Am 7. Oktober durchbrachen Hamas-Kommandos an mehreren Stellen die Grenzen zu Israel und ermordeten dort mehr als 1300 Menschen.
Nahost-Konflikt

Nahost-Konflikt: Wer ist wer?

Der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern dauert seit Jahrzehnten und wurde im Lauf der Jahre immer noch komplexer und auswegloser. Einige Antworten auf zentrale Fragen.

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Was ist die Hamas?

Die Hamas ist eine radikal-islamische (sunnitische) Terrororganisation, die vorwiegend im Gaza-Streifen aktiv ist. Zu ihren deklarierten Zielen zählt die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung eines islamischen Staates auf dessen Territorium. Die Organisation ging 1987 – in Abgrenzung zur säkularen Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO Jassir Arafats – aus der Muslimbrüderschaft hervor. Seit 1993 verübt sie immer wieder Attentate auf israelische Militäreinrichtungen und zivile Ziele, Friedensverhandlungen lehnt die Hamas laut ihrer Gründungscharta ab, den Staat Israel erkennt sie nicht an. Sie besteht aus einer politischen Partei und einem militärischen Arm, den Kassam-Brigaden. Ihr Mitbegründer und langjähriger Anführer Ahmad Yasin wurde 2004 bei einem israelischen Raketenangriff getötet, ihre derzeitigen politischen Führungskader leben im Exil in Katar, Kairo und Istanbul.

Ist sie demokratisch gewählt?

Bei den Wahlen zur palästinensischen Autonomiebehörde im Jänner 2006 erhielt die Hamas – die sich dabei erstmals einer Wahl stellte – die absolute Mandatsmehrheit. Daraufhin stoppten die USA und die EU, die die Hamas als Terrororganisation einstufen, ihre Finanzhilfe für die Palästinensergebiete. Die Spannungen zwischen den palästinensischen Parteien eskalierten daraufhin zu einem Bürgerkrieg, in dem die Hamas im Juni 2007 die alleinige Kontrolle über den Gaza-Streifen übernahm, während die Fatah im Westjordanland regiert.

Wer steht auf Seiten der Hamas?

Offene diplomatische und finanzielle Unterstützung für die Hamas kommt insbesondere aus dem Emirat Katar; über eine klandestine Militärhilfe aus dem Iran und aus Russland wird spekuliert. Der türkische Präsident Recep Tayipp Erdogan steht zumindest Teilen der Hamas-Führung nahe, nach den Terroranschlägen vom 7./8. Oktober brachte er sich aber als Vermittler zwischen Hamas und Israel ins Spiel.

Wer ist die Hisbollah?

Die Hisbollah – arabisch: „Partei Gottes“ – ist eine politische und militärische, schiitische Organisation im Libanon, die dort Mitte der 1980er-Jahre mit Unterstützung aus dem Iran entstanden ist. Heute stellt sie, unter der Führung ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah, in dem Land einen wichtigen Machtfaktor dar. Mehrere Länder, darunter die USA, Großbritannien und Deutschland, stufen die Hisbollah als Terrororganisation ein. Hisbollah-Milizen greifen immer wieder israelische Stellungen an der Grenze zwischen Libanon und Israel an; im Sommer 2006 kam es in der Region zum sogenannten Libanonkrieg. Der Iran unterhält nach wie vor enge, auch militärische Beziehungen zur Hisbollah; auch Russland und China unterstützten Hisbollah-Milizen in der Vergangenheit mit Waffenlieferungen.

Ist Gaza besetzt?

Der Gaza-Streifen, in dem auf rund 360 Quadratkilometern mehr als zwei Millionen Menschen leben (zum Vergleich: Wien ist rund 415 Quadratkilometer groß), steht seit 1994 unter palästinensischer Verwaltung und ist seit dem Abzug israelischer Soldaten und Siedler im Jahr 2005 weitgehend autonom. Israel hält aber die Land- und Seegrenzen im Norden, Osten und Westen des Gazastreifens – nach Phasen der relativen Öffnung – seit 2007 mit wenigen Ausnahmen geschlossen, Ägypten jene im Süden. Der Küstenstreifen war nach der Niederlage des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg zunächst britisches Protektorat, ab1948 unter ägyptischer Herrschaft. Im Sechstagekrieg 1967 wurde er von Israel erobert.

Schauplätze eines Krieges

Am 7. Oktober drangen Hamas-Kommandos vom Gaza-Streifen aus nach Israel ein und ermordeten dort an mehreren Orten (in der Karte rot eingezeichnet) mehr als 1300 Menschen. Im Zuge ihrer Vergeltungsschläge forderte die israelische Armee die Einwohner von Gaza auf, das Gebiet nördlich des Wadi Gaza zu evakuieren.

Wie hängen das Westjordanland und Gaza zusammen?

Im Westjordanland, das wie der Gazastreifen im Sechstagekrieg 1967 von Israel besetzt und nach mehreren Verhandlungsrunden ab 1993 zu einem palästinensischen Autonomiegebiet wurde, regiert die mit der Hamas politisch konkurrierende Fatah des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas. Zusammen bilden Westjordanland (alias Westbank) und Gazastreifen den Staat Palästina, der von der UN-Vollversammlung 2012 den Beobachterstatus zuerkannt bekam. De facto aber sind die Palästinensergebiete Gaza (Hamas) und Westbank (Fatah) derzeit aber auch politisch getrennte Einheiten.

Warum unterstützen Österreich und die EU die Palästinenser in Gaza?

Die Europäische Union – und in diesem Rahmen auch Österreich – ist der wichtigste internationale Geldgeber der palästinensischen Autonomiegebiete. Die Unterstützung zielt – neben humanitären Motiven – auch auf den diplomatischen Ausgleich zwischen Israel und Palästinensern ab: „Das Ziel aller Anstrengungen der Europäischen Union ist weiterhin die Wahrung der Option einer Zwei-Staaten-Lösung, ein dauerhafter Frieden und ein Leben in Sicherheit, Unabhängigkeit und Würde für Israelis und Palästinenser“, formuliert das Außenministerium. Die internationale Entwicklungshilfe soll die Bildung staatlicher Institutionen in den Autonomiegebieten fördern und unterstützen, auf deren Basis weitere Friedensverhandlungen stattfinden sollen.

Gibt es noch Friedensverhandlungen?

Seit dem dritten Gaza-Konflikt 2014 mit massivem Raketenbeschuss auf Israel durch die Hamas und militärischer Interventionen Israels im Gaza-Streifen ist der Friedensprozess zwischen Israel und Palästinensern weitgehend zum Stillstand gekommen. Im Jänner 2020 präsentierte der damalige US-Präsident Donald Trump gemeinsam mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu einen neuen Friedensplan, der aber mit der palästinensischen Seite nicht akkordiert und von dieser auch nicht anerkannt wurde.

Was ist die Zwei-Staaten-Lösung?

Seit Mitte der 1970er-Jahre wird in verschiedensten Konstellationen – unter Beteiligung der Vereinten Nationen, der USA, Russlands und auch der EU – über eine Beilegung des Nahostkonflikts verhandelt. Die international favorisierte (und im sogenannten „Oslo-Prozess“ ab 1991 eingeleitete) Option ist die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung, die auf die Bildung eines unabhängigen Staates Palästina neben dem Staat Israel abzielt. Über die konkreten Grenzen zwischen den beiden Staaten, insbesondere im Westjordanland und in Ostjerusalem, konnte bis dato aber keine Einigung erzielt werden. Zuletzt scheiterten israelisch-palästinensische Friedensgespräche 2013/2014 unter anderem an der Frage, wie mit den jüdischen Siedlungen im Westjordanland umzugehen sei.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.