Brexit-Chaos: EU-Abgeordnete sehen Schuld bei britischer Regierung

Europaabgeordnete forderten Klarheit von London: "27 EU-Länder sind einig, in Großbritannien ist nichts einig".

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Europaabgeordnete haben mehrheitlich die britische Regierung für das Chaos um den Brexit verantwortlich gemacht. In einer Debatte am Mittwoch in Straßburg forderten sie Klarheit von London und gaben dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier ihre Rückendeckung. "27 EU-Länder sind einig, in Großbritannien ist nichts einig", sagte der deutsche Europaabgeordnete Elmar Brok.

Theresa May sei nicht mehr in der Lage eine konstruktive Lösung zu finden, so der CDU-Politiker. "Ich sehe kaum noch Spielraum", sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber, der um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kandidiert. "Wenn die Briten Neuverhandlungen wünschen, haben wir auch das Recht, mit neuen Forderungen zu kommen." Er sehe auch niemanden in der EU, der meine, "dass sich der britische Ansatz durch besondere Cleverness auszeichnet", meinte der Politiker der bayerischen CSU. Die Botschaft für die EU-Wahlen laute nun: "Folgen Sie nicht den Sirenen der Populisten!"

Diese große Nation schlafwandelt auf die Klippe zu

Der italienische Sozialdemokrat Roberto Gualtieri sagte: "Der Brexit ist ein historischer Fehler, weil das britische Volk schlechter dasteht." Ein Austrittsantrag könne zwar zurückgezogen oder die Frist für den Austritt verlängert werden, doch dürfe damit "nicht Zeit vergeudet werden". Ein solcher Grund wäre etwa ein zweites Referendum über den Brexit in Großbritannien. Großbritannien müsse nun eine klare Vision aufzeigen, "um den Weg aus den gefährlichen Gewässern zu finden". "Diese große Nation schlafwandelt auf die Klippe zu", sagte der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer.

Der Tory-Abgeordnete und Fraktionschef der Europäischen Konservativen und Reformer, Syed Kamall, sagte, die Gegner des Brexit-Abkommens befürchteten, auf ewig in einer Zollunion mit der EU zu bleiben. "Einige sprechen über das Hotel California: Man kann immer auschecken, aber niemals weggehen." Der andere Grund für das mehrheitliche Nein des britischen Unterhauses sei, dass die Labour-Opposition die Regierung stürzen wolle. "Wir sind in einer kritischen Phase des Prozesses."

Der Liberalen-Chef Guy Verhofstadt zeigte sich von dem Londoner Abstimmungsergebnis nicht überrascht. "Der Brexit begann als Zickenkrieg in der Tory-Partei, er ist heute ein existenzielles Problem Großbritanniens geworden." Die EU wolle nun alles tun, um die Bürgerrechte zu schützen. Verhofstadt warnte, Großbritannien nicht zu weit entgegenkommen. Europa müsse nun aufpassen, um nicht den politischen Grabenkampf aus Großbritannien zu übernehmen. "Auch wenn das Königreich mehr Zeit braucht, wäre es ein schlechte Idee, den Austritt auf ein Datum nach der Wahl zum Europaparlament zu verschieben." Denn damit wüssten Firmen und Bürger weiter nicht, wie es weitergehe.

Grünen-Chef Philippe Lamberts plädierte für ein zweites Referendum und verteidigte das niedergestimmte Austrittsabkommen als "einzig mögliches Ergebnis".

Ein Erpresserdokument

Auch der Wortführer der Brexit-Bewegung und frühere Chef der EU-Austrittspartei UKIP, Nigel Farage, machte Premierministerin Theresa May für das Debakel verantwortlich. Das Austrittsabkommen mit der EU sei "ein Erpresserdokument". Farage: "Wenn May ein Quäntchen Ehre hätte, wäre sie schon zurückgetreten."

An den Brexit-Chefverhandler der EU, Michel Barnier, gerichtet, sagte Farage: "Sie haben uns genau dorthingebracht, wo sie uns haben wollten." Großbritannien werde ein unabhängiges Land werden, "welcher Preis ist denn zu hoch für die Freiheit?" Sollte die Verhandlungsfrist für einen Austritts-Deal verlängert werden, könne es sein, dass UKIP noch einmal in den Europawahlkampf ziehe. Zugleich warnte Farage vor einem zweiten Referendum. "Wenn man uns in die Ecke drängt, kommt ein Löwe auf sie zugesprungen. Wenn Sie uns zu einer zweiten Volksabstimmung zwingen, werden wir eine noch größere Mehrheit finden."

Die britische Abgeordnete Janice Atkinson, die für UKIP ins Europaparlament einzog, später aber von der Partei ausgeschlossen wurde, sagte in Anklang an einen Wahlkampfslogan von US-Präsident Donald Trump an die Adresse der EU: "Wir brauchen euch nicht. Lasst uns gehen und Großbritannien wieder großartig machen."

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