Lopocaner Meusburger: "Alles astrein"

Glücksspiel: Für Online-Anbieter Lopoca wird massiv gekeilt

Glücksspiel: Für Online-Anbieter Lopoca wird massiv gekeilt

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Der kleine Appenzeller erzählt von seinen Sportwägen – für die Männer. Den Frauen glaubt er mit der Aussicht auf Louis-Vuitton-Taschen Lust auf Lopoca zu machen. Er verdient pro Stunde 3000 Euro, erzählt er. Den Kurszettel, Registrierungsblätter und Blei immer dabeihaben, und das Geschäft läuft. Vorausgesetzt, man duscht jeden Morgen eiskalt. Das sei das Erfolgsgeheimnis. Warmduscher bringen es zu nichts.

Der „kleine Appenzeller“ stand Mitte Oktober auf der Bühne der Arena Nova in Wiener Neustadt vor geschätzt 500 Leuten. Die Stimmung war bombig, schließlich traf sich hier eine eingeschworene Gemeinde, die charmiert und motiviert wurde. Sie nennen sich „Lopocaner“; teilen eine Leidenschaft und ein Feindbild. Die Verfasserin des eingangs zitierten Gedächtnisprotokolls (Name der Redaktion bekannt) gehört nicht dazu. Sie nutzte das Gedränge vor dem Registrierungstisch, um den Saal unerkannt betreten zu können. Vom Auftritt des „kleinen Appenzellers“, einem Schweizer „Lopocaner“ Mitte 30, zeigte sie sich wenig beeindruckt.

Lotto, Poker, Casino

In regelmäßigen Abständen lädt der Online-Glücksspiel-Anbieter Lopoca (das Akronym steht für Lotto, Poker, Casino) zu solchen Infoveranstaltungen, bei denen verdiente Mitglieder von ihren Erfolgen erzählen dürfen.

Vor allem im ländlichen Raum macht das Unternehmen derzeit Furore. Doch Lopoca agiert – um es vorsichtig auszudrücken – in einem rechtlichen Graubereich. Es ist Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen und im Visier der Arbeiterkammer (AK).

„Wir haben nichts zu verbergen“, heißt es auf der Lopoca-Website. Doch fragt man nach Details, gibt man sich zugeknöpft.

„Wir sind durch Anrufe besorgter Angehöriger auf das Unternehmen aufmerksam geworden“, sagt Eva Schreiber, Konsumentenschützerin der AK Burgenland. Diese würden von Ehepartnern, Söhnen, Töchtern oder Freunden erzählen, die ihre Bausparverträge und Sparbücher auflösen, um in das System einzusteigen.

Ebenso wie seine Mitbewerber bwin oder tipico bietet Lopoca Sportwetten, Roulette, Poker und andere Spiele. Das Unternehmen wurde 2010 von Reinhard Meusburger gegründet. Zu seinen Investoren zählt Johannes Goëss-Saurau, der mit seiner Murhof-Gruppe 14 Golfplätze in Österreich betreibt und als Adelsspross der Industriellendynastie Mayr-Melnhof in deren Konzern Aufsichtsratsmandate hält.

„Wir haben nichts zu verbergen“, heißt es auf der Lopoca-Website. Doch fragt man nach Details, gibt man sich zugeknöpft. Die Bitte um Einsicht in den jüngsten Jahresabschluss wird abschlägig beschieden. Lediglich die Zahl der Mitarbeiter (30) und der Nutzer (80.000) nennt Meusburger, der zum Gespräch mit profil von seinem Anwalt begleitet wird.

Lopoca beruft sich auf Dienstleistungsfreiheit

Lopoca hat seinen Sitz auf Zypern und agiert mit einer Lizenz der maltesischen Glücksspielbehörde. Aus der Sicht des österreichischen Finanzministeriums eindeutig illegal: „Glücksspiele (z. B. Poker, Roulette, u. a.) dürfen weder real noch online im Internet ohne Konzession nach dem Glücksspielgesetz entgeltlich angeboten werden. Eine etwa in einem anderen EU/EWR-Mitgliedsstaat erteilte Konzession berechtigt nicht zum Anbieten von Glücksspielen in Österreich“, heißt es auf der Website des Ministeriums.

