Morgenpost

Niki Kowall, die linke Konkurrenz für Doskozil und Rendi-Wagner

Was der dritte Kandidat für den SPÖ-Parteivorsitz bedeutet und welche Qualifikationen er mitbringt

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Derzeit hat die ÖVP wirklich Glück. Eigentlich sind im Moment die Augen aller Politik-Interessierten nach Niederösterreich und auf den schwarz-blauen Koalitionspakt gerichtet. Der strotzt vor rechtsstaatlich Unvernünftigem wie der Rückzahlung der Corona-Strafen (aus guten Gründen sind ÖVP Minister skeptisch), identitätspolitischen Retro-Signalen (Anti-Gendern) und niederträchtiger Symbolpolitik wie dem Plan für Deutsch in Schulpausen, den Schuldirektorinnen und Schuldirektoren für falsch und sowieso nicht durchsetzbar halten. Über derartige Tribute an den Machterhalt empören sich viele – doch die SPÖ tut der ÖVP den Gefallen, von der unangenehmen Diskussion abzulenken.

Heute mittags versammelt sich wieder das SPÖ-Parteipräsidium, um zu besprechen, wie denn die Premiere Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz ablaufen soll. Schon jetzt ist klar: Nicht friedlich. Denn aus dem Doskozil-Lager im Burgenland wird Harry Kopietz, Urgestein der SPÖ Wien, als Vorsitzender der Wahlkommission (gewählt am letzten Parteitag) abgelehnt, sehr zum Zorn der Wiener. Damit nicht genug: Aus dem Zweikampf um die SPÖ-Spitze wird ein Mehrkampf, Pamela Rendi-Wagner und Hans-Peter Doskozil bekommen Konkurrenz von links. Niki Kowall, Gründungsmitglied und jahrelanger Vorsitzender der legendär-aufmüpfigen Sektion 8 in Wien, will ebenfalls kandidieren. Und begründet das in einem 17-teiligen Tweet so: Rendi-Wagner und Doskozil seien beide ungeeignet, dem „rechten Populismus Einhalt zu gebieten“ - er selbst hingegen stehe für eine „moderne SPÖ“, Umverteilung und Arbeitszeitverkürzung.

Mit Kowalls Kandidatur kommt der SPÖ-Showdown weg vom Befindlichkeits-Drama – und hin zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Der Volkswirt Kowall und seine Mitstreiter aus der Sektion 8 mauserten sich vor einem Jahrzehnt in der Banken- und Wirtschaftskrise zu Wortführern des linken Flügels in der SPÖ. Produzierten Thesenpapiere zu Steuer- und Gerechtigkeitsfragