SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner
Ballhausplatz 19

Eva-Maria Holzleitner im Chat: „Bin kein Fan von Krautfleckerl“

SPÖ-Vizeklubchefin und Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner über sozialdemokratische Leitkultur und was eine Vermögenssteuer finanzieren kann.

Drucken

Schriftgröße

Die Volkspartei will Österreich vor einer Identitätskrise bewahren. Bundeskanzler Karl Nehammer beauftragte Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab, die österreichische Leitkultur zu definieren. Geplant sind repräsentative Umfragen, runde Tische und eine Studie, in welche die Perspektive von Lehrerinnen, Krankenhauspersonal oder Polizisten einfließen soll.

In der gestrigen „Zeit im Bild 2“ hat ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker den Vorstoß seiner Partei verteidigt. Sie wolle österreichische Sitten und Gebräuche nicht wie anfangs formuliert in ein Gesetz schreiben, sondern mit Experten ausarbeiten, ob die österreichische Leitkultur sich in den Gesetzen widerspiegelt. Dabei hat die Volkspartei auch Migrant:innen im Blick: „Jene, die zu uns kommen, sollen wissen, wie wir unsere Identität begreifen.“

Die stellvertretende SPÖ-Klubchefin und Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner (30) kritisiert im profil-Chat, dass der ÖVP-Diskurs um die österreichischen Werte ideologisch geprägt sei und liefert ein rotes Gegenbild.

Elena Crisan

Was ist sozialdemokratische Leitkultur?

Eva-Maria Holzleitner

Politik und Gestaltung von gutem Zusammenleben anhand unserer Grundwerte: Gleichheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität

Elena Crisan

Die rote Devise lautet: Österreich wieder gerecht machen. Aber wie ungerecht kann ein Land sein, das zu den OECD-Ländern mit den höchsten öffentlichen Sozialausgaben gehört? Nur Frankreich und Italien geben mehr für Pensionen, Gesundheit und Familien aus.

Eva-Maria Holzleitner

Der österreichische Wohlfahrtsstaat ist eine wichtige sozialdemokratische Errungenschaft dazu zählt genauso die Schulbuchaktion oder die Schüler*innenfreifahrt, der offene Hochschulzugang. Das ist uns wichtig, um Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Egal, aus welchem Elternhaus ein Kind kommt.

Eva-Maria Holzleitner

Von Frankreich können wir aber auch noch was lernen: dort gibt es kostenlose Verhütungsmittel für junge Menschen

Elena Crisan

Die SPÖ will eine Vermögenssteuer einführen. Haben Sie eine vollständige Liste aller Dinge, die mit den geschätzten 6 Milliarden finanziert werden sollen?

Eva-Maria Holzleitner

Ganz zentral wäre, das Gesundheitssystem wieder gut aufzustellen - da wollen wir investieren. Um zB auch die Ärzt*innengarantie binnen 14 Tage zu ermöglichen. Zusätzlich könnte man die Steuern auf Arbeit für Arbeitnehmer*innen senken, wenn es eine Vermögenssteuer gäbe.

Elena Crisan

Können Sie mit der Vermögenssteuer Steuersenkungen garantieren?

Eva-Maria Holzleitner

Andi Babler hat das schon klargestellt - Vermögenssteuer führt zu besserer Finanzierung des Gesundheitssystems und Steuerentlastungen für die Vielen. :)

Elena Crisan

Aber wenn man alle Projekte zusammenzählt bleibt nicht nur nicht viel für die Entlastung des Faktors Arbeit über, sondern die Rechnung geht sich nicht aus: Allein in den Transformationsfonds für die CO2-freie Wirtschaft will Parteichef Babler 20 Milliarden Euro investieren.

Eva-Maria Holzleitner

Den Transformationsfonds braucht es unabhängig von der Vermögensbesteuerung. Österreich hat viel Industrie, daran hängen Arbeitsplätze und Menschen. Die sind uns als SPÖ nicht egal. Arbeitsplätze halten und klimafit werden sind Zukunftsfragen, die JETZT beantwortet werden müssen.

Elena Crisan

Wie die SPÖ all das finanzieren will, ist dennoch nicht ganz schlüssig.

Eva-Maria Holzleitner

Österreich muss, wenn nicht in eine klimafitte Zukunft investiert wird, Strafzahlungen leisten. Die könnten wir uns somit sparen ;) Ökonomisch muss man auch den return of investment sehen - zB wissen wir ja, dass jeder Euro, der in Kinderbildung investiert wird, mehrfach retour kommt.

Elena Crisan

Kommen wir retour zur österreichischen Leitkultur, mit deren Erarbeitung Bundeslanzler Karl Nehammer Ministerin Susanne Raab beauftragt hat. Sie haben die Expert:innengruppe kritisiert. Aber muss eine Gesellschaft denn nicht Werte des Zusammenlebens definieren?

Eva-Maria Holzleitner

Die ÖVP verwechselt mit ihrer Kampagne politische Ideologie mit ernsthafter Diskussion. Wir haben kritisiert, dass eine strikte Abtreibungsgegnerin eingeladen wurde. Soll das ein Wert sein? Über Frauenkörper zu entscheiden? Für uns passt das nicht zusammen. 

Leitkultur ist definitiv mehr, als die veröffentlichten Sujets andeuten.

Elena Crisan

Viele Frauen aus Syrien, Somalia und Afghanistan ziehen zu ihren Vätern und Ehemännern nach. Von ihnen wird verlangt, sich zu integrieren. Sind Leitlinien, die auch gewisse Freiheiten garantieren, nicht gerade für sie wichtig?

Eva-Maria Holzleitner

Allen Frauen alle Rechte. Das ist ganz klar!

Gerade deshalb steht die Zusammensetzung der Gruppe in der Kritik.

Elena Crisan

Gibt es etwas „typisch Österreichisches“, womit Sie sich überhaupt nicht identifizieren können?

Eva-Maria Holzleitner

Bin kein Fan von Krautfleckerl 🥬 aber ich liebe Ripperl

Elena Crisan

Am Samstag feiert Ihre Partei ihr 150-jähriges Bestehen. Bereits in den Gründerjahren war die SPÖ von internen Auseinandersetzungen geprägt. Kann die SPÖ gar nicht anders als gespalten zu sein?

Eva-Maria Holzleitner

Wir sind eine breite Bewegung mit vielen verschiedenen Perspektiven 😉 die SPÖ hat in den letzten 150 Jahren viel umsetzen können alles aufzuzählen würde den Chat sprengen, aber exemplarisch ein paar Punkte: Fristenregelung, Gleichbehandlungsgesetz, die Stärkung von Frauen in der Arbeitswelt, etc.

Daran wollen wir weiterarbeiten mit Lohntransparenz, einem Nationalen Aktionsplan Frauengesundheit, Schwangerschaftsabbruch raus aus dem StGB uvm.

Elena Crisan

Machen die vielen Perspektiven es einer als Frau schwerer, an die Spitze zu kommen? Alle neun Landes-SPÖ-Chefs sind männlich.

Eva-Maria Holzleitner

Als SPÖ-Frauen stehen wir an der Seite unserer Genossinnen als Klubchefinnen in Tirol, OÖ, Vorarlberg, als Bürgermeisterinnen (wo wir in Salzburg 2 dazugewinnen konnten), als Landesrätinnen, Mandatarinnen. Und: wir wollen mehr werden!

Elena Crisan

Frau Holzleitner, danke für Ihre Perspektive!

Eva-Maria Holzleitner

Ich sag danke! :) Mag dieses Format sehr!

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.