Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Hausverstand on board

Hausverstand on board

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Im Oktober 2015 soll in Europa der automatische eCall installiert werden. Das ist ein von der EU geplantes automatisches Notrufsystem, verpflichtend für Neuwagen und Kleinlastwagen, das im Fall einer Karambolage automatisch ­einen Notruf an die europäische Notrufnummer 112 absetzen soll. Ziel: raschere Hilfe, die lebensrettend sein kann.
Dagegen ist absolut nichts zu sagen, solange man bereit ist, die Logik der Vernunft gelten zu lassen in einer hausverständigen Welt.
Wir alle, die nichts zu verbergen haben, sehen in diesem System einen wichtigen Beitrag zur eSafety-Initiative der Europäischen Union, wobei es schwerpunktmäßig um kooperative Kommunikationssysteme geht, also um die Bündelung, Vereinheitlichung und Vernetzung moderner elektronischer Sicherheitssysteme (zum Beispiel Car2Car Communication), insofern Autos im regionalen Verkehrsbereich einander vor Gefahrenstellen, Unfallstellen, Nebelaufkommen, liegengebliebenen Fahrzeugen, Glatteis etc. warnen können, vorausgesetzt, die nötigen Dienste sind permanent online.
Integriert mitwirken sollen dazu noch wesentlich Beteiligte wie Straßenbauverwaltungen, Rettungsdienste, Telekomdienstleister, Automobilhersteller, Autofahrerclubs – und praktischerweise auch gleich Versicherungsunternehmen zur Hergangsabwicklung beziehungsweise Fahrprofilerstellung (zwecks Nachjustierung der Versicherungstarife). Auch Rehab-Kliniken, Bestattungsinstitute etc. könnten in den Kreis der Informierten aufgenommen werden.

Wie gesagt, wer nichts zu verbergen hat, wie wir alle, kann davon nur profitieren und wird am Ende des Jahres noch mit einem günstigeren Versicherungstarif belohnt.

Im Grunde ist ohnehin schon alles gelaufen: Bordcomputer in neuen Autos zeichnen bekanntlich jetzt schon jede Menge an Fahrdaten auf: Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsverhalten, Navigationsdaten, Sitzbelegung und vieles mehr. Auch Assistenzsysteme (Spurhaltung, Müdigkeitserkennung, Totwinkelassistent, Verkehrszeichenerkennung etc.) registrieren Vorgänge und werden registriert im Sinne einer verbesserten Fahr- und Verkehrssicherheit.

Freilich gibt es immer Querulanten, Datenschützer, Sturzpiloten und sonstige zweifelnde Elemente, die sich aus unerfindlichen Gründen nicht in die Karten schauen lassen wollen. Sie versuchen, die Datenhoheit der EU in Frage zu stellen mit demagogischen Fragen wie: „Wem gehören unsere Daten?“ Als ob das so wichtig wäre – gar so, dass sich der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag in einem eigenen Tagungspunkt damit auseinandersetzen würde, wie das vor wenigen Tagen der Fall war.
Und was müssen wir uns danach anhören? Das eCall-System alarmiere nicht nur Rettungsdienste und liefere Informationen zu Standort, Fahrtrichtung und Autotyp – der Minicomputer speichere auch alle Daten zur persönlichen Fahrweise des Nutzers, etwa zur Geschwindigkeit vor dem Crash, meint der Verkehrsjurist Christian Funk vom Deutschen Anwaltverein (DAV). „Ein Fahrer muss sich nach dem Rechtsstaatsprinzip als möglicher Unfallverursacher zwar nicht selbst belasten. Wenn die Behörden aber an Fahrdaten gelangen, wird ihm das nicht viel nützen.“
Und: Die Sammlung von Daten in Fahrzeugen sei schon heute weiter fortgeschritten, als viele Autobesitzer denken, behaupten Kritiker wie Funk. Nicht nur das: „Heute werden Fahrzeugdaten direkt über GPS und Internet ohne das Wissen des Fahrzeughalters im Hintergrund ausgewertet und übertragen“, bemängelt der AvD (Automobilclub von Deutschland). „Zugriff auf die Daten haben alleine die Fahrzeughersteller, die über die weitere Verwendung entscheiden.“

Dass diese Probleme durch eCall noch größer werden, glaubt auch Funk. Neben einem möglichen Datenmissbrauch (angeblich herrscht hier große Begehrlichkeit seitens Industrie und Wirtschaft) drohe der vergläserte Autofahrer. Im Interesse von Haltern und Fahrern müsse also geregelt werden, welche Daten erhoben würden, wie lange diese gespeichert und an wen sie weitergeleitet werden dürften, fordert der DAV.

Auch Automobilclubs rufen nach gesetzlichen Regelungen. Unterstützung bekommen sie vom Präsidenten des erwähnten Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm. Der Schutz der gespeicherten Daten sei unzureichend, kritisiert der frühere Generalbundesanwalt. „Es gibt bisher keine gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz, die für das Kraftfahrzeug passen.“ Unklar sei vor allem, wer nach Unfällen die von Bordcomputern gespeicherten Daten zu Fahrweise, Tempo und Bremsverhalten nutzen dürfe. „Im Zweifelsfall kann das Auto dann zum Zeugen gegen den Fahrer werden“, befürchtet auch Nehm. Aber das betrifft doch gewiss nur jene, die ohnehin schuld sind und etwas zu verbergen haben.

Denn seien wir doch ehrlich: Die NSA mit ihren Speicherkapazitäts-Troubles und das ständige Snowdon’sche Skandal-Nieseln generieren per Boulevard mehr Unterhaltungswert für uns, als man andernorts je aus unseren persönlichen Daten ziehen könnte, oder?

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