Wirtschaft

„Kann man die Inflation austricksen, Herr Professor?“

Wer sein Vermögen am Sparbuch liegen hat, kann ihm aktuell beim Schmelzen zusehen. Manfred Frühwirth, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, erklärt, wie man erfolgreich und wissenschaftlich fundiert Geld anlegt.

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Herr Professor Frühwirth, auch wenn die Sparzinsen aktuell etwas steigen, die Inflation gelten sie nicht ab. Was also raten Sie Anlegerinnen und Anlegern, die sich vor der massiven Geldentwertung schützen wollen?
Frühwirth
Eine wissenschaftlich fundierte und zudem recht einfache, langfristige Anlagestrategie basiert auf dem sogenannten Capital Asset Pricing Model, kurz CAPM. Dieses wurde in den 1960er-Jahren unter anderen von Nobelpreisträger William F. Sharpe entwickelt. Diesem Modell zufolge besteht die optimale Vorgangsweise für jeden Anleger darin, einen Teil des Geldes, das er investieren will, in risikolose Wertpapiere zu stecken und den Rest in das sogenannte Marktportfolio.
Welche Wertpapiere sind denn risikolos?
Frühwirth
In der Praxis werden dazu festverzinsliche Anleihen kreditwürdiger Staaten mit Triple-A-Rating herangezogen. Doch gerade in Zeiten hoher Inflation erweist sich das als Problem. Denn selbst deutsche Staatsanleihen mit bester Bonität sind nicht gänzlich risikolos. Auch sie haben ein enormes Inflationsrisiko, wie wir jetzt alle merken. Ein Käufer einer solchen Anleihe weiß zwar, welchen fixen Betrag er später in Form von Rückzahlung plus Zinsen herausbekommen wird. Was er sich davon kaufen wird können, weiß er jedoch nicht. Doch gerade die zukünftige Kaufkraft des Investments ist für den Anleger wichtig. Deswegen ist meine Empfehlung, inflationsgeschützte unkündbare Anleihen von Staaten mit hoher Kreditwürdigkeit zu kaufen. Bei diesen sind sowohl Rückzahlung als auch Zinsen an die Entwicklung der Inflationsrate angepasst. Die Kaufkraft wird somit erhalten. Die Laufzeit (genauer, die Duration) der Anleihe sollte dem eigenen Anlagehorizont entsprechen, und wenn man Euro-Anleihen kauft, fällt auch das Währungs- beziehungsweise das Wechselkursrisiko weg. Geeignet sind etwa die vom deutschen Staat emittierten inflationsindexierten Bundesanleihen oder die französischen „Obligations Assimilables du Trésor indexés“.
Was ist unter Marktportfolio zu verstehen?
Frühwirth
Theoretisch sind damit sämtliche verfügbaren riskanten Anlagemöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt gemeint. Von Aktien quer durch alle Branchen und Länder über Unternehmensanleihen bis hin zu Immobilien und Rohstoffen. Um dieses Marktportfolio in der eigenen Geldanlage abzubilden, kann ein möglichst breit diversifizierter Aktienindexfonds mit entsprechender Streuung über Währungsräume und Regionen gewählt werden, der große Konzerne und auch kleine Unternehmen enthält. So ist der riskante Teil gut diversifiziert.
Wie soll das Verhältnis zwischen risikolosem Wertpapier und Marktportfolio ausgestaltet sein?
Frühwirth
Das kommt auf die persönliche Risikoeinstellung an. Grundsätzlich gilt: Je mehr Risiko man bereit ist einzugehen, desto höher ist auch die zu erwartende Rendite – und umgekehrt. Risikoaverse Anleger werden einen größeren Anteil im risikolosen Wertpapier anlegen. Jemand, der noch sehr jung ist, kann stärker ins Risiko gehen als jemand, der kurz vor der Pensionierung steht und dessen Anlagehorizont nicht mehr so lang ist. Auch der Familienstatus ist wichtig: Wenn ich Single bin, kann ich mehr riskieren als ein Familienvater mit drei Kindern. Das Schöne an diesem Modell ist, dass das Risiko der Gesamtstrategie durch die Gewichtung von Marktportfolio und risikolosem Wertpapier beliebig steuerbar ist.
Aber kann man damit tatsächlich die Inflation austricksen?
Frühwirth
Sowohl der nominelle Wert des riskanten Anteils als auch jener des risikolosen gehen bei hoher Inflation tendenziell nach oben. Ein Anleger kann mit dieser Strategie also mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kaufkraft seines Investments einigermaßen erhalten oder sogar erhöhen. Aber sie ist nicht nur in Hochinflationszeiten, sondern generell sehr sinnvoll, weil man keine Prognosen über die zukünftige Entwicklung von Aktien und Inflationsraten anstellen muss.
Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).