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Martin Puntigam: Liebe ist kälter als der Tod

Liebe ist kälter als der Tod

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Es ist traurig, wenn Liebe erkaltet,
Es ist furchtbar, wenn Liebe vergeht,
Doch wie kann man von Liebe erwarten,
Dass sie immer und ewig besteht.
Nur ich liebe jede auf immer,
Ganz ohne mir das Leben zu erschweren,
Und ich werde geliebt, und wie ich das mach?
Das will ich Ihnen jetzt erklären!

In seinem Chanson „A Bidla Buh“ beklagte Georg Kreisler die Unbeständigkeit zutraulicher Gefühle in heterosexuellen Beziehungen, die bei zunehmender Abnahme der Zuneigung mit Verlust der Lebensqualität und schlimmstenfalls Traumatisierung einhergehen kann. Gleichzeitig wusste der gewitzte Entertainer aber Rat. Gegen die galoppierende Entfremdung vom Partner empfahl er geplante Obsoleszenz des einst geliebten Gegenübers, m. a. W. zügig eingeleitetes und aktiv betriebenes Ableben der Konkubine.

Die gute Laune, mit der Georg Kreisler sein so immer wiederkehrendes Junggesellendasein besingt, ist allerdings nur selten anzutreffen, wenn Menschen, die einander sehr geliebt haben, bemerken, dass sie das nicht mehr tun.

Wenn Liebe vergeht, und man hat verabsäumt, sich rechtzeitig voneinander zu trennen, dann schlägt sie oft um in Hass. Und dabei zeigt sich wieder einmal die effiziente Raumplanung der Evolution. Damit im Gehirn das Areal, das für die Repräsentation von Liebe zuständig ist, nicht in Zwangsurlaub geschickt werden muss, kann dort die Produktionsstraße umgestellt und genauso gut Hass hergestellt werden, und zwar für dieselben Adressaten. Womit wir lieben, können wir auch hassen. Aus TV-Krimis weiß man, dass es nicht selten Arbeit für die Bestattung gibt, wenn man nicht rechtzeitig den Weg zum Scheidungsrichter antritt.

Wobei Mord am Intimpartner oder der -partnerin, der sogenannte Intimizid, relativ selten vorkommt. Schon allein deshalb, weil rund zwei Drittel aller Mordversuche nicht gelingen. Dafür wird man in der Schule nicht ausgebildet, viele kommen über den Amateurstatus nie
hinaus oder es fehlt der Ehrgeiz für Spitzenleistungen auf dem Gebiet.

Wenn also jemand mit einem Messer auf Sie zukommt, könnten Sie ihm, statt davonzulaufen, vom Mord abraten, denn ein Drittel Erfolgsquote ist nicht sehr hoch. Wenn auch die Wahrscheinlichkeit, dass man vom eigenen Partner oder der Partnerin ermordet wird, relativ gering ist, so ressortieren die meisten Bluttaten doch in Familie und Freundeskreis. Statistisch gesehen wird man zu 80 Prozent von einem Verwandten oder Bekannten getötet. Das heißt, wenn man gewaltsam abgelebt wird, dann hat man seinen Mörder eventuell seinerzeit zur eigenen Hochzeit eingeladen.

Wenn es doch zum Intimizid kommt, sind die Beweggründe, zur Tat zu schreiten und die irdische Wanderschaft des Gegenübers abzuknappen, bei Männern und Frauen übrigens ziemlich unterschiedlich. Wieder statistisch betrachtet natürlich.

Frauen, wenn man so will, morden ganz anders als Männer. Männer greifen eher zur Schusswaffe, Männer machen vorher oft Lärm, wollen, dass man sie bemerkt in ihrem Drang. Frauen hingegen summieren jahrelang jede Kleinigkeit, jede Demütigung, jeden Tiefschlag, jede Enttäuschung, jede Lüge, jede Schmach, jede Verletzung bis hin zu einer Höchstbemessungsgrundlage und schlagen dann, wenn es reicht, wenn sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen, von einem Moment auf den anderen zu. Für den Mann geschieht das oft aus heiterem Himmel, wie aus dem Nichts. Da kann eine harmlose Bemerkung reichen, mit der man als Mann schon dutzende Male davongekommen ist, plötzlich ist es ein Mal zuviel. Dann folgt aber nur sprichwörtlich ein sauberer Schnitt, denn Frauen greifen seit rund 200 Jahren mehrheitlich zu Gift.

Dass man mit der Motorsäge filetiert und im Keller einbetoniert wird, ist zwar schon vorgekommen, aber eher die Ausnahme. Der Fall wurde aufgrund der besonderen Brutalität als jener der „Wiener Eislady“ über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Vom Standpunkt der Bemühungen, mehr Frauen in Männerberufe zu bringen, stellt das natürlich einen Rückschlag dar. Seit Jahrzehnten wird gejammert, dass so viele junge Frauen immer wieder nur Friseurin werden wollen oder Kosmetikerin, und wenn dann eine betonieren kann, ist es auch nicht recht.

Männer als Täter agieren nicht ganz so unerwartet für ihre Partnerinnen, dafür öfter.

Also, sie ermorden eine Partnerin natürlich auch nur ein Mal, da setzt die Biologie Grenzen, aber statistisch betrachtet ist bei mehr als 90 Prozent der gewalttätigen Menschen im Reisepass in der Rubrik Geschlecht eingetragen: männlich.

Warum ermorden Männer ihre Frauen? Der Psychiater Andreas Maneros und sein Team an der Universität Halle-Wittenberg haben 80 Intimizide untersucht und Erstaunliches herausgefunden, was die Menschen im Einzelnen antreibt.

Mord aus Gier, etwa weil man scharf aufs Erbe ist, was in Fernsehkrimis immer wieder zu Überstunden im Morddezernat führt, ist in freier Wildbahn kaum anzutreffen. In nicht einmal zwei Prozent der Fälle wurde die Partnerin, die man später ermordet, wegen des Besitzes geheiratet. Wenn es allerdings passiert, dann wird das Ableben des Intimpartners schon vor der Hochzeit geplant. Das heißt, für „Bis dass der Tod euch scheidet“ gibt es in dem Fall bei der Eheschließung schon ein Datum. Auch das letale Sexualdelikt, das auf dem Krimimarkt im Buchhandel die Kassen klingeln lässt, ist im echten Leben extrem selten. Häufiger ist da der Zufall am Werk. In rund einem Fünftel der Fälle kommt es zur Tötung, weil es unglücklicherweise dazu kommt. Viele Taten geschehen im Affekt, aufgrund von mangelnder Selbstkontrolle, und plötzlich liegt die Partnerin röchelnd am Boden. Man kann sicher nicht sagen, es wäre eigentlich lieb gemeint gewesen, nur leider blöd ausgegangen, aber sehr viele Morde sind eigentlich keine, weil keine Planung zugrunde liegt. Oft spielt dabei auch Substanzabhängigkeit eine Rolle, welche die Fertigkeit, die eigenen Impulse zu beherrschen, schmälert.

Sieger aller Klassen beim einschlägigen Heimdrehen ist allerdings die erschütterte Selbstdefinition, das zerstörte Selbstbild des Täters. Wenn der Mann fürchtet, die Partnerin, die mit ihm jahrelang zusammengelebt hat, zu verlieren, dann kann es sehr gefährlich werden für die Frau. Und es ist umso gefährlicher, je länger die Beziehung bereits dauert. Während One-Night-Stands das Selbstbild des Mannes nur selten so erschüttern, dass er zum Äußersten greift, erhöhen viele gemeinsam verbachte Jahrestage die Chance aufs Krachengehen erheblich. Warum sind nicht Eifersucht oder Rache wegen Untreue stärkere Motive? Das hängt damit zusammen, dass viele Menschen sich stark über ihre Beziehung definieren. Es gibt allerlei Möglichkeiten, ein Selbstbild zu zimmern, man kann sich über seine Arbeit definieren, über seine Hobbys oder eben über die Beziehung.

Und wenn die Beziehung scheitert, wird dieses Selbstbildnis ins Wanken gebracht, dann fürchten manche Männer um ihren „sexuellen Besitzstand“ und verändern sich. Es gibt mehrere Phasen, in denen die Situation immer dramatischer werden kann, und wenn schließlich das Gefühl der Ausweglosigkeit überhandnimmt, kann es sogar zur Opfer-Täter-Umkehr kommen. Nicht der Mann fühlt sich dann schuldig, weil er Mordgedanken gegenüber seiner Partnerin hegt, sondern sie ist schuld, weil sie die Beziehung zerstört. An ihm würde es nicht liegen, aber sie lässt ihm leider keine Wahl. Wann ist es so weit?

Intimizid erinnert ein wenig an das, was der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Thessalonicher schreibt: „Der Tag des HERRN wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.“ Anzeichen, dass der Termin näher rückt, gibt es aber natürlich. Wenn der Mann seine Partnerin immer wieder attackiert, ist das ein deutliches Reifezeichen, und wenn er sie dabei würgt, ist die Mordabsicht schon stärker ausgeprägt, als wenn er sie ohrfeigt. Ob das schon als Trost gelten kann, wenn einem nach einer derartigen Attacke, frei nach Edmund Sackbauer, 14 Tage der Schädel wackelt, muss allerdings bezweifelt werden.

Kann man eigentlich Risikofaktoren benennen, die ein gewaltsames Ableben für eine Frau grundsätzlich wahrscheinlicher machen?

Sie werden staunen, man kann, und Sie werden noch mehr staunen, mangelnde Schul- und Berufsausbildung erhöhen die Neigung zum Intimizid nicht. Im Gegenteil.

Ein deutlich erhöhtes, nämlich neunmal so hohes Risiko, vom Partner in den Holzpyjama geschickt zu werden, haben auch nicht Frauen, die mit ihrem Mann in einer kaputten Ehe feststecken und einander schon lange nichts mehr zu sagen haben, sondern solche, die in einer nichtehelichen, aber festen Beziehung leben. Das sollten Männer, die sich nicht ganz sicher sind, ob sie wirklich landen werden, vielleicht beim Heiratsantrag gleich dazusagen, dass sich im Weiteren durch diese Verehelichung die Überlebenschancen der Angebeteten dramatisch erhöhen. Wenn keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind, steigert das die Gefahr ebenfalls, und, das hat der Psychologe Todd K. Shackelford in mehreren Studien bestätigt gefunden, die Gefahr steigt mit fortschreitendem Alter. Während alte Ehepaare so gut wie nie etwas zur Mordrate beizutragen haben, ist bei nichtehelichen, festen Beziehungen das mittlere Lebensalter für einen Intimizid die beste Zeit. Noch dazu ist die Gefahr eines Mordes umso größer, je größer die Altersdifferenz ist. Trotzdem könnte noch alles gut gehen, wenn man in der Stadt lebt. In Großstädten stehen Intimizide sozusagen auf der roten Liste. Am Land ist der Body-Count höher. Warum? Weil dort Schlachten noch üblicher ist? Nein. Man weiß es nicht genau, vermutet aber, dass in einer kleinen Gemeinde, in der einander alle kennen und in der die Geschlechterrollen noch relativ traditionell zugeordnet werden, eine Erschütterung des Selbstbildes, der gesellschaftlichen Position schneller bedrohlich für den Betroffenen wird, zumal, wenn vielleicht auch die wirtschaftliche Lage in der Gegend ohnedies schon länger aufs Gemüt drückt.

Das heißt zusammengefasst: Eine Frau in mittleren Jahren, die zu einem deutlich älteren Partner auf Land ziehen, ihn aber nicht heiraten möchte, sollte davor sicherheitshalber ihre Hinterlassenschaft geregelt haben. Quasi das Missing Manual für „Bauer sucht Frau“.

Martin Puntigam
ist Solokabarettist und Master of Ceremony der „Science Busters“, die demnächst live zu sehen sind: 7., 8., 14., 15.12. Rabenhof Wien; 10.12. Posthof Linz; 11.12. Danubium Tulln; 12.12. Kikas Aigen/Schlägl; 18.12. Orpheum Graz; 20. und 21.12. ARGEkultur Salzburg; 22.12. Stadtsaal Wien. Auf ORF eins läuft die neue Staffel ab 9.12. jeden Dienstag ab 22.55 Uhr; Puntigam solo „Supererde“: 3. bis 5.1.2015 Kabarett Niedermair.

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Foto: Monika Saulich für profil