Cyberama von Thomas Vasek: Seelen-Scanner

Neue Technologien können Emotionen erkennen. Was heißt das für unsere Beziehungen?

Drucken

Schriftgröße

Digitale Technologien können Gesichter erkennen, den Standort einer Person bestimmen, deren Pulsfrequenz und Blutdruck messen. Bloß in unser Innerstes, in die Welt unserer Gedanken und Gefühle, dringen sie bis heute nicht vor. Doch das könnte sich bald ändern. Eine Reihe von Unternehmen arbeitet derzeit an Technologien, die menschliche Emotionen erkennen können; die Programme analysieren dazu "Mikroexpressionen“, also kaum merkliche Regungen im Gesicht. Unter Emotionen verstehen Neurowissenschafter heute komplexe psychisch-physische Rückkoppelungsprozesse, die blitzschnell und weitgehend unbewusst ablaufen. Emotionale Reaktionen wie Furcht oder Wut entstehen, noch ehe wir bewusst über eine Situation nachdenken. Emotionen sind selbst eine Art Werturteile: Wenn wir uns fürchten, wenn der Puls plötzlich rast, dann drücken wir damit aus, dass wir eine Situation für "gefährlich“ halten. Wer die Emotionen einer Person richtig deuten kann, hat folglich einen Schlüssel zu deren Denken und Handeln. Er kann womöglich vorhersagen, wie sich diese Person verhalten wird, noch ehe diese das selbst weiß. Es ist nicht viel Fantasie notwendig, um sich kommerzielle Anwendungen vorzustellen. Man denke an einen "Emo-Scan“ bei Bewerbungsgesprächen, auf Partnerplattformen oder im Kundenkontakt. Die automatische Analyse von Emotionen nimmt Menschen die Möglichkeit, andere über ihre Gefühlslage zu täuschen. Selbst ein noch so sympathisches Lächeln ist nichts mehr wert, wenn die Software dahinter aufwallende Wut oder Angst detektiert. Wenn Emotionen offen zutage liegen, werden zwischenmenschliche Beziehungen distanzlos und gerade deswegen manipulierbar. Menschen müssen ihre wahren Gefühle verbergen können, sonst sind sie anderen schutzlos ausgeliefert.

Wie denken Sie darüber? Bitte schreiben Sie mir unter