Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) trifft den israelischen Premier Benjamin Netanyahu am Mittwoch, 25. Oktober 2023, in Tel Aviv
Nahost-Konflikt

Nehammer in Israel: Das Bangen der Geiseln

Kanzler Karl Nehammer trifft in Israel nicht nur Politiker, sondern auch Gilad Korngold, den Vater einer Hamas-Geisel. profil hat die Familie porträtiert.

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist heute Mittwoch zu Besuch in Israel. In seinen Begrüßungsworten betont der Kanzler: „Israel hat jedes Recht, sich selbst zu verteidigen – in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht.“ Er verurteilte den Terror der Hamas und forderte die Freilassung der Geiseln.

Bei dem Überfall der radikalislamistischen Hamas am 7. Oktober wurden 1.400 Menschen getötet und rund 220 verschleppt. Die Hamas nutzt die Geiseln als Faustpfand und als Druckmittel, eine herannahende Bodenoffensive doch noch zu verhindern. Die Geiselnahmen sind außerdem Teil einer psychologischen Kriegsführung. Die Hamas hofft, dass die Angehörigen der Familien Druck auf die Regierung ausüben. Mehrere Familien wurden von den Terroristen per Telefon oder Nachricht kontaktiert. 

Mit einer dieser Familie trifft Nehammer am Mittwoch in Israel zusammen. Neben dem israelischen Präsidenten Yitzhak (Isaac) Herzog sowie Premier Benjamin Netanjahu steht heute Abend ein Gespräch mit Gilad Korngold auf der Agenda.

Korngold ist der Vater von Tal Shoham, ein 38-Jähriger, der am 7. Oktober von Hamas-Terroristen verschleppt und im Gazastreifen als Geisel gehalten wird. Shoham ist israelisch-österreichischer Doppelstaatsbürger. Seine Großmutter kam in Wien zur Welt und wurde Ende der 1930er-Jahre von den Nazis vertrieben.

Korngold muss nicht nur um seinen Sohn, sondern mindestens acht weitere Mitglieder der Familie bangen. Insgesamt drei Generationen wurden am 7. Oktober verschleppt – von Shohams 67-jähriger Schwiegermutter bis zu seiner erst drei Jahre alten Tochter. Die Großfamilie kam am Wochenende des 7. Oktober im Kibbuz Beeri im Süden Israels zu einer Feier zusammen. Dort verübten die Hamas-Kämpfer ein beispielloses Massaker, brannten Häuser nieder und töteten auch Kleinkinder und Säuglinge. 

Angehörige hoffen auf Wien 

Profil hat mit Angehörigen und Freunden der Familie gesprochen. Den Beitrag lesen Sie hier.

Die Angehörigen appellieren im Gespräch mit profil auch an die österreichische Bundesregierung.

„Findet Sie und bringt sie uns zurück. Sie haben nichts Falsches getan“, sagt Ziv Beker, 45, der Nachbar von Tal Shoham.

„Wir bitten auch Österreich um Hilfe. Unsere Familien sind eng mit Europa verbunden. Wir wollen sie zurückhaben“, sagt Noa Tamir, 39, eine entfernte Verwandte, die in Berlin lebt.

Nehammer plant im Zuge des Besuchs auch ein ausführliches Telefonat mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas.

Israel geht seit dem Massaker mit Luftangriffen gegen die Hamas im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums knapp 5.800 Menschen getötet. Diese Zahl kann jedoch nicht unabhängig überprüft werden. Die humanitäre Lage im Gazastreifen gilt als katastrophal. Es fehlt nach UNO-Angaben vor allem an Treibstoff, Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten. In dem Palästinensergebiet befinden sich laut Außenministerium derzeit mehr als 30 Österreicherinnen und Österreicher samt Angehörigen.

 

 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.