++ THEMENBILD ++ PANASONIC SCHLIESST WERK IN ENNS IM DEZEMBER - ZEITUNG

Leiterplatten-Aus in Enns: Wie ein Werksschluss Europas Technologiesouveränität in Gefahr bringt

Das vorletzte europäische Leiterplattenwerk in Enns schließt in wenigen Monaten. Damit fällt die Hälfte der europäischen Leiterplattenproduktion weg.

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Dort, wo die Enns von der Donau abzweigt und aus Oberösterreich Niederösterreich wird, produziert die japanische Firma Panasonic Leiterplatten. In diesem unspektakulären Gewerbegebiet bei der kleinen Stadt Enns wird ein europäisches Problem deutlich. Dieser Standort – zusammen mit einer Firma in Deutschland – zählt zu den letzten verbliebenen europäischen Herstellern von Basis-Leiterplatten. Sie sind für rund zwei Prozent der weltweiten Produktion verantwortlich. Aber nicht mehr lange. In einem guten halben Jahr wird der Standort in Enns Geschichte sein. Zu teuer, zu klein, zu schwach gegenüber der chinesischen und taiwanesischen Konkurrenz. Dann werden nur noch weniger als ein Prozent der Leiterplatten in Europa hergestellt.

In dieser Geschichte geht es aber nicht um das Ende eines Werks in einem veralteten und überholten Industriezweig, der mit der Zeit obsolet geworden ist. Es geht um ein Unternehmen in einer boomenden Branche – mitten in einem globalen Technologiewettlauf. Die Industriestrategie der EU widmet Mikrochips, die auf Leiterplatten befestigt werden, einen eigenen Schwerpunkt – den European Chips Act. 43 Milliarden Euro sollen in die europäische Chipproduktion fließen, damit der EU-Weltmarktanteil von zehn auf 20 Prozent wächst. Doch während Milliarden in Hightech-Chips fließen, wird fast keine Leiterplatte mehr „Made in Europe“ sein. Wirtschaftlich ist die Produktion hier kaum noch rentabel, politisch ist sie jedoch von strategischer Bedeutung. Was tun also?

Branchenevent mit Friedhofscharme

Artikel über Mikrochips beginnen oft mit den gleichen Worten: „Sie sind überall.“ Tatsächlich finden sich diese kleinen elektronischen Bauteile in Smartphones, Autos, Satelliten und in militärischer Ausrüstung. Und sind daher – wenig überraschend – auch ein zentraler Bestandteil aktueller Industriepolitik.

Vereinfacht gesagt ähnelt ein Mikrochip der Kirsche auf einer Schwarzwälder Kirschtorte. Darunter liegt die Leiterplatte mit ihren zahlreichen Schichten – der Tortenboden, die Kirschenmasse und das Schlagobers. Oben kommen die speziellen Gravuren (Schokostreusel) und das Schlagobers zur Fixierung der Kirsche. In Enns wird der Tortenboden hergestellt. Einfach gesagt: Ein Mikrochip ist ohne die Leiterplatte, auf die er befestigt und in Geräten verbaut wird, wertlos. In den letzten Jahren flossen sehr viele Anstrengungen in die Produktion von mehr Kirschen, nicht aber in den Rest der Torte. Selbst das Schlagobers, das die Kirsche oben befestigt, ist knapp geworden. Doch dazu später mehr.

„Ein Branchenevent ähnelt inzwischen einem Treffen auf dem Zentralfriedhof“, sagte ein Unternehmer im deutschen „Handelsblatt“. In Zahlen bedeutet das: In der EU werden heute lediglich zwei Prozent der Leiterplatten hergestellt – in den 1990er-Jahren waren es noch etwa 20 bis 30 Prozent. Die Produktion verschob sich zunehmend, und mittlerweile deckt China 65 Prozent des gesamten EU-Bedarfs ab. In den USA ist die Lage ähnlich – doch nach massivem Druck der Industrie folgte dort auf ein Chips-Programm ein Leiterplatten-Act.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.