Skifahren als Luxus? Wie Österreich um Wintersportler aus den USA buhlt
„Alpiner Wintersport darf nicht zum Luxusgut werden“, sind sich neun von zehn Befragten einer in der Vorwoche veröffentlichten Wintersport-Studie einig. Doch Österreichs Tourismusbranche scheint das nicht allzu sehr zu kümmern, sie wirbt verstärkt um Gäste aus Nordamerika. Sie sind finanzkräftiger als Reisende aus Europa; der Skisport in ihrer Heimat gilt schon seit langem als Hobby der Oberschicht. In Österreich kostet eine Tageskarte heuer erstmals über 80 Euro. Für nordamerikanische Verhältnisse ein Schnäppchen: Im US-Skiort Vail zahlt man mittlerweile 307 US-Dollar (263 Euro).
Ticketpreise, die vielen Österreicherinnen und Österreichern zunehmend zu teuer sind. Auch Gäste aus dem deutschen Nachbarland hätten aus Kostengründen bereits storniert, sagte Walter Veit, Präsident der Österreichischen Hotelvereinigung (ÖHV) am Donnerstag gegenüber der Austria Presse Agentur (APA). Kein Wunder also, dass die österreichische Tourismuswerbung zunehmend skisportbegeisterte Urlauber aus Nordamerika ins Visier nimmt. Sie sind weniger preissensibel als Einheimische oder Gäste aus europäischen Nachbarländern. Der Fokus auf globale Topverdiener mag Hoteliers und Betreiber von Gastrobetrieben freuen. Doch könnte das die Preise hierzulande weiter nach oben treiben?
Die vergangene Skiweltmeisterschaft in Saalbach lief aus rot-weiß-roter Veranstaltersicht erfolgreich. Nicht nur sportlich. Auch Mike Goar, Geschäftsführer von „Vail Resorts – Switzerland“, die Firma hinter dem Epic Pass, zeigte sich im Nachgang beeindruckt, wie er im Mai dieses Jahres ausführte. Im Frühjahr gab er gemeinsam mit den Verantwortlichen des Skizirkus Saalbach-Hinterglemm bekannt, dass das 270 Pistenkilometer umfassende Skigebiet im Pinzau ab der Wintersaison 2025/26 Partner im Epic Pass-Kosmos ist. Wer diesen internationalen Skipass kauft, hat damit fünf Skitage im Alpin Card-Verbund inkludiert. Dazu gehören neben dem Skizirkus Saalbach-Hinterglemm einige weitere Skigebiete im Pinzgau. Umgekehrt erhalten Alpin Card-Besitzerinnen und Alpin Card-Besitzer 50 Prozent Preisnachlass auf eine Saison- oder Jahreskarte in insgesamt 37 Skigebieten in Nordamerika.
Den österreichischen Verantwortlichen geht es aber wohl eher um jene, die aus Übersee kommen. Denn sie lassen nachweislich viel mehr Geld im Land als etwa deutsche Gäste oder Skifahrerinnen und Skifahrer aus Österreich. Laut der Urlauberbefragung der Österreich Werbung geben Reisende aus den USA im Schnitt 552 Euro pro Tag aus. Zum Vergleich: Bei Urlauberinnen und Urlaubern aus Österreich sind es im Schnitt 194 Euro, bei Gästen aus Deutschland 183 Euro. „Selbst wenn man die teurere Anreise per Langstreckenflug herausrechnet, gibt diese Zielgruppe weit mehr aus als Reisende aus Europa“, sagt Oliver Fritz, Tourismusökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo).
Was bringt der „Epic Pass“?
Ein Blick nach St. Anton am Arlberg – ausgewählte Betriebe sind dort seit fast zehn Jahren Partner im Epic Pass-Kosmos. Laut Auskunft des Tourismusverbandes St. Anton am Arlberg kommen rund 150 Epic-Pass-Gäste pro Saison, jeweils mit etwa vier Übernachtungen. „Für Lech/Zürs liegen uns ähnliche Werte vor, wo im Schnitt etwa 100 Gäste pro Saison mit ebenfalls vier Nächten anreisen“, sagt der Sprecher des Tourismusverbandes zu profil. Am Arlberg sind drei aufeinanderfolgende Skitage inkludiert, sofern in einem teilnehmenden Partnerbetrieb genächtigt wird. Wenige hundert Epic-Pass-Gäste fallen bei knapp einer Million Nächtigungen (St. Anton am Arlberg) kaum ins Gewicht. Doch diese internationalen Skipässe sind längst nicht die einzige Maßnahme, mehr Gäste aus Nordamerika zu gewinnen.
