Stormy im Wasserglas

Stormy Daniels und Donald Trump: Stormy im Wasserglas

Kleine Ablenkung von den Ermittlungen in Donald Trumps Russland-Affäre gefällig? Vielleicht ein Sexskandal mit einem Pornostar? Der US-Präsident enttäuscht uns nicht.

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Dieser Text erschien im profil Nr. 08 / 2018 vom 19.02.2018.

Es geht um eine Geschichte, die nach historisch gültigen Standards das Potenzial hätte, das Weiße Haus, Washington, die USA und den Rest der Welt zu erschüttern. Allerdings hat Donald Trump aus diesen Standards längst das gemacht, was er eigentlich mit dem Freihandelsabkommen Nafta vorhatte: Schnipsel. Angesichts der von ihm geprägten Skandalskala nimmt sich die Affäre geradezu anrührend konventionell aus. Oder steckt noch mehr dahinter?

Der Plot: US-Präsident Donald Trump soll im Jahr 2006, also lange vor seiner politischen Karriere, eine sexuelle Beziehung mit der Pornodarstellerin Stephanie Clifford, bekannt unter ihrem Künstlernamen "Stormy Daniels", gehabt haben. Trump war damals bereits mit seiner aktuellen dritten Ehefrau Melania verheiratet, die im selben Jahr den gemeinsamen Sohn Barron zur Welt brachte. Trump und Clifford lernten einander am Rande eines Wohltätigkeits-Golfturniers in Nevada kennen. Er war damals ein 60 Jahre alter, milliardenschwerer Geschäftsmann, sie war 27 und antwortete auf seine Einladung, mit ihm zu Abend zu essen und auf sein Hotelzimmer zu kommen, nach eigenen Angaben: "Ja, natürlich!" Der Sex war nach Angaben von Clifford einvernehmlich, Geld floss keines.

Wie wurde die Affäre bekannt?

Clifford gab 2011 dem US-Magazin "In Touch" ein Interview, in dem sie ihre Beziehung zu Trump sehr detailliert schilderte.

Weshalb erfuhr die Öffentlichkeit dennoch erst jetzt davon?

Das Interview blieb zunächst unveröffentlicht. Trumps Anwalt Michael D. Cohen soll dem Magazin damals mit Klagen gedroht haben. Das behaupteten ehemalige Angestellte von "In Touch" anonym gegenüber der Agentur Associated Press.

Was weiß man über Stephanie Clifford alias Stormy Daniels?

Viel. Die 39-Jährige aus Louisiana ist alles andere als eine beliebige Pornodarstellerin, sondern ein Star des Genres. Als Stormy Daniels hat sie zahlreiche Ehrungen erfahren, ist Mitglied der Hall of Fame mehrerer Porno-Institutionen wie etwa des Branchenmagazins Adult Video News (AVN) und der Pornokritiker-Organisation XRCO. Sie gewann zwei Mal den Titel "Beliebteste Brüste" und wurde auch mehrmals für ihre Arbeit als Regisseurin von Pornofilmen ausgezeichnet. Clifford war zwei Mal verheiratet und hat eine Tochter.

Wie beschreibt sie die Beziehung zu Donald Trump?

Durchaus entspannt. In dem Interview mit "In Touch" stellt sie die rhetorische Frage: "Wer würde eine Gelegenheit auslassen, mit einem so interessanten Mann zu reden?" Trump sei beim ersten Treffen sehr eingebildet gewesen, habe dauernd von sich gesprochen und ihr ein Magazin-Cover gezeigt, auf dem er abgebildet war. Es sei einer der besten Aspekte ihres Jobs, "so viele faszinierende, verrückte Leute zu treffen". Keine schlechte Charakterisierung des späteren US-Präsidenten.

Clifford hatte einen Freund, Trump war verheiratet. Sie trafen einander noch ein paar Mal. Er nannte sie "honeybunch" (Schätzchen) und stellte ihr in Aussicht, sie in seiner TV-Sendung groß herauszubringen, woraus jedoch nichts wurde.

Was sagt das Weiße Haus zu all dem?

Es dementiert die Geschichte und entgegnet, Clifford habe selbst ihre Darstellung widerrufen.

Und wie kommentiert Clifford die Veröffentlichung?

Zunächst sagte sie erstaunlich wenig. Allerdings ließ sie als Gast der Late-Night-Show "Jimmy Kimmel" durchblicken, dass sie an einen Vertrag gebunden sei, der ihr Stillschweigen auferlege. Über einen solchen Vertrag berichtete die Tageszeitung "The Wall Street Journal". Clifford habe demnach im Jahr 2016 130.000 Dollar von Donald Trumps Wahlkampfteam bekommen, damit sie nicht über die Affäre spreche. Auch das bestritt Trumps Team - bis schließlich der langjährige Anwalt des US-Präsidenten, Michael Cohen, zugeben musste, Clifford 130.000 Dollar überwiesen zu haben. Allerdings beteuerte er, dass dies sein eigenes Geld gewesen sei und mit Trump und dessen Wahlkampagne nichts zu tun gehabt habe.

Aus welchem Grund hätte er Clifford aus eigener Tasche 130.000 Dollar überweisen sollen?

Eine gute Frage, die sich möglicherweise auch Cohens Ehefrau schon gestellt hat.

Weshalb hieß es Mitte vergangener Woche plötzlich, Clifford werde sich doch über die Affäre äußern?

Gina Rodriguez, die Managerin von Clifford, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass ihre Mandantin nicht länger an die im Vertrag vereinbarte Schweigepflicht gebunden sei, weil Cohen öffentlich gemacht hatte, Clifford Geld überwiesen zu haben. Damit habe er den Vertrag gebrochen. "Yes, Stormy is going to talk", twitterte Rodriguez.

Welche Tragweite hat der Skandal?

Eigentlich keine besonders große. Außerehelicher Sex zieht keinerlei strafrechtliche Konsequenzen nach sich, es besteht weder der Verdacht auf Prostitution noch auf sexuellen Missbrauch. Die Vorwürfe, denen Trump bisher ausgesetzt war, wiegen weitaus schwerer: Mindestens 19 Frauen beschuldigen den US-Präsidenten diversen sexuellen Fehlverhaltens. Allerdings dürfte Trumps Ehefrau Melania über das, was sie durch Cliffords bisherige Enthüllungen erfahren musste, einigermaßen wütend sein. Laut Medienberichten sagte Melania ihre Reise an der Seite von Donald zum Weltwirtschaftsforum in Davos im vergangenen Monat aus diesem Grund ab. Bei Trumps Ansprache "State of the Union" am 30. Januar kamen die beiden in getrennten Fahrzeugen zum Kapitol. Über den Zustand der Ehe wird heftig spekuliert.

Kann es sein, dass der Fall doch noch für die Justiz interessant wird?

Ja. Anwalt Michael Cohens Behauptung, er habe die Zahlung an Clifford selbst getätigt und niemand habe ihm das Geld erstattet, soll den Verdacht zerstreuen, es handle sich um Schweigegeld in Trumps Auftrag. Wenn Cohen die 130.000 Dollar allerdings bezahlt hat, um Trumps Wahlkampf vor einer potenziell desaströsen Enthüllung zu schützen, könnte dies als unerlaubte Wahlkampfspende gelten. Entsprechende Anzeigen hat die NGO Common Cause, die sich für die Transparenz politischer Institutionen einsetzt, beim Justizministerium und der Bundeswahlbehörde eingebracht. Es existiert auch ein Präzedenzfall in der Geschichte der US-Präsidentschaftswahlkämpfe, der ausjudiziert wurde: John Edwards, einer der Kandidaten der Demokraten im Vorwahlkampf 2008, wurde beschuldigt, über eine Million Dollar dafür aufgewendet zu haben, die Schwangerschaft seiner Geliebten zu vertuschen. Edwards verteidigte sich, er habe nichts von den Ausgaben gewusst. Die Anklage umfasste sechs Delikte, darunter Verschwörung und Falschaussage. Er wurde in einem Punkt freigesprochen, in den anderen kam es wegen Formalfehlern zu keiner Entscheidung und zu keinem weiteren Prozess.

Kann Trump diese Affäre zu Fall bringen?

Kaum. Allerdings bergen allfällige Ermittlungen immer die Möglichkeit, dass Trump eine Falschaussage macht. Vielleicht sind auch noch nicht alle Aspekte des Skandals bekannt, Clifford weiß möglicherweise mehr, als sie bisher gesagt hat. Jedenfalls sollte die religiöse Wählerschaft von Donald Trump die Abendnachrichten meiden, wenn sie nicht mit Pornografie in Kontakt geraten möchte.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur