Harris-Berater über Biden: „Er hat uns in die Scheiße geritten“

Von Siobhán Geets
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Als Joe Biden auf ihn zukommt, spürt George Clooney einen Knoten im Magen. Es ist der 13. Juni 2024, und der weltbekannte Schauspieler ist nach Los Angeles gereist, um die Demokraten bei einem Fundraising-Event zu unterstützen. Als Joe Biden, merklich gealtert und gestützt von einem Mitarbeiter, den Raum betritt, ist Clooney erschüttert. „Danke, dass Sie gekommen sind“, sagt Biden. Offenbar weiß der US-Präsident nicht, wer Clooney ist, dabei kennen die beiden einander seit fast 20 Jahren.
Joe Biden macht wieder Schlagzeilen, und das liegt nicht nur an der kürzlich bekannt gewordenen Krebsdiagnose. Die Begegnung mit Clooney ist eine von vielen Szenen in dem eben erschienenen Buch „Hybris“ der US-Journalisten Jake Tapper und Alex Thompson, die beschreiben, wie schlecht es um die geistige Gesundheit Bidens während seiner Präsidentschaft stand. Auf knapp 400 Seiten beschreiben die Autoren, wie Bidens engstes Umfeld bis zuletzt versuchte, die kognitiven Probleme des Präsidenten zu vertuschen.
Auf den Spuren einer folgenschweren Niederlage
Für ihr Buch wollen CNN-Anchorman Jake Tapper (rechts) und Axios-Korrespondent Alex Thompson mit rund 200 Menschen aus dem Umfeld der Demokraten gesprochen haben. Als "Ursünde" bezeichnen sie Bidens Antritt zur Wiederwahl.
Demnach fielen Biden die Namen langjähriger Vertrauter nicht mehr ein, er verwechselte seine Minister, und schließlich habe sein Team überlegt, ob er für eine zweite Amtszeit einen Rollstuhl brauchen würde. Um Biden von der Außenwelt abzuschirmen, hätte sein engster Kreis, allen voran Ehefrau Jill, einen Kokon um den Präsidenten gesponnen. Eine anonyme Quelle aus Bidens Team wird mit der Behauptung zitiert, man habe sogar versucht, Biden von seinem eigenen Kabinett abzuschirmen, damit sein Zustand nicht auffällt.
Wir sind als Partei dermaßen betrogen worden.
David Plouffe
Berater im Wahlkampfteam von Kamala Harris
Dass Biden dennoch als Kandidat der Demokraten gegen Donald Trump antrat, bezeichnen die Autoren als „Ursünde“. „Wir sind als Partei dermaßen betrogen worden“, sagt David Plouffe, der 2008 Barack Obamas Wahlkampf leitete und nach Bidens Ausstieg aus dem Rennen für eine „Rettungsmission“ in Kamala Harris’ Team geholt wurde. „Er hat uns total in die Scheiße geritten.“
Endgültig offensichtlich wurde Bidens kognitiver Verfall bei der TV-Debatte gegen Trump Ende Juni. Immer wieder verlor er den Faden, brachte Dinge durcheinander, starrte mit leerem Blick vor sich hin. Der Kokon, den seine Leute um ihn gesponnen hatten, riss, in der Demokratischen Partei brach blanke Panik aus, doch Bidens Team blieb dabei: Alles in Ordnung, er habe nur einen schlechten Tag gehabt. Drei Wochen später trat Biden schließlich doch zurück, Vizepräsidentin Kamala Harris übernahm die Kandidatur – und scheiterte im Rennen um das Weiße Haus gegen Donald Trump.
„Das ist VERRAT auf höchster Ebene!“
„Hybris“ läuft auf die Frage hinaus, wie viel Schuld Biden und sein engster Kreis an der Wiederwahl Trumps tragen. Und die Autoren stellen die Frage, was unternommen werden muss, damit so etwas nicht noch einmal geschieht. Denkbar wäre etwa ein neues Gesetz, mit dem das Weiße Haus verpflichtet würde, regelmäßig wahrheitsgetreu über den Gesundheitszustand des Präsidenten zu informieren.
Unter Trump wird das eher nicht geschehen.
Der aktuelle Mann im Weißen Haus fordert „sehr harte“ Strafen für Bidens engsten Kreis, der das Land in „große Gefahr“ gebracht habe. „Das ist VERRAT auf höchster Ebene!“, donnerte er am Dienstag auf seiner Plattform „Truth Social“. Bidens Team habe dessen geistige Schwäche ausgenutzt, um seine eigene Agenda durchzusetzen: die Grenzen zu Mexiko zu öffnen, damit Kriminelle ins Land strömen.
„Diese verräterischen Verbrecher wollten unser Land zerstören“, behauptet er, „aber ich habe das verhindert!“
Und Joe Biden? Der ist nach wie vor davon überzeugt, dass er Trump im Rennen um das Weiße Haus geschlagen hätte.
Die Abrechnung
Jake Tapper, Alex Thompson, dtv Verlag. 400 S., EUR 20,60

Siobhán Geets
ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.