Wirtschaft

Nasenbohrerfest: Rätselraten um Millionenauftrag für Coronatests

Wie seltsame Anbieter von Corona-Tests mit der Bundesregierung Millionengeschäfte machen.

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Auf der einen Seite ein Brüderpaar aus der Nähe von Köln, dessen früheres Wirken das Aktenlager von so manch deutschem Anwalt füllt – Stichwort: Abzocke mit teilweise unberechtigten Mahnungen im großen Stil. Auf der anderen Seite ein Apotheker aus einem 4000-Seelen-Nest in Niederösterreich, der über eine – eher amateurhaft zusammengeschusterte –  Website Corona-Tests feilbietet. 

Der gemeinsame Nenner dieser bemerkenswerten Truppe: ein Millionenauftrag des österreichischen Gesundheitsministeriums, abgewickelt unter den Augen der Bundesbeschaffung GmbH (BBG). Am 25. Februar dieses Jahres war im Ressort von Minister Rudolf Anschober (Grüne) Großeinkauf angesagt.

Das Gesundheitsministerium schloss Lieferverträge für Antigen-Corona-Tests über mehr als 86 Millionen Euro. Sieben Bieter beziehungsweise Bietergemeinschaften kamen zum Zug – alle vorab von der BBG in einer Ausschreibung zu einer Rahmenvereinbarung (gemeinsam mit zahlreichen anderen)  ausgewählt. De facto ist eine solche Listung das Eintrittsticket für gute Geschäfte mit der öffentlichen Hand. Nicht jeder kommt dann auch zum Zug – die Chance ist aber deutlich größer.

Einer der sieben Einzelaufträge vom 25. Februar belief sich auf 3,3 Millionen Euro und umfasste – wie profil-Recherchen ergeben haben – 1,5 Millionen Tests. Auf Anfrage bestätigte die BBG, dass es sich dabei um jene sogenannten Wohnzimmertests handelt, die kostenfrei an die Bevölkerung ausgegeben werden. Die Anwendung ist „anterior-nasal“, vulgo Nasenbohrertests. Den Zuschlag für diese Tranche erhielt eine Bietergemeinschaft bestehend aus der Pharma-Handelsfirma des Apothekers (wirtschaftliche Größenklasse per 31. März 2020: „mikro“) und aus einer GmbH, die im österreichischen Firmenbuch nicht eingetragen ist. Fündig wird man hingegen – in leicht variierenden Schreibweisen – in einer Kleinstadt nahe bei Köln.

Die deutsche Firma gehört – soweit aus dem Handelsregister ersichtlich – den beiden eingangs erwähnten Brüdern. Sie hat mit dem Import und Export von Medizin- und Gesundheitsprodukten augenscheinlich nichts am Hut, verfügt über keine Website, spielte aber laut einem „Spiegel“-Artikel von Anfang 2018 eine zentrale Rolle in einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Die Männer sollen demnach in die Abzocke von Unternehmen, Gewerbetreibenden und sogar Kindergärten mit amtlich wirkenden Schreiben, auf die dann aggressive Inkassobemühungen folgten, verwickelt gewesen sein.

Die Anklageschrift wurde zwar letztlich Anfang 2020 per Entscheid des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf nicht zugelassen. Dies erfolgte jedoch auf Basis juristischer Abwägungen. Auf profil-Anfrage teilt ein OLG-Sprecher mit: „Das den Angeschuldigten zur Last gelegte Verhalten entspricht nicht dem im Rahmen eines lauteren Wettbewerbs üblichen Geschäftsgebaren und dürfte sozialethisch zu missbilligen sein, erfüllt aber noch nicht den Straftatbestand des versuchten Betrugs.“

„Noch nicht“? Eine warme Empfehlung für die Teilnahme an Staatsaufträgen klingt anders. Frühere Zivilverfahren waren mal so mal so ausgegangen. In einer wichtigen Entscheidung stellte das OLG Düsseldorf  bereits 2012 fest, dass das verschickte Formularschreiben „geradezu darauf abziele, einen Teil der Angesprochenen zu täuschen“. Damals war die mutmaßliche Involvierung der Brüder noch nicht bekannt. Diese deckte der „Spiegel“ 2013 auf.

Offen blieb im Rahmen der Recherche, ob es beim Deal mit dem Gesundheitsministerium im Hintergrund noch weitere Partner gab. Ein solcher Großeinkauf muss schließlich auch finanziert werden. Der Apotheker bestritt dies auf Anfrage nicht. Um wen es sich gegebenenfalls handelt, wollte er allerdings nicht mitteilen.

Die Involvierten können sich jedenfalls über einen schönen Reibach auf Steuerzahlerkosten freuen. Kenner der Szene halten einen Gewinn im höheren sechsstelligen Bereich bei einem derartigen Geschäft durchaus für möglich. Der Apotheker ließ mitteilen, man habe bei der BBG-Ausschreibung „sämtliche erforderliche Unterlagen abgegeben“ und trete „als einer der günstigsten Anbieter“ auf. Was das konkret heißt, blieb offen. Allgemein deutet manches darauf hin, dass sich der Staat eines Beschaffungsmodells bedient, das – vorsichtig formuliert – Glücksrittern Tür und Tor öffnet.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).