Wirtschaft

Kohlekraftwerk Mellach: "Eine rechtzeitige Vorbereitung ist nicht mehr möglich"

Politische Ankündigungen im Realitäts-Check: Was wurde aus den Plänen Leonore Gewesslers, das Kohlekraftwerk Mellach zu reaktivieren? Und hängt der Gasspeicher Haidach bereits am österreichischen Netz?

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Mittwoch, 18. Mai 2022: Im Ministerrat beschließt die Bundesregierung, dass der Gasspeicher in Haidach in Salzburg an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden soll.

Sonntag 19. Juni 2022: Klimaministerin Leonore Gewessler von den Grünen kündigt nach einem kleinen Krisenkabinett der Regierung an, dass das im Jahr 2020 stillgelegte Kohlekraftwerk im steirischen Mellach wieder in Betrieb genommen werden soll.

Knapp ein halbes Jahr ist vergangen, was ist seither passiert? Soweit es das Fernheizwerk Mellach betrifft: Nichts. Soweit es den Speicher Haidach betrifft: Hier wird tatsächlich gebaut. Der Anschluss an das österreichische Gasnetz soll noch vor Weihnachten erfolgen. Ein Überblick:

Mellach: Kohle noch im Museum

Steinkohle und Leonore Gewessler: Das war so nicht unbedingt zu erwarten. Aber der Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine hatte die Gemengelage nun einmal verändert. Also brachte Österreichs Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Juni eine gleichsam steinzeitliche Energiegewinnungsform ins Spiel: Verbrennung von Kohle in Mellach. "Das wird jetzt umgebaut. Das wird, deswegen ist es so wichtig, dass man die Entscheidung jetzt trifft, einige Monate jedenfalls dauern für die technische Ertüchtigung, für die Beschaffung", sagte Gewessler damals in der "ZIB 2" und: "Ich habe mit großer Freude das letzte Kohlestück ins Museum gestellt. Wir müssen Kohle also auch wieder beschaffen, all das wird jetzt vom Verbund unter Hochdruck auch gemacht, damit wir hier so rasch als möglich auch diese Notreserve wieder haben."

Es blieb bei der Ankündigung. Weder hat der teilstaatliche Verbund-Konzern mit der Reaktivierung von Mellach begonnen-das Mitte der 1980er-Jahre in Betrieb genommene Fernheizkraftwerk steht zwar noch, ist aber nicht mehr betriebsbereit-,noch wurde Kohle eingekauft oder Personal eingestellt. Der Verbund war nicht bereit, die damit verbundenen Kosten aus eigener Kraft zu tragen. Die Regierung stellte zwar eine Entschädigung in Aussicht, brachte die gesetzliche Grundlage aber nicht durch den Nationalrat. Im August stimmte die Opposition geschlossen gegen die sogenannte Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung. Kern der Kritik: In Zeiten von galoppierenden Energiepreisen und "Übergewinnen" aufseiten der Energiebranche sei es unverantwortlich, die Kosten für Mellach auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Wir brauchen einen Auftrag, da liegt der Ball bei der Politik.

Ingun Metelko

Konzernsprecher Verbund

Energieministerin Leonore Gewessler kritisierte die Ablehnung als "unverantwortlich", und damit war die Sache offenbar erledigt. "Wir haben verschiedene Möglichkeiten zur Lösung deponiert", erklärt SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll. "Was aus unserer Sicht aber sicher nicht geht, ist eine Umverteilung von Steuergeld zu Krisengewinnern, so wie es beim Umbau von Mellach geplant ist."

Beim Verbund sieht man das wenig überraschend anders. "Wir brauchen einen Auftrag dazu, da liegt der Ball bei der Politik", sagt Konzernsprecherin Ingun Metelko auf profil-Anfrage. Für den laufenden Betrieb brauche das Unternehmen 30 bis 50 neue Leute, von der Kohle und deren Transport einmal abgesehen. "Das ist nicht ganz trivial, aber die Kraftwerksseite würden wir hinbekommen."

Aber wird diesen Winter noch etwas passieren? Auf profil-Anfrage verweist Gewesslers Ressort auf die gescheiterte Verordnung: "Unser Ziel war und ist, möglichst schnell die Basis schaffen, damit große Gasverbraucher auf andere Brennstoffe umrüsten können. Es gab dazu auch weitere Gespräche mit der Opposition-bisher allerdings noch kein Ergebnis. Klar ist aber: Eine rechtzeitige Vorbereitung für diesen Winter ist nun nicht mehr möglich."

