Die britischen Autofahrer stellen sich im ganzen Land um Benzin an.

Warum der Brexit das Weihnachtsfest der Briten gefährdet

Müssen bald Soldaten eingesetzt werden, um die Transportkrise abzuwenden?

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Einst war er dort Chefredakteur, heute wendet sich das Blatt gegen ihn: "Ausgebrannt" ("Running on Empty"), titelt "The Spectator", das rechte Wochenmagazin der Brexitversteher, und zeigt den britischen Premier Boris Johnson, wie er rennt und rennt - aber "ohne Treibstoff und Ideen".

Das ist wortwörtlich zu verstehen. Die britischen Autofahrer stellen sich wie zuletzt während des Ölschocks in den 1970er-Jahren im ganzen Land um Benzin an. Auch in Supermärkten bleiben Regale leer. Die Krise ist aber, wie die Regierung versichert, nicht den höheren Energiepreisen geschuldet. Es hapert schlicht an Lkw-Fahrern. 100.000, um genau zu sein.

40.000 gehen auf die Kappe von Covid, weil Führerscheinprüfungen in den Lockdowns nicht durchgeführt werden konnten. Weitere 25.000 Fahrer fehlen, weil die Trucker aus der EU ausbleiben. Seit dem Brexit ist Freizügigkeit für Personen und Güter abgesagt. Es kostet mehr Zeit und Geld, Zolldokumente und Formulare auszufüllen - die Fahrer vom Kontinent sparen sich das oft, wenn sie ihre Route durch Europa planen.

Premier Boris Johnson nimmt das B-Wort nicht in den Mund und schiebt alles auf die Pandemie. Doch die Folgen des EU-Austritts wird er nicht so schnell los. "Diese Krise ist eine direkte Konsequenz des Brexits, das wird niemanden überraschen", sagt der ehemalige Brexit-Verhandler der EU Michel Barnier, als er im britischen Thinktank "Chatham House" sein Buch vorstellt: "Mein geheimes Brexit-Tagebuch".

All das wäre politisch für Boris Johnson verkraftbar, würde es nicht gefährden, was den Briten heilig ist: Weihnachten.

Wer soll genügend Truthähne schlachten und liefern?

Wer soll genügend Truthähne für das traditionelle Fest schlachten und liefern? Um Weihnachten zu retten, hat der Premierminister das Militär beauftragt, Soldaten für Transporte einzusetzen. Nach dem schmählichen Abzug aus Afghanistan sind in der Armee Kapazitäten frei. Die Regierung stellt außerdem 5000 temporäre Arbeitsvisa für Lkw-Fahrer aus der EU und 5500 Facharbeitervisa für gewisse Branchen wie Geflügelzerteiler aus.

Supermarkt-Manager fordern mindestens 15.000 Lkw-Fahrer, um Engpässe zu vermeiden. Die Trucker-Gewerkschaft will außerdem bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Es gibt auf britischen Autobahnen zu wenig Versorgungspunkte und Schlafstellen für Lkw-Fahrer. Nicht zu reden von 15-Stunden-Tagen mit kurzen Pausen und geringer Bezahlung.

Im nächsten Akt des Trucker-Dramas wird sich deshalb erst einmal zeigen, ob Fahrer aus der EU überhaupt noch Interesse an den Arbeitsvisa haben. Nicht nur auf der Brexitinsel, auch in der EU sind Arbeitskräfte derzeit heiß begehrte Mangelware.

Tessa   Szyszkowitz

Tessa Szyszkowitz