Meusburger beruft sich indes auf die sogenannte Dienstleistungsfreiheit in der EU, die besagt, dass Unternehmen ihre Dienste innerhalb der EU in jedem Staat anbieten dürfen. „Das österreichische Glücksspielgesetz entspricht nicht dem EU-Gemeinschaftsrecht“, meint der Exil-Vorarlberger mit Wohnsitz in der Steiermark.

Für klassische Glücksspiele interessieren sich die Lopocaner aber ohnehin nur bedingt. Der Renner ist das „Nugget Game“, eine Art Handelsspiel, bei dem die User untereinander mit sogenannten Nuggets traden. „Deren Kurs bestimmt sich durch Angebot und Nachfrage, ähnlich einem Aktienkurs an der Börse“, erklärt Meusburger. Für die User ist dieses Angebot jedoch weniger Spiel, sondern ernsthaft gemeinte Geldanlage. Und so wird es auch auf der Lopoca-Website beworben: „Lass Dein Geld Arbeiten! Handle mit unseren virtuellen Nuggets auf unserer Online-Handelsplattform, wähle den richtigen Zeitpunkt und Du kannst GROSS gewinnen!“

Einige, die das Unternehmen bisher gegen jede Kritik von außen mit fast sektenähnlicher Vehemenz verteidigt hatten, gerieten ins Zweifeln.

Als Handelsgebühr kassiert Lopoca je fünf Prozent von Verkäufer und Käufer. Bisher konnten die Nutzer einen steten Kursanstieg beobachten. Ende vergangener Woche jedoch ein Gemetzel: Der Kurs fiel von 4,97 Euro pro Nugget auf 3,45 zu Redaktionsschluss – laut Unternehmensinfo. Ein Einbruch von 30 Prozent. Es herrschte Panik und Ratlosigkeit. Einige, die das Unternehmen bisher gegen jede Kritik von außen mit fast sektenähnlicher Vehemenz verteidigt hatten, gerieten ins Zweifeln. Die Staatsanwaltschaft Graz hegt indes schon seit Längerem Bedenken. Bereits 2010 ging eine anonyme Anzeige gegen das Unternehmen ein. Die Behörde ermittelte – Hausdurchsuchungen, stundenlange Einvernahmen, das volle Programm. Vergangenen Sommer erhob sie Anklage wegen des Verdachts auf Betreiben eines verbotenen Pyramidenspiels.

Prinzip Weiterempfehlung

Lopoca funktioniert nach dem Prinzip der Weiterempfehlung. Registrieren kann sich nur, wer einen Empfehlungsgeber vorweisen kann. Diese verdienen an den Umsätzen „ihrer“ Spieler eine Provision. Das führt dazu, dass aktive Mitglieder in ihrem Freundeskreis, im Sportverein, bei Arbeitskollegen massiv keilen.

So wenig wie möglich erzählen, wie es geht, rät der Schweizer Lopocaner laut Gedächtnisprotokoll. Dann könne man sich nicht verheddern. Es reiche, zu sagen: „Ich hab etwas Verrücktes gemacht“, und so lange zu warten, bis der andere nachfragt, was das sei.

„Das Vertriebssystem basiert auf einem Multi-Level-Marketingkonzept“, erklärt Meusburger. Mit den Werbebudgets der Mitbewerber könne man nicht mithalten, deshalb habe man diese Form gewählt, um das Angebot unter die Leute zu bringen. „Das funktioniert ähnlich wie ein Versicherungsvertrieb. Bei Uniqa oder Generali kommt auch niemand auf die Idee, das als Pyramidenspiel zu bezeichnen“, so der ehemalige Therapeut. Zudem habe man das Geschäftsmodell rechtlich prüfen lassen – alles astrein. Er rechnet mit der Einstellung des Verfahrens, das aktuell vom Landesgericht für Strafsachen Graz geprüft wird. Weil laut seinem Verständnis kein Strafrechtsverstoß, sondern allenfalls eine Verwaltungsübertretung vorliegt. AK-Konsumentenschützerin Schreiber indes meint: „Wir warnen dringend davor, in das System einzusteigen.“

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).