Europarat: Fidesz muss Angriff auf profil-Journalistin erklären

Die ungarische Regierung muss dem Europarat erklären, warum sie Tschinderle in Hauptnachrichtensendung diffamierte.

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Die Welle an Solidaritätsbekundungen nach dem Angriff des Fidesz gegen profil-Journalistin Franziska Tschinderle war enorm. Nun liegt der Fall beim Europarat – und die ungarische Regierung muss sich erklären.

Der Angriff der ungarischen Regierungspartei auf die profil-Redakteurin Franziska Tschinderle hat eine regelrechte Welle an Solidaritätsbekundungen für die Journalistin ausgelöst. Zuletzt hat sich die Vereinigung Europäischer Journalisten (Association of European Journalists, AEJ) eingeschaltet. Ihrem Repräsentanten für Medienfreiheit William Horsley gelang es, den Fall Tschinderle auf die Ebene des Europarates zu heben.

Auf dessen Plattform für den Schutz verfolgter Journalisten werden Verfolgungen und Einschüchterungen gesammelt und veröffentlicht. Nach dem Prinzip „name and shame“ müssen die betroffenen Regierungen – in diesem Fall die ungarische – dann Stellung nehmen, was nicht gerade angenehm ist. Tschinderle ist die sechste österreichische Journalistin, die auf der Plattform genannt wird, in Ungarn gibt es insgesamt bereits 18 Fälle.

„Ignorant und un-europäisch“

„Die AEJ, und insbesondere unser Media-Freedom-Mann, der Ex-BBC-Korrespondent William Horsley, war maßgeblich an der Einrichtung der Plattform zum Schutz von Journalisten unter dem Dach des Europarats beteiligt“, sagt Edward Gamper Steen, Generalsekretär der AEJ. „Ich glaube, dass sie nach und nach diese Art von Verhalten entmutigen wird, jedenfalls in der EU. Selbst hier scheint das Verhalten von politischen Führern wie Viktor Orban zunehmend normal. Das ist es nicht, es ist zutiefst unzivilisiert, ignorant, und un-europäisch."

Zuvor hatten der Presseclub Concordia, Reporter ohne Grenzen, das International Press Institute und der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg den Angriff auf Tschinderle verurteilt.

Was war geschehen?

Vor zwei Wochen recherchierte Franziska Tschinderle gemeinsam mit ihrer Kollegin Siobhán Geets über das Bestreben rechter Parteien, eine große Fraktion im Europaparlament zu gründen. Für ihren Artikel schrieben die beiden profil-Journalistinnen einige Rechtsparteien an, darunter auch die Fidesz-Delegation im Europaparlament.

Doch anstatt die Fragen zu beantworten, reichte Fidesz sie kurzerhand an das ungarische öffentlich-rechtliche Fernsehen weiter. Im Nachrichtensender M1 wurde Tschinderle daraufhin als „Amateurjournalistin“ bezeichnet, deren Fragen „naiv“ wären. Gezeigt wurde nicht nur das E-Mail mit den Fragen an Fidesz, sondern auch ein Foto von Tschinderle und Screenshots von einigen ihrer Artikel.

Insgesamt fünf Fernsehbeiträge

In den Tagen darauf folgten vier weitere Fernsehbeiträge; auch der ungarische Außenminister beteiligte sich an der Diffamierungskampagne. Péter Szijjártó behauptete, Tschinderle würde „Fake News“ gegen sein Land verbreiten. Zu diesem Zeitpunkt war die Geschichte über die Rechtsaußen-Fraktion allerdings noch gar nicht erschienen.

Tschinderle und Geets betonen, dass sie sich selbstverständlich nicht von der absurden Kampagne der ungarischen Regierung abschrecken ließen. „Wir werden weiterhin über den Abbau von Demokratie in Ungarn berichten“, so Tschinderle.

Und: „Es geht hier nicht nur um profil oder Österreich. Es geht hier vor allem auch um die Kolleg:innen, die so etwas täglich oder wöchentlich erleben müssen. Ihnen gilt unsere volle Solidarität! Ihnen müssen wir weiter zuhören.“