Nikolaus Kowall kandidierte für die SPÖ
Ballhausplatz 46

Nikolaus Kowall: Vorzugsstimmen-System „nicht zu knacken“

SPÖ-Kandidat Nikolaus Kowall hat den Nationalratseinzug verpasst. Nun kritisiert er die Hürden im Kampf um Vorzugsstimmen.

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Es sollte ein SPÖ-interner Wahlkampf zwischen Alt und Neu sein, den Nikolaus Kowall auf sich nahm. Kowall, der auch gerne einmal gegen das rote Establishment rebelliert, kandidierte auf eigene Faust für den Nationalrat. Und das mit Erfolg: Fast 8000 Wähler:innen unterstützten den 42-Jährigen mit ihrer Stimme. Mehr Stimmen gewann in Wien nur die Grüne Spitzenpolitikerin Alma Zadić. Kowall über holte gar seine Parteirivalin Doris Bures, die nur 3478 Kreuzerl bekam. Dennoch darf Bures in den Nationalrat einziehen, und Kowall bleibt die Chance verwehrt. Das hat strukturelle Gründe. 

In Österreich wählen die Bürger:innen nicht direkt ihre Repräsentanten im Parlament. Diese Reihung nehmen die jeweiligen Parteien vor. Nur über Vorzugsstimmen können Kandidaten nach oben katapultiert werden dies kommt allerdings relativ selten vor. Daran scheiterte es auch in diesem Fall für Nikolaus Kowall. Doris Bures, die auf Platz 1 der Wiener Landesliste stand, kommt nun direkt in den Nationalrat. Ihr Konkurrent Nikolaus Kowall sammelte zwar mehr als doppelt so viele Stimmen wie sie, trotzdem verpasst er den Einzug. Kowall hätte 10 Prozent aller Wiener SPÖ-Stimmen gebraucht, um vom 20. Listenplatz aufzusteigen. Im Chat mit profil kritisiert er die hohen Hürden aber auch seine eigene Partei.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Was ist wichtiger: Wahlkämpfen bei den Bürger:innen oder in der eigenen Partei?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Die österreichische Wahlordnung verleitet dazu, dem Wahlkampf in der eigenen Partei den Vorzug zu geben.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Sie haben hinter Alma Zadić von den Grünen die meisten Vorzugsstimmen in Wien gesammelt und kommen trotzdem nicht ins Parlament. Finden Sie das unfair?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Ich habe vor allem innerhalb der SPÖ Wien die mit Abstand meisten Vorzugsstimmen erhalten. Unfair ist der falsche Begriff, weil mir die Rahmenbedingungen im Vorhinein klar waren. Die letztlich benötigten 22.000 wären nur unter extremen Umständen zu erreichen gewesen. Aber ich denke, die Schwächen der Wahlordnung werden schon ersichtlich, wenn eine Kampagne, die viel Aufmerksamkeit generiert und 200 Freiwillige aktiviert, dann trotz recht guter Performance keinen Unterschied macht.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Aber warum haben Sie die Reihung Ihrer Partei (Platz 20 der Wiener Landesliste) nicht einfach akzeptiert?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Habe ich ja. Ich habe mich in die Reihung gar nicht eingemischt, weil ich das Feilschen im Hintergrund ablehne. Ich wollte lieber mit offenem Visier in den demokratischen Wettbewerb eintreten und das habe ich nun getan. Dennoch konnte ich nur ein Drittel der benötigten Stimmen erreichen. Wenn es bisher niemand geschafft hat und jemand, der eine so aufwendige Kampagne vom Stapel lässt wie ich, auch weit entfernt ist, dann liegt es wohl daran, dass das System nicht zu knacken ist.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Ist die Hürde zu hoch?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Das System ist zu kompliziert. Es gibt drei verschiedene Ebenen für Vorzugsstimmen und mich haben z.B. im Regionalwahlkreis 16% der Leute via Kreuzerl gewählt, aber nicht einmal die Hälfte dieser 3.000 Personen hat mich wirklich ins zweite Kastl geschrieben. Das war aber das eigentliche Rennen. 