Man setze schon lange auf die entsprechende PR- und Marketingarbeit und kooperiere mit internationalen Reiseveranstaltern, so der Tourismusverband-Sprecher. „Der Epic Pass ist ein hilfreiches Marketinginstrument, um in Überseemärkten präsent zu bleiben. Seine Wirkung entsteht jedoch im Zusammenspiel mit anderen Faktoren“, erklärt er. Die Werbung mit dem Slogan „the cradle of alpine skiing“ – die Wiege des alpinen Skisports, dürfte sich aus Sicht der Region bisher jedenfalls ausgezahlt haben.
Die Nächtigungszahl der Gäste aus den USA am Arlberg hat sich mehr als verdreifacht. Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl im Vergleichszeitraum auch bei Reisenden aus Kanada. Ein Plus gibt es auch bei Nächtigungen von Urlauberinnen und Urlaubern aus Australien und Neuseeland: Sie liegen mit 16.875 Nächtigungen mehr als 2000 Übernachtungen über dem Wert der Saison 2014/15. In der Gesamtschau dominieren nach wie vor Reisende aus Europa, aber, „diese Märkte gewinnen an Bedeutung und zeigen eine steigende Bindung zum Arlberg“, so der Sprecher.
Indien, USA und VAE legen zu
profil hat die Statistik-Austria um eine österreichweite Sonderauswertung der Nächtigungen nach Herkunftsland in den vergangenen zehn Wintersaisonen gebeten. Im Winter 2024/25 gab es rund 70,5 Millionen Nächtigungen in Österreich, die allermeisten entfallen auf Gäste aus Deutschland (25,9 Millionen), Österreich (16,5 Millionen) und dem Vereinigten Königreich (2,2 Millionen). Entsprechend nervös reagiert die Branche, wenn Buchungen aus Deutschland ausbleiben – aufgrund hoher Preise in Österreich und der angespannten Wirtschaftslage im Nachbarland.
Wachstum gibt es ausgerechnet bei den Zielgruppen, die weite Anreisewege haben: Denn während sich die Werte von Deutschland und Österreich seit der Wintersaison 2014/15 kaum verändert haben, hat sich die Zahl der Nächtigungen von Inderinnen und Indern von 43.400 auf 117.168 mehr als verdoppelt. Die Nächtigungen von US-Reisenden stiegen von einer halben Million vor zehn Jahren auf fast eine Million im abgelaufenen Winter. Eine Gruppe, um die es sich aus Sicht der Touristikerinnen und Touristiker aufgrund der hohen Ausgabenbereitschaft (siehe erste Grafik) zu werben lohnt.
Interne Studie zeigt US-Potenzial für Österreich
Welches Potenzial Wintersportbegeisterte aus den USA für heimische Skigebiete haben könnten, hat die Österreich Werbung erst im November im Rahmen einer internen Studie erhoben. Die Erkenntnisse: insgesamt gebe es in den USA rund 25 Millionen Wintersportlerinnen und Wintersportler. 90 Prozent der Befragten gaben an, an einem Urlaub im Winter in Europa interessiert zu sein, in Zahlen sind das laut der Studie 22 Millionen Menschen. Wiederum jede vierte befragte Person äußerte auch konkrete Buchungsabsichten innerhalb der nächsten zwei Jahre, das entspricht in etwa 5,5 Millionen US-Amerikanerinnen und US-Amerikanern. Österreich liegt im Imageranking allerdings hinter der Schweiz und Italien. Aber: Ein potenzielles Buchungsangebot für Österreich wurde von mehr als einem Drittel der Befragten als sehr wahrscheinlich angesehen.
Die Studie ist insofern interessant, da sie Rückschlüsse über die Zielgruppe zulässt, um die hier geworben wird. Das Bildungsniveau der US-Skibegeisterten ist sehr hoch: 31 Prozent besitzen einen Master- oder einen noch höheren akademischen Abschluss. Werte, die im starken Kontrast zur Gesamtbevölkerung stehen, etwa 13 Prozent der US-Bürgerinnen und US-Bürger verfügen über einen solch hohen Studienabschluss.
