Schattenmacht

FPK-Chef Kurt Scheuch: Schattenmacht

Kärnten. FPK-Chef Kurt Scheuch steckt seine Machtposition ab

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Ein Samstagabend im 2000-Seelen-Ort Steinfeld bei Spittal/Drau: Wenn die Zahl der verbalen Tachteln, die sich Politiker bei Kärntner Faschingsvorstellungen abholen, Rückschlüsse auf deren Bedeutung und Erfolg zulassen, dann sollte Kurt Scheuch keine allzu großen Erwartungen in die Landtagswahlen stecken. Es sei denn, das Gstanzl über „die Casher, die Schwarzgeldwäscher, die Gauner der Nation“ ist auf die Freiheitlichen gemünzt. Aber sonst? Ein müder Seitenhieb des Moderators auf Scheuchs „Kröten“-Sager, das ist es auch schon. Die Faschingsgilde arbeitet sich lieber an Frank Stronach und dessen Kärntner Kandidaten ab.
Gleich acht politische Vertreter haben sich an diesem Abend eingefunden, unter ihnen auch der freiheitliche Landesrat Kurt Scheuch, die Hemdsärmel hochgekrempelt, in aufgeräumter Stimmung. Der Verbal-Rabauke, der vor nicht einmal acht Monaten nach dem unrühmlichen Abgang seines Bruders Uwe in die Funktion des Landesparteichefs und in die Landesregierung gehievt wurde, muss Boden wettmachen. Seine Sympathiewerte sind ebenso unter Wasser wie der Ruf, der ihm vorauseilt.

Das war bislang von vernachlässigbarer Bedeutung, doch nun geht es für die skandalgeschüttelten Kärntner Freiheitlichen (FPK) um alles: Platz eins und somit der Landeshauptmann stehen auf dem Spiel. Letztlich geht es auch darum, wie die Weichen nach dem mutmaßlich nicht übermäßig erfolgreichen Urnengang am 3. März gestellt werden – und wer dann das Sagen hat. Da lässt Kurt Scheuch wenig Zweifel aufkommen: Es wird Kurt Scheuch sein.

Aussprechen muss er das nicht. Kleine Gesten genügen.

Scheuch und Dörflers Spielfeld
Landeshauptmann Gerhard Dörfler saß am Vormittag jenes Samstags ganz allein im Klagenfurter Landhaus und hielt eine Pressekonferenz ab. Einzig Jörg Haider blickte ihm, schwarz umflort, von der Wand herab über die Schulter. Wortreich versuchte Dörfler, die triste Situation ­seines tief verschuldeten, wirtschaftlich schwachbrüstigen und beschäftigungsarmen Landes weichzuzeichnen: Viel ist von ordentlichen Arbeitsmarktdaten und herzeigbaren Budgetzahlen die Rede; von Erspartem, das nun „für die Menschen“ angezapft werden müsse, was „aber bitte keineswegs als Wahlzuckerl“ abzuqualifizieren wäre.

Die Brisanz der Veranstaltung hielt sich in Grenzen. Insofern lag die Frage der „Kleinen Zeitung“-Redakteurin auf der Hand: warum er all das wiederhole, was Landesrat Scheuch bereits vor Tagen beim Wahlkampfauftakt verkündet hatte?

Dörfler blinzelte irritiert.

Dies war eine jener Demonstrationen gewesen, mit denen Scheuch den Landeshauptmann auf sein Spielfeld verwiesen hatte. Dörfler darf Straßen eröffnen, Kindergärten besuchen, Hände schütteln. Die politischen Ankündigungen sind dem Parteichef vorbehalten. Geschlagene 40 Minuten lang hatte Kurt Scheuch den Geldsegen, den die Freiheitlichen im Vorfeld der Landtagswahlen unter die Leute zu streuen gedenken, bei der Parteiveranstaltung breitgeredet: „Wir wollen den Kärntnern ihr Geld zurückgeben, bevor das Geld keinen Cent mehr wert ist.“
Und Dörfler? Durfte zum Thema Katschbergtunnel referieren.
Dienstag vergangener Woche musste sich der Landeshauptmann erneut mit einer Nebenrolle begnügen: Flankiert von Ortstafeln mit dem Schriftzug „Unser Kärnten“ präsentiert Scheuch die FPK-Kandidatenliste. Platzgreifend sitzt er am Tisch, rechts, an den Rand gedrängt, kuscheln Finanzlandesrat Harald Dobernig und Dörfler. Letzterer darf dann auch noch ein paar Worte verlieren – Stichwort: Katschbergtunnel.

„Wir sind gut und breit aufgestellt, wir tragen gemeinsam Verantwortung“, sagt Scheuch. Doch die Doppelführung an der FPK-Spitze bringt mit sich, dass einer die Ideen hat und der andere sie verkauft – und damit zwangsweise auch den Kopf dafür hinhält. Wäre etwa die Volksbefragung zur Wehrpflicht in Kärnten nicht so eindeutig ausgefallen (63,2 Prozent gegen ein Berufsheer), hätte Dörfler Erklärungsbedarf punkto Mobilisierung und Überzeugungskraft gehabt. Landauf, landab war er, flächendeckend plakatiert, für den Präsenzdienst ins Feld gezogen. Diese Vorwahlkampagne war auf Scheuchs Mist gewachsen – und aufgegangen. Dass der Parteichef sich der Sache nicht restlos sicher war, war zu erahnen, als er am Abstimmungssonntag die ersten Sprengelergebnisse aufs Handy gesimst bekam – und diese erleichtert quittierte.

Da besuchte er gerade eine Hegering-Schau. Die Jäger des Tals zwischen Mühldorf und Mallnitz haben hier ihre Trophäen ausgestellt, zur Begrüßung gibt’s ein Schnapserl, dann wird gefachsimpelt. Politik hat da keinen Platz. Lieber werden die Hörner einer 18 Jahre alten Gamsgeiß bewundert und das von Parasitenbefall verkrüppelte Krickerl eines Rehbocks inspiziert.
Hier ist Scheuch, rustikal in Krachlederner und Kärntner Janker, unter seinesgleichen. Das Städtische war nie seines. Für all die flotten, urbanen, in seinen Augen wohl auch gesinnungslosen Quereinsteiger, die Jörg Haider im Laufe der Jahre in Positionen geschleust hatte, hegt er heute noch blanke Verachtung.

Im nationalen Lager verwurzelt
Haider hat den Scheuchs nicht ganz über den Weg getraut, konnte aber auch nicht ohne sie, weil diese den Bezirk Spittal politisch hinter sich hatten. Sowohl bei den Landtagswahlen 2009 als auch bei der Wehrdienst-Volksbefragung lag der Wahlkreis deutlich über dem landesweiten Parteiergebnis.

Im nationalen Lager, das Haider auf dem Höhepunkt seiner Wahlerfolge links liegen ließ, ist Scheuch tief verwurzelt. Weltanschaulich geprägt wurde er von seinem Großvater, Nationalsozialist und später Mitbegründer der FPÖ-Vorgängerpartei VdU (Verein der Unabhängigen), die ab 1949 ehemaligen Nationalsozialisten eine politische Heimat bot. Scheuch wird nachgesagt, ein „Kellernazi“ mit einer Schwäche für NS-Devotionalien zu sein. Damit habe er „nichts am Hut“, betont er. Aber es könne wohl keiner von ihm erwarten, dass er mit seinem Großvater, der ihn und seinen Bruder nach dem frühen Unfalltod des Vaters aufgezogen hatte, emotional breche.

Gehorsamkeit und Disziplin stehen auf Scheuchs Werteskala ganz oben. Beides musste er sich erst selbst aneignen: Mit nicht einmal 18 Jahren kehrte er, 200 Fehlstunden im Gepäck, der Landwirtschafts-HTL in Salzburg mitten im Schuljahr den Rücken und griff am heimatlichen Sternhof in Mühlbach nach der Heugabel. Die Mutter rügte ihn nicht, bekundete aber durch wochenlanges eisernes Schweigen ihre Missbilligung. Der Sohn kämpfte sich schließlich doch noch zur Matura durch.
Gehorsamkeit und Disziplin sind Eigenschaften, die auch sein Umfeld aufbieten muss. Als Klubobmann hatte er die Mandatare immer fest im Griff, Widerspruch oder Kritik war unerwünscht. Sein Büro gilt als das bestorganisierte im Kärntner Landtag.

Es tauge ihm, wenn die Leute sich vor ihm fürchten, ließ er als Klubobmann einmal beiläufig in einer Runde fallen. Heute räumt er ein, dass ihn sein Ruf im Umgang mit den Wählern „behindert“.

Wer sich ihm bei Veranstaltungen nähert, nähert sich mit Vorsicht und Skepsis. Jetzt versucht er, dieses Image abzustreifen wie sein legendäres Halstuch. Scheuch ist neuerdings mit Krawatte unterwegs und bemüht, leiser aufzutreten.

Geldstrafe und Entschuldigungsschreiben
Mit bislang überschaubarem Erfolg. Schlechte Angewohnheiten lassen sich im Alter von bald 46 Jahren nur schwer abschleifen. Zum einen entgleitet ihm immer wieder die Rhetorik wie jüngst beim Wahlkampfauftakt (Asylwerber: „Gesindel erster Klasse“; politische Gegner: „Insekten“), zum anderen neigte er immer schon zur Verhaltensoriginalität. Es begann mit dem berühmten Papier, das er in Knittelfeld zerrissen hatte, setzte sich fort mit einem Eklat während einer Landtagssitzung, weil er ein Messer in der Lederhose stecken hatte, äußerte sich in einem fragwürdigen Video mit Spinnen und Schlangen und gipfelte zuletzt in Beamtenbeleidigung: Er nannte jenen Richter, der seinen Bruder Uwe wegen Bestechlichkeit verurteilt hatte, eine „Kröte“. Kurt wurde deshalb zu einer Geldstrafe und einem Entschuldigungsschreiben verdonnert.

Trotzdem halten ihn Freund und Feind für berechenbarer als seinen jüngeren Bruder. „Kurt ist der politische Denker und der bessere Stratege“, sagt ein ehemaliger Mitstreiter, er sei „direkter“ und kämpfe „mit offenem Visier“. Was er zusage, halte er. Eine Einschätzung, die verblüffenderweise quer über die politischen Lager geteilt wird.

Ebenso einhellig ist aber auch die Einschätzung, dass Kurt Scheuch nicht den Zug zur Spitze hat. Tatsächlich ist er kein Unterhaltungspolitiker, sondern ein Machttechniker. Er muss nicht im Scheinwerferlicht stehen, um die Richtung vorzugeben – die Fäden lassen sich aus der zweiten Reihe unauffälliger ziehen.

Und es läuft ohnehin auf eines raus: Wer Dörfler wählt, wählt Kurt Scheuch.

Infobox
Meldefehler
Wirbel um die Vermögensoffen­legung von Landesrat Kurt Scheuch: Grüne wollen Unvereinbarkeitsausschuss informiert wissen.

40 Hektar Landwirtschaft, 80 Hektar Wald – die Scheuchs können sich guten Gewissens Großbauern nennen. Überdies sind die Brüder zu je 15 Prozent an der Scheuch Kies GmbH beteiligt. So weit, so gut. Da Kurt Scheuch Landesrat ist, fällt er unter das Unvereinbarkeitsgesetz, das für ihn ein Berufsverbot und die Offenlegung von Vermögensverhältnissen und Unternehmensbeteiligungen vorsieht. Die Frage ist nur: wem gegenüber?
Nachweislich hat Kurt Scheuch dem Landesrechnungshof seine Beteiligung am Kieswerk am 29. September 2012 gemeldet. Im Präsidium des Kärntner Landtags aber, bei jener Stelle also, wo die ­Angaben ebenfalls deponiert werden sollten, liegt bis heute nichts vor: „Eine solche Meldung hat Herr Landeshauptmannstellvertreter Ing. Scheuch bisher nicht abgegeben“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Nur so viel: Scheuch habe bei seinem Amtsantritt „öffentlich“ bekannt gegeben, dass er die Landwirtschaft seiner Frau verpachtet habe. Das Problem: Wenn bei Landtagspräsident Josef Lobnig keine Meldung einlangt, kann auch nichts an den Unvereinbarkeitsausschuss weitergeleitet werden. Lobnig erklärt sich aber für unzuständig. Mit dem grotesken Argument, er habe keine Lust, den Mandataren „nachzuspionieren“. Scheuch wiederum beharrt, er sei nur dem Rechnungshof gegenüber auskunftspflichtig. Grünen-Mandatar Rolf Holub hält dies für untragbar: „Dieses Vorgehen muss einmal Sanktionen nach sich ziehen.“ Es könne nicht angehen, dass sich Politiker „aussuchen, wie und ob sie ein Gesetz vollziehen“.