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Dann kommen noch etliche Leute, die mich in Wien versehentlich auf Bundesebene reingeschrieben haben. Ich werde also insgesamt rund 10.000 Stimmen bekommen haben. Das ist aber immer noch nicht einmal die Hälfte der erforderlichen 10% der Parteistimmen. Insofern denke ich, dass die Hürden deutlich zu hoch sind.

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Die Bevölkerung hat bei uns keinen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments. Ich kann zwischen Parteien entscheiden, aber wen die Parteien schicken, ist ihre Sache und die Hürden für Vorzugsstimmen sind so hoch, dass Umreihungen in der Praxis nicht vorkommen.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Jede Stimme für Sie war im Endeffekt eine für Doris Bures. Ist das all Ihren Wähler:innen recht?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Das müssen Sie mir erklären? Doris Bures stand ja sowieso auf Platz 1. Ich habe doppelt so viele Vorzugsstimmen erreicht, das ist schon ein Signal. Zumal sie in den letzten vier Wochen auch aktiv um Vorzugsstimmen geworben hat. Es sind zweifelsfrei Stimmen für die SPÖ und in meinem Wahlkreis Wien Innen West haben wir die größten Zuwächse in ganz Österreich erreicht. Insofern ist es ein Signal, dass eine progressive SPÖ gerade in Wien ein Leiberl hat.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Also war Ihr Wahlkampf auch eine Protestaktion?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Mein Wahlkampf war und das war sicher nicht ganz leicht zu kommunizieren auf Bundesebene eine Ergänzung des sozialpolitischen Kurses der Babler-SPÖ. Ich habe die Frage gestellt, wie wir das, was wir verteilen möchten, erwirtschaften können, habe das mit einer ökologischen Industriepolitik in Verbindung gebracht und dazu ein Buch geschrieben. Innerhalb Wiens, wo ich seit je kein Liebkind der Parteigranden bin, war es ein Rennen zwischen alter und neuer SPÖ. Und in diesem Rennen habe ich jedenfalls Punkte gemacht.

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Also insofern waren es zwei parallele Wahlkampf-Botschaften, wobei erstere deutlich mehr Raum eingenommen hat. Ich habe auch fünf Buchlesungen in der Wahlkampagne gemacht.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Was schließen Sie daraus für Sie persönlich? Bleiben Sie in der Sozialdemokratie zuhause?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Der Punkt ist, als Sozialdemokrat kann man sich das schlecht aussuchen 😉. Ja, ich bleibe. Politische Veränderung in so großen gewachsenen Organisationen ist ein Marathon. Ich laufe diesen seit 2007. Ich habe noch Atem für ein paar weitere Kilometer übrig.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Die SPÖ hat an Nichtwähler:innen verloren und in den Städten von den Grünen dazugewonnen. Wie soll sich so jemals eine linke Mehrheit im Nationalrat ausgehen?

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Das ist ein echtes Problem. Von den Grünen zu gewinnen, bringt der SPÖ etwas, aber Österreich nichts. Wir sind hier mit internationalen Megatrends konfrontiert, die Großwetterlage in Europa macht rot-grüne Mehrheiten von Frankreich über Deutschland und Holland bis Österreich vollkommen unmöglich. Aber es ist auch einiges hausgemacht. 

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Erstens haben wir zehn verschiedene Wahlkämpfe geführt (neun Länder und der Bund) anstatt an einem Strang zu ziehen. Zweitens hatten wir bis in die heiße Phase mit innerparteilichen Querelen und Skandalen zu kämpfen. Und drittens brauchen wir eine andere Sprache. 

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Trotz der rhetorischen Betonung der Lebensrealitäten durch Andi Babler dringen wir hier nicht durch. Da muss man sich einiges überlegen. 

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Aber man darf sich in Anbetracht der europaweiten Stimmung auch keinen Illusionen hingeben: Es ist für rot-grün gemeinsam mehr drinnen als die jetzigen 30%, aber sicher keine Mehrheit.

profil-Redakteurin Elena Crisan
Elena Crisan

Den langen Atem werden Sie also brauchen. Herr Kowall, danke für den Chat!

Porträt von Nikolaus Kowall
Nikolaus Kowall

Danke für das Interesse und Auf Wiedersehen!

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.