USA: Finanzstarke Zielgruppe
Rund 20 Prozent der US-Wintersportlerinnen und US-Wintersportler verfügen über ein jährliches Haushaltsbruttoeinkommen von mehr als 200.000 US-Dollar – besonders häufig in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen. Diese finanzielle Schlagkraft beeinflusst unmittelbar, welche Destinationen attraktiv erscheinen: Für die oberste Einkommensklasse liegen europäische Skiregionen wie die Schweiz, Italien und Österreich klar vorne. Gleichzeitig verliert der Preis als Entscheidungskriterium an Bedeutung, je höher das Einkommen ausfällt. Für einen siebentägigen Europatrip inklusive Flug, Unterkunft und Skipass kalkulieren 43 Prozent mit 3000 bis 5000 US-Dollar pro Person; ein weiteres Drittel rechnet sogar mit Ausgaben jenseits der 5000-Dollar-Marke. Interessantes Detail: Bei den Liftkartenpreisen verschätzen sich die rund 1000 Befragten sehr stark: Rund acht von zehn sind der Meinung, dass ein Skipass in Europa gleich teuer oder teurer ist, als in den USA.
Hobby der Oberschicht
Skifahren in den USA ist teuer. Im US-Skigebiet Park City (Utah) kostet die Tageskarte in der Saison 2025/26 für Erwachsene 216 US-Dollar (183 Euro), Kinder (5-12 Jahre) zahlen 140 US-Dollar (119 Euro).
Und was hat das alles mit Österreich zu tun?
„Der tourismuspolitische Trend geht eindeutig in die Richtung, dass die Verantwortlichen sagen: Wir müssen ausgabenfreudige Gäste aus Fernmärkten anlocken“, sagt Tourismusökonom Fritz. Neben den damit einhergehenden steigenden klimaschädlichen CO2-Emotionen steht der österreichische Wintertourismus aber vor weiteren Problemen. Zum einen spüren österreichische Gäste die hohen Preise bereits heute, wie aus der Spectra-Umfrage hervorgeht. Mehr als die Hälfte jener, die in dieser Saison auf den Skiurlaub verzichten, nennen die hohen Ticketpreise als ausschlaggebend. Für 35 Prozent sind die Ausrüstungskosten ausschlaggebend, ein Viertel sieht vor allem die gestiegenen Gastronomiepreise als Hürde.
„Wir Betreiber versuchen die Preise so zu gestalten, dass wir keine Verluste machen“, erklärte Seilbahnen-Obmann Franz Hörl (ÖVP) erst vor kurzem gegenüber der APA und verwies auf höhere Energiepreise, Personal- und Baukosten. Dass die Teuerung aber der einzige Grund ist, weshalb Preise steigen, entspricht nicht der ganzen Wahrheit. Denn es gibt mit Skigebieten wie etwa Sölden (83 Euro; Topsaison: 20.12.25 - 6.1.26 und 31.1.26 - 27.2.26) auch Destinationen, in denen der Skipass heuer um fünf Prozent teurer wurde – also stärker anstieg als die österreichweite Teuerung.
Wenn es in dieser Gangart weitergeht, sind wir in wahrscheinlich 15 bis 20 Jahren auf dem Preisniveau, wo die USA bereits jetzt sind.
Ein finanzkräftiges Publikum stören solche Entwicklungen etwas weniger: „Wenn ich immer mehr Nachfrage aus solchen Luxussegmenten habe, steigt langfristig natürlich auch der Preis. Und dann werden sich die Einheimischen beschweren“, sagt Wifo-Experte Fritz. Die Debatte rund um Einheimischentarife ist hierzulande längst entbrannt, Österreich setzt sich auf EU-Ebene dafür ein, dass Einheimische künftig regulär reduzierte Liftkarten angeboten werden können.
Hinzu kommt eine strukturelle Herausforderung, die die Preisfrage langfristig verschärft: „Aufgrund des Klimawandels werden Skigebiete verschwinden, weil es unter gewissen Höhenlagen einfach nicht mehr möglich sein wird, zu beschneien. Wenn sich das Angebot verknappt und es eine konstante oder vielleicht sogar ansteigende Nachfrage von Gästen aus den USA, Kanada, Indien, Saudi-Arabien oder den Emiraten gibt, dann müssen wir damit rechnen, dass sich die Preise erhöhen“, sagt der Tourismusforscher.
Und wie lange könnte es dauern, bis Skifahren hierzulande dann ähnlich teuer ist wie in den USA? Wenn es in dieser Gangart weitergehe, „sind wir wahrscheinlich in 15 oder 20 Jahren dort, wo die USA bereits jetzt sind“, meint Fritz.
Eine Entwicklung, mit der rund 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher keine Freude hätte.