Piatnik produziert 20 Millionen Kartensets pro Jahr.
Österreich, deine Produkte | Teil 19

Spieleproduzent Piatnik: Reden wir über … Spielkarten

Geschäftsführer und Gesellschafter Dieter Strehl über gezinkte Karten und warum Rummy bei Spielkartenherstellern besonders beliebt ist.

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profil: Herr Strehl, wie oft müssen Sie Ihr Pokerface aufsetzen?
Strehl: Es gibt schon Gelegenheiten, wo es besser ist, eines zu haben. Aber im Allgemeinen versuche ich das zu vermeiden und gehe offen auf Menschen zu, weil man da auch in der Kommunikation mehr erreicht. Wir verkaufen ja Spaß und Freude, gemeinsames Erleben und Spielen. Wenn ich da immer mieselsüchtig und ganz streng dreinschaue, wäre das nicht richtig.

profil: Ihr Produkt wird oft mit Schwung auf den Tisch geworfen, bis zur Schmerzgrenze gebogen und in schwitzigen Händen gehalten: Es ist damit einer fortgesetzten Werkstoffprüfung ausgesetzt. Was macht eine gute Spielkarte aus? 
Strehl: Der Karton muss bestimmte physikalische Eigenschaften haben: Er braucht eine gewisse Steifigkeit und eine Stabilität, damit er, wenn man die Karte biegt, wieder zurückschwingt. Spielkartenkarton ist eine teure Papiersorte, die aus zwei Schichten Papier besteht, die mit einem dunkel gefärbten Kleber zusammengeklebt werden. Das verhindert, dass die Karten transparent sind und man von der Rückseite sieht, ob es ein Herz-Ass ist oder nicht. Zur Veredelung tragen wir einen speziellen Spielkartenlack auf, 
damit die Oberfläche geschützt ist und man das Kartenspiel länger verwenden kann. Einst hatte jeder Kartenhersteller seine Geheimrezeptur für den Lack. Die Karten sollten auch möglichst lange halten, denn sie unterlagen einer Verbrauchssteuer. Die wurde von Maria Theresia eingeführt und erst nach 1945 wieder abgeschafft. Diese Steuer war teilweise sehr hoch und hat die Spielkarten mitunter um mehr als das Doppelte verteuert. 

profil: Spielkarten haben in ihrem Design eine recht altmodische Anmutung. Nach welchen Vorlagen werden sie gestaltet?
Strehl: Altmodisch? Man könnte auch klassisch sagen. Spielkarten werden ja nicht gekauft, um sich interessante moderne Bilder anzusehen, sondern um zu spielen. Und da möchte man nicht lange rätseln, welche Karten man in der Hand hält, sondern auf den ersten Blick erkennen, ob man ein starkes Blatt hat. Viele Künstlerinnen und Künstler wie Ditha Moser, Alfred Kubin oder Salvador Dalí haben prachtvolle Spielkartensets gestaltet. Kommerzieller Erfolg war ihnen jedoch nicht beschieden. Die Kartenspieler wollten sie nicht verwenden, weil sich beispielsweise die Figuren zu ähnlich sahen und man sie in der Hitze des Spiels leicht verwechseln konnte. Eigentlich sind international alle Versuche von Spielkartenverlegern, das Aussehen der Karten zu verändern, gescheitert.

profil: Das heißt, Spielkarten schauen seit vielen Jahrzehnten gleich aus?
Strehl: Kleine Veränderungen, die man kaum merkt, gibt es natürlich schon. Das ist so ähnlich wie bei der Nivea-Dose. Aber im Wesentlichen haben sich die Formen zu dem Zeitpunkt verfestigt, wo Spielkarten nicht mehr händisch, sondern maschinell hergestellt wurden. Als die Druckverfahren populär geworden sind, hat sich die Vielzahl an individuell gestalteten Spielkarten stark reduziert, und auch die Vielzahl an Anbietern ist stark zurückgegangen. Das hat mit der technischen Entwicklung im Druck zu tun. Als man immer höhere Stückzahlen produzieren konnte, hat das dazu geführt, dass Spielkarten nicht mehr von vielen kleinen Handwerksbetrieben angeboten wurden, sondern von wenigen größeren Betrieben, die dann in ihren jeweiligen Regionen gewisse Kartenbilder bekannt gemacht haben. Man spricht zum Beispiel auch vom Piatnik-Bild. Die Leute haben sich daran gewöhnt, und damit hat sich das Aussehen der Karten verfestigt. Aber als Vorbilder dienen noch heute die alten handkolorierten Bilder, die sich in einem jahrhundertelangen Prozess entwickelt haben. 

profil: Wie viele unterschiedliche Formen gibt es bei den klassischen Spielkarten?
Strehl: Bei den Farbzeichen gibt es im Wesentlichen drei. Nämlich das deutsche Bild mit Schelle, Herz, Eichel und Blatt. Das französische mit Herz, Karo, Pik und Treff. Das hat sich als das dominante und am weitesten verwendete durchgesetzt. Weil es auch am einfachsten zu drucken gewesen ist. Man braucht keine Binnenzeichnung. Der Umriss eines Karos reicht, um es zu erkennen. Eine Schelle dagegen ist mühsam zu drucken: mehrere Farben, schwarze Binnenzeichnung – das ist viel aufwendiger. Dann gibt es noch ein drittes, das man hierzulande kaum kennt, nämlich das spanisch-portugiesische oder auch lateinische Bild, wo Becher, Stäbe, Münzen und Schwerter die vier Farben sind. Was ich ganz interessant finde: Weder im spanischen noch im deutschen System kommen Frauen vor. Sondern nur Könige, Männer mit oder ohne Pferd und immer irgendwie bewaffnet. Ein Kartenspiel ist eine Art Kampf zwischen vier Königreichen. Lediglich die Franzosen haben eine Dame ins Spiel gebracht. Da kann man jetzt natürlich alles Mögliche hineininterpretieren.

Drei Assoziationen zum Thema

  1. Im China und Korea des 12. Jahrhunderts sind die frühesten Spielkarten nachweisbar. Nach Europa kamen sie erst im 14. Jahrhundert, breiteten sich rasch aus und wurden immer wieder mit Verboten belegt. Eines der ältesten europäischen Spiele ist das sogenannte Stuttgarter Kartenspiel, das um 1430 entstand.  
  2. Der britische Autor Lewis Carroll hat den Karten ein literarisches Denkmal gesetzt: In „Alice im Wunderland“ spielt die Herzkönigin mit ihrem Gefolge aus Spielkartensoldaten eine wichtige Rolle. 
  3. „Das Bummerl“ oder ein „Ass im Ärmel“ haben, „aus dem Schneider sein“ oder „alles auf eine Karte“ setzen: Unsere Alltagssprache ist reich an vom Kartenspiel inspirierten Redewendungen.

profil: Welche sind Ihre Bestseller?
Strehl: Da gibt es regionale Unterschiede. In fast ganz Österreich und in allen Regionen der ehemaligen Monarchie spielt man viel mit doppeldeutschen Karten. Das sind die, wo nur die halbe Figur abgebildet ist, die gedreht und nicht, wie fälschlicherweise oft gemeint, gespiegelt wird. In Vorarlberg und in Südtirol hat sich dieses doppelfigurige Bild jedoch nie durchgesetzt. Dort spielt man mit einfachdeutschen Karten; mit großer Begeisterung etwa Jass. Ein Spiel, das in Ostösterreich kaum bekannt ist. Was ich auch sehr witzig finde: In Österreich und den Regionen der ehemaligen Monarchie wird mit unserem doppeldeutschen Bild gespielt, auf dem Wilhelm Tell und andere Figuren aus dem Schiller-Stück abgebildet sind. Wenn Sie das einem Schweizer erzählen, ist der bass erstaunt, dass die Österreicher mit einem eidgenössischen Freiheitskämpfer spielen. Dort tut man das nämlich nicht.  

profil: Sind Kartenspiele auch gewissen Moden unterworfen?
Strehl: Die letzte Mode, die wir erlebt haben, war der Poker-Boom, der vor einigen Jahren durch die Welt gegangen ist. Begonnen hat das mit nächtlichen Fernsehübertragungen von professionellen Turnieren in Las Vegas, wo man Spieler hinter Bergen aus Geldscheinen sitzen gesehen hat. Viele junge Leute sind dann plötzlich wieder auf dieses uralte Spiel gekommen. Es war nicht der erste, und es wird nicht der letzte Boom gewesen sein. Während der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren wurde beispielsweise Rummy sehr populär. Für Spielkartenhersteller ist das ein wunderbares Spiel, weil man zwei Pakete, also 110 Karten, benötigt, während man beim Schnapsen ja nur 20 Karten braucht.

profil: Erleben Sie die Digitalisierung als Konkurrenz? Poker zum Beispiel wird sehr häufig online gespielt.
Strehl: Das hat sich in den Umsätzen nicht bemerkbar gemacht. Und in der Pandemie ist das Interesse an Kartenspielen, Brettspielen und Puzzles sogar noch deutlich gestiegen. Aber es stimmt, Poker wird viel digital gespielt. Das machen aber hauptsächlich Leute, denen es nicht so sehr um das Spiel und den Austausch mit anderen Menschen geht, sondern um den Nervenkitzel und die Hoffnung, am Ende des Abends mehr Geld zu haben als am Anfang.

profil: Wie zinkt man Karten am besten?
Strehl: Das soll ich Ihnen jetzt sagen?

profil: Als Service für unsere Leserinnen und Leser.
Strehl: Ich kann doch keine Falschspieler unterstützen.

profil: Okay, anders gefragt: Wie erkennt man gezinkte Karten?
Strehl: Die Zielrichtung ist immer, die Karte an der Rückseite kenntlich zu machen. Das geht etwa mit UV-Farbe, die man erkennt, wenn man eine entsprechende Brille trägt. In Filmen wie „Ocean’s Eleven“ kann man sehen, welche Tricks es da sonst noch gibt. Auf der sicheren Seite sind Sie jedenfalls, wenn Sie Ihr eigenes Kartenpaket mitbringen.

profil: Haben Sie schon einmal beim Kartenspiel betrogen?
Strehl: Betrogen habe ich nicht.

profil: Gemogelt?
Strehl: Na ja, wenn jemand die Karten so ungeschickt hält, dass man hineinschauen kann, dann schaut man halt hinein.

Dieter Strehl, 62

Der Ururenkel von Unternehmensgründer Ferdinand Piatnik trat nach seinem Wirtschaftsstudium vor 38 Jahren in das Familienunternehmen ein. Zunächst als Redakteur in der Spieleentwicklung, seit 1995 ist er Geschäftsführer. Derzeit ist er der einzige Piatnik-Nachkomme, der im Unternehmen tätig ist. 

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.