Gutmaschinen: Stiftung für eine bessere Zukunft – und soziale KIs
Als Werkzeug ist künstliche Intelligenz, ähnlich wie so viele andere technologische Innovationen, ein zweischneidiges Schwert. Sie kann, je nach Konstruktion, Training und Anwendung, die Welt produktiv mitgestalten – oder den Untergang der Menschheit dramatisch beschleunigen. Die neuen Maschinen könnten dazu beitragen, nicht nur bürokratische Abläufe zu vereinfachen, sondern auch wissenschaftliche Durchbrüche zu vollziehen. Allerdings höhlt generative KI, als Lieblingsspielzeug mächtiger Autokraten wie Donald Trump und Xi Jinping, schon jetzt per Brainwashing und Deepfakes die Demokratie aus. Warnende Stimmen sehen bereits einen KI-gestützten neuen Faschismus heraufdämmern.
Die Digitalisierung dürfe nicht „totalitär werden“, sagt auch der Physiker und Philosoph Armin Grunwald, der im Deutschen Ethikrat sitzt und im Bundestag für Technikfolgenabschätzung zuständig ist. Die grassierende Tech-Hörigkeit grenze an Götzenverehrung, wirft der Psychiater Thomas Fuchs ein. Die Technologie habe den Menschen zu dienen, nicht andersherum, mahnt der Jurist Paul Nemitz. Kritisches Denken dürfen wir uns nicht abnehmen lassen, denn nicht selbst nachdenken zu müssen, bedeute auch Autonomie zu verlieren, sagen der Psychologe Gerd Gigerenzer und der Theoretiker Matthias Pfeffer. Letzterer fügt kühl hinzu: Und dann sei die Demokratie tot. Auch deshalb müsse Europa dringend Technologien entwerfen, die hiesigen Werten folgen, meint die Juristin Christiane Wendehorst. All jenen, die meinen, dieser Zug sei abgefahren, entgegnet sie nur: „Das können wir uns nicht leisten.“
Die zitierten Personen sind Mitglieder eines von US-Konzernen unabhängigen 16-köpfigen Rats, der das Rückgrat eines am kommenden Montag im Wiener MuseumsQuartier zu präsentierenden Forums namens „The Future Foundation“ bilden wird. Die Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann begründet damit eine wissenschaftlich fundierte Zukunftsvision für Europa. Sie sagt: „Wir brauchen in Sachen KI mehr Realismus, fundiertes interdisziplinäres Wissen und Verstehen – und neue Narrative, die über die Dark Science Fiction hinausgehen.“ Die Future Foundation will Leitlinien zu dringenden und zukunftsweisenden Fragen des guten Lebens in einer digitalen Welt erarbeiten. Im Zentrum stehen die Sicherung der Menschenwürde und das Ziel, die digitale Entwicklung human und demokratisch zu gestalten. Mit „10 Regeln für eine digitale Welt“ geht man an den Start: Sie bilden das Fundament der Arbeit der Future Foundation.
Risikominimierende Systeme
In einem großen profil-Interview, das Anfang August erschienen ist, hat Sarah Spiekermann ihre Initiative bereits angekündigt und von ihrer langjährigen Arbeit an einer streng wertebasierten KI berichtet, die der Methode des Value-based Engineering folgt. In den vergangenen 20 Jahren sei unglaublich viel Wissen gesammelt worden, mit dem man „risikominimierende Systeme“ bauen könne. Wer auf dieses Wissen in der Informatik nicht zurückgreife, handle „schlichtweg verantwortungslos“. Es müsse auch im Feld der KI um „die Anerkennung der Würde und des Wertes der menschlichen Person, ihrer kreativen und ethischen Potenziale“ gehen, darum, die Zukunft schöpferisch zu gestalten, gegen blinden Fortschrittsglauben und deterministische Weltbilder, gegen Fatalismus und Resignation zu arbeiten.

Sarah Spiekermann
gegen blinden Fortschrittsglauben und deterministische Weltbilder
Die zehn Gebote der Future Foundation kreisen um Grundlegendes: Man dürfe digitale Technik nicht zum Selbstzweck erheben und Maschinen keine Menschlichkeit zuschreiben. Man müsse „Raum für Muße und analoge Begegnung“ schaffen, den Erhalt sozialer und demokratischer Kompetenzen garantieren. Die Natur dürfe für den technischen Fortschritt nicht zerstört, Menschen nicht als „bloße Datenobjekte“ behandelt werden. Es gelte, unsere menschlichen Potenziale zu hegen und die Grenzen der Technik nicht zu verleugnen. Regel Nummer neun: „Nutzt Maschinen nicht, um die Freiheit Anderer zu untergraben.“ Und die letzte Leitlinie lautet: „Verhindert Machtkonzentration und garantiert Teilhabe.“ Der politische Angriff auf die technologische Barbarei hat begonnen.