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Raiffeisen in Russland: Die Rache des Oligarchen

Die Raiffeisen Bank International ist mit ihrem Russlandgeschäft im Dickicht von Sanktionen und russischer Justizwillkür gefangen.

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Die Exklave Kaliningrad ist der westlichste Zipfel Russlands. Das Gebiet von der Größe der Steiermark liegt eingezwickt zwischen den beiden EU-Staaten Polen und Litauen an der Ostsee. Kaliningrad ist ein territoriales Symbol dafür, wie weit der Einfluss Russlands nach Europa reicht.

Am kommenden Montag, dem 13. Oktober, ist für 10 Uhr eine Anhörung vor dem Schiedsgericht Kaliningrad anberaumt, die weit mehr als nur Symbolcharakter besitzt. Das Verfahren hat der russische Oligarch Oleg Deripaska angestrengt, sein Streitgegner ist die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI). Vordergründig geht es um Deripaskas Anteile am börsennotierten österreichischen Baukonzern Strabag. In Wahrheit geht es um sehr viel mehr: Seit dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ist eine Reihe von Sanktionen und Gegensanktionen in Kraft getreten, die den Kapitalverkehr zwischen Russland und dem Westen erschwert. In den zweieinhalb Jahren seit Kriegsbeginn hat die russische RBI-Tochter ein Milliardenvermögen angehäuft. Alle bisherigen Versuche, zumindest Teile davon loszueisen, sind gescheitert. Und auch ein Verkauf der russischen Raiffeisen Bank ist bis heute nicht absehbar. Stattdessen wird die RBI immer tiefer in die Abgründe der russischen Justiz gezogen. Nun soll ein diplomatischer Vorstoß Österreichs bei der EU zumindest dabei helfen, den Schaden zu begrenzen.

Es war eine spektakuläre Nachricht, die Hans Peter Haselsteiner im April 2007 verkündete: Kurz vor dem geplanten Börsengang des Baukonzerns präsentierte der Strabag-Konzernchef den russischen Milliardär Oleg Deripaska als strategischen Partner. „Ich fühle mich in dieser Kombination wohl“, erklärte Haselsteiner damals. Heute sieht er das wohl anders. Seit 2007 ist der russische Oligarch und Putin-Vertraute Oleg Deripaska neben Raiffeisen-Holding Niederösterreich/Wien, dem Versicherungskonzern Uniqa und der Familie Haselsteiner Kernaktionär bei der Strabag. Über die russische Gesellschaft Rasperia hält Deripaska heute 28,5 Millionen Aktien, das entspricht 24,1 Prozent der Strabag-Anteile.

Seit April 2022 steht Oleg Deripaska auf der EU-Sanktionsliste, seine Vermögenswerte in Europa sind damit eingefroren. Er gehört nicht nur zu den einflussreichsten Oligarchen Russlands. Die EU hat ihn unter anderem deshalb auf die Sanktionsliste gesetzt, weil er wirtschaftlicher Eigentümer des Automobil-Konzerns GAZ sei, zu welchem ein wichtiger Lieferant für die russische Armee namens „Military Industrial Company LLC“ gehört. Und die soll wiederum gepanzerte Amphibienfahrzeuge an das russische Militär geliefert haben.

Zurück zur Strabag: Seit 2022 hat Rasperia keine Stimmrechte im Konzern und erhält seither auch keine Dividende mehr. Während Deripaska also in Russland sitzt und keinen Zugriff auf seine österreichischen Aktien im Wert von rund zwei Milliarden Euro hat, geht es der Raiffeisen Bank International genau umgekehrt.

Als größte ausländische Bank ist Raiffeisen systemrelevant, weil sie auch grenzüberschreitende SWIFT-Transaktionen tätigen kann. Russland hat ein enormes Interesse daran, dass das so bleibt

Vasili Astrov

Ökonom am Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw)

Josef Redl

Josef Redl

Wirtschaftsredakteur.