Haidach: "Akribisch gebaut"

An der Grenze zwischen Salzburg und Oberösterreich steht der prominenteste Gasspeicher des Landes. Allerdings ist er nicht an dieses angeschlossen. Der Speicher Haidach beliefert vor allem Bayerns Industrie, aber versorgt auch Tirol und Vorarlberg über den Umweg über Deutschland. Bis vor einigen Monaten befand sich Haidach in den Händen der russischen Gazprom, die sich vor 15 Jahren aus geopolitischen Überlegungen eigene Kapazitäten in Mittel-und Westeuropa zugelegt hatte. Befüllt wird dieser Speicher bislang zwar von unterschiedlichen Unternehmen, aber nur über Deutschland.

Ab Ende des Vorjahres wurden aber die Füllstände in Haidach immer niedriger, Ende März stand der Speicher schließlich leer. Im Juni beschloss die Bundesregierung die sogenannte Use-it-or-lose-it-Klausel anzuwenden, die besagt: Wer seine Anlagen leer stehen lässt, darf sie nicht mehr nutzen. Seitdem wird der Speicher von der RAG Austria AG befüllt, dem größten Gasspeicherunternehmen des Landes. Die Firma gehört mehrheitlich dem niederösterreichischen Landesenergieversorger EVN.

Gleichzeitig wurde von der Bundesregierung angekündigt, den Speicher an das österreichische Netz anzubinden. Denn sollte Deutschland die Notfallstufe bei der Energieversorgung ausrufen, gerieten Tirol und Vorarlberg womöglich in Bedrängnis-weil dann kein Gas mehr aus Haidach ankäme.

Die RAG Austria AG kündigte noch im Sommer an, mit den Anschlussarbeiten zu beginnen-ein einfacheres Unterfangen als das Hochfahren eines stillgelegten Kohlekraftwerks. Es geht nur um weniger 100 Meter Pipeline, die Kosten wurden zum Projektstart auf rund zehn Millionen Euro geschätzt.

Und wo stehen wir heute? Haidach ist nach wie vor nicht ans österreichische Netz angeschlossen, aber der Lückenschluss steht offenbar knapp bevor. "Es wird akribisch gebaut", berichtet E-Control Vorstand Alfons Haber. Man sei gut im Zeitplan, für den 14. Dezember sei die Befüllung mit Gas geplant, für den 20. Dezember der Beginn des Regelbetriebs. Haidach werde an die Gasleitung Penta-West angeschlossen, die sogenannte Gasautobahn. Nicht an das oberösterreichische Landesnetz, wie das die dortige Landesregierung ursprünglich wollte.

Und wer übernimmt nun die Investitionskosten ? "Die Republik übernimmt diese nicht", heißt es dazu seitens der RAG. Man verweist auf das Gaswirtschaftsgesetz 2011, wonach die Kosten an die Speicherunternehmen weiterzureichen sind, die ihre Verträge nicht kurzerhand kündigen dürfen. Am Ende zahlen das also die Endabnehmer des Erdgases.

Aber: Die Versorgungslage von Tirol und Vorarlberg wird dadurch nicht verändert. Die Gaspipeline Penta-West ist ihrerseits nicht mit den Netzen in Vorarlberg und Tirol verbunden. Die beiden westlichen Bundesländer erhalten ihr Gas über Netze aus Bayern. Die Penta-West hingegen verläuft über das Mühl-und Waldviertel Richtung Wien und trifft dort auf Gaspipelines, die den Süden des Landes versorgen.

Vor drei Wochen kündigten Klimaministerin Leonore Gewessler und der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck aber an, dieses Problem mit einem gemeinsamen Abkommen zu lösen. Noch ist es allerdings nicht unterschrieben. "Das Ressortabkommen zwischen dem deutschen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem österreichischen Klimaschutzministerium befindet sich aktuell in der formal vorgesehenen Ressortbefassung der deutschen Bundesregierung. Nach Abschluss dieser kann es unterzeichnet werden und tritt 30 Tage nach Unterzeichnung in Kraft."

Die Verantwortung für die Befüllung der Speicher soll aufgeteilt werden. Demnach sollen österreichische Unternehmen, die in Haidach Gas eingelagert haben, diese Speichermengen auch in einem Notfall über Deutschland nach Vorarlberg und Tirol transportieren können-sofern es "technisch möglich" sei.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.