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profil 8/1985: „Jörg Haider über Steger, Reder, Auschwitz und Soldatentum“

Der Beginn einer langen, schwierigen Beziehung: Als profil den neuen Rechten der FPÖ, einen gewissen Jörg Haider, besser kennenlernte.

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Mir fällt schon die Begrüßung schwer“, leitete profil-Chefredakteur Helmut Voska im Februar 1985 sein Interview mit Jörg Haider ein. Es war das erste Gespräch zwischen Österreichs bekanntestem Rechtspopulisten und diesem Magazin, viele weitere sollten folgen. Haider war damals FPÖ-Landesrat in Kärnten, und Voska fragte: „Sagt man hier im braunen Winkel Österreichs noch ,Grüß Gott‘ oder begrüßt man Sie, Herr Landesrat, hier in Deutsch-Kärnten schon mit ,Heil Hitler‘ oder ,Sieg Heil‘?“.
Es ist eine Einstiegsfrage, wie sie heute nicht mehr denkbar wäre, und Ähnliches lässt sich über Haiders Antworten sagen. Im Interview gibt der damals 36-Jährige Einblick in sein rechtsextremes Denken, geschichtsrevisionistisches Weltbild inklusive. Im Fragestil einer juristischen Anklage hakt Voska nach, die Antworten sind knapp, aber vielsagend.

Haider setzt sich für verurteilte Kriegsverbrecher ein, den SS-Sturmbannführer Walter Reder etwa.  Für seine Rolle als Befehlshaber bei Massakern an Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, wurde Reder in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt – und nach seiner Freilassung vom damaligen FPÖ-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager mit Handschlag in Österreich empfangen. Haider bescheinigt Reder, „als Soldat seine Pflicht getan“ zu haben; zwischen den Gräueln des Vernichtungslagers Auschwitz und dem Bombardement von Dresden will er keinen Unterschied machen, hier wie dort seien  „Menschen Opfer einer falschen Politik“ gewesen. Den Holocaust bezeichnet Haider als „Vorgänge, die nicht zu akzeptieren sind“, auf bohrende Nachfrage entfährt ihm schließlich genervt: „Wenn Sie so wollen, dann war es halt Massenmord.“

Ausschnitt aus dem Interview

Haider war das Symptom eines im Kern braun gebliebenen Österreichs, in dem Regierungsvertreter Nazi-Kriegsverbrecher mit Handschlag begrüßten und viele Täter von einst ein gutes Leben in Wohlstand führten. „FPÖ: Nazi-Partei?“, fragte das profil vom 18. Februar 1985, in dem dieses Interview erschien – am Cover eine Deix-Karikatur von FPÖ-Politikern vor einer Torte in Form eines Hakenkreuzes. Jörg Haider sieht aus wie die „Reinkarnation des HJ-Rotzbuben des Jahres 1938“, wie ihn Voska im Interview beschreibt.

Jörg Haider
Haider

Es war der Beginn einer langen, schwierigen, häufig auch umstrittenen Beziehung. Kein anderer Politiker war öfter auf dem Cover des profil abgebildet als Jörg Haider. Rund 50 Mal schaffte er es auf die Titelseite, vier davon sogar noch nach seinem Tod im Jahr 2008. Zum Dauer-Coverboy des profil wurde Haider in den 1990er-Jahren. Die Schlagzeilen waren allesamt kritisch, profil war trotzdem massiver Kritik ausgesetzt. Das Magazin sei zum „Haider-Macher“ geworden, lautete der Vorwurf. Auch Haiders Wahlkampfmanager Gernot Rumpold behauptete gern, jedes einzelne Cover habe ihm Stimmen gebracht.

Die Vorwürfe waren so hartnäckig, dass profil im Jahr 2002 das Meinungsforschungsinstitut OGM mit einer Studie zu der Frage beauftragte, ob Haider die journalistische Aufmerksamkeit wirklich nützte. Das OGM kam zu dem Schluss, dass die FPÖ in Umfragen auch dann zulegte, wenn kaum über Haider berichtet wurde. An Zustimmung verlor die Partei hingegen, wenn Skandale thematisiert wurden.
In ganz Europa bekannt wurde Haider spätestens im Jahr 2000, als die bei der Nationalratswahl nur drittplatzierte ÖVP eine Koalition mit der zweitplatzierten FPÖ einging. profil druckte ein schwarzes Cover mit dem Titel „Die Schande Europas“, weswegen nicht wenige Politiker aus dem konservativen Lager noch jahrelang schmollten.

Nach einem zeitgenössischen Aufschrei wegen des Haider-Interviews vom Februar 1985 sucht man hingegen umsonst. Offenbar konnte sich weder die ÖVP noch die SPÖ, die damals in einer Koalition mit der FPÖ steckte, über Haiders Ausfälle empören. So gesehen ist es kein Wunder, dass Haider trotz der harten Einstiegsfrage sitzen blieb. So konnte er die Grenzen des Sagbaren austesten und bald feststellen: Im Österreich des Jahres 1985 waren diese sehr weit gefasst.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.