Sterne: Das Geschäft mit gekauften Online-Bewertungen
Auch Lutendo, eine weitere Agentur für positive Bewertungen, betont, dass ihre Tester ausschließlich ihre ehrliche Meinung abgeben und nicht zu Fünf-Sterne-Bewertungen gedrängt werden. „Unsere Tester sind vertraglich verpflichtet, ausgewogenes Feedback zu geben, das sowohl Stärken als auch Schwächen umfasst“, erklärt CEO und Gründer Doruk Şen. Sein Geschäft läuft gut: Seit November 2024 haben Produkttester bei Lutendo insgesamt rund 110.000 Euro durch etwa 4.000 Bewertungen verdient, berichtet Şen.
Der Club Duplex in Prag hat 4,8 Sterne bei über 53.000 Google-Bewertungen. Doch wie glaubwürdig ist ein solches Rating, wenn einzelne Bewertungen offensichtlich gekauft wurden?
Bewertung für imaginäre Dating-App
Eine Undercover-Recherche von Stiftung Warentest aus dem Jahr 2020 zeichnete ein anderes Bild: In 63 Prozent der Fälle griffen die Agenturen direkt in die Bewertungstexte ein. So wurde einem Undercover-Tester bei Lutendo beispielsweise nahegelegt, eine Drei-Sterne-Bewertung auf mindestens vier Sterne anzuheben – andernfalls dürfe keine Bewertung abgegeben werden. Dadurch bliebe die Arbeit unbezahlt. Für Fivestar mussten Tester sogar Rezensionen für eine fiktive Dating-App verfassen.
Auch in Österreich wird das Problem gefälschter Bewertungen schon lange angegangen, erklärt Pavel Skrabanek vom Europäischen Verbraucherzentrum. Gekaufte positive Bewertungen gelten hier als Werbung und müssen entsprechend gekennzeichnet sein, etwa mit „*Werbung“ oder „*gesponsert“. Erfolgt dies nicht, ist das illegal. Besonders gegen gefälschte Negativbewertungen setzt sich aktuell die österreichische Hotelvereinigung (ÖHV) ein. Sie sieht den Tourismusbetrieben durch Fake-Bewertungen im Internet zunehmend erheblichen Schaden entstehen und fordert deshalb ein konsequentes Eingreifen der Regierung.
Offiziell verbietet eine EU-Richtlinie das Erstellen oder Beauftragen gefälschter Bewertungen ausdrücklich. Online-Plattformen sind verpflichtet, transparent darzulegen, wie sie Bewertungen prüfen und moderieren. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. Dieses Gesetz ist in Österreich seit Juli 2022 in Kraft. Dank dieser Regelung konnte 2023 eine Ärztin am Oberlandesgericht Wien erfolgreich gegen eine falsche Google-Bewertung vorgehen. Die Entschädigung musste Google zahlen, nicht der anonyme Verfasser – allerdings belief sich die Summe lediglich auf etwa 2.000 Euro und nicht auf die möglichen vier Prozent des Google-Jahresumsatzes. Die Einführung einer Online-Klarnamenpflicht wurde in der türkis-grünen Vorgängerregierung bereits diskutiert, jedoch bisher nicht umgesetzt.
Fake-Bewertungen erkennen
„Erstes Indiz für unechte Bewertungen sind überschwängliche Lobhudeleien und durch die Bank positive 5-Sterne-Wertungen“, erklärt Skrabanek den Konsumenten. Vollständig positive Bewertungen sind oft unrealistisch, da seriöse Anbieter in der Regel auch kritische Rückmeldungen erhalten. Wenn ausschließlich Lob zu finden ist, wurden möglicherweise negative Bewertungen entfernt oder manipuliert. Ein weiteres Anzeichen für gefälschte Bewertungen können Übersetzungsfehler sein, die auf bezahlte Rezensenten hinweisen – wobei KI-gestützte Übersetzungen solche Fehler inzwischen seltener machen. „Schnell und schlampig am Handy abgegebene Wertungen mit Tippfehlern sind mittlerweile glaubwürdiger als geschönte KI-Texte“, so Skrabanek. Echte Kunden schreiben meist kurz und spontan.
Auch Nutzerprofile, die ausschließlich bestimmte Produkte oder Händler durchweg positiv bewerten, wirken oft nicht authentisch. Darüber hinaus sei es wichtig zu wissen, woher die Bewertungen stammen: Geschlossene Bewertungssysteme, bei denen nur nachweislich echte Käufer bewerten können, sind zuverlässiger als offene Plattformen, auf denen jeder Nutzer kommentieren darf. Gerade bei größeren Anschaffungen sollte man sich nicht nur auf eine einzige Quelle verlassen, sondern mehrere Bewertungsplattformen vergleichen und auch andere Faktoren wie das Impressum, den Standort des Shops und die Stornobedingungen beachten. So lassen sich irreführende Bewertungen besser erkennen und fundiertere Kaufentscheidungen treffen.
Auf eine Anfrage zum Angebot eines kostenlosen Espressos im Austausch für eine 5-Sterne-Bewertung reagierte das Café Westend nicht. Ähnlich knapp fällt auch das aktuelle Regierungsprogramm der schwarz-rot-pinken Koalition aus: Konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen sind nicht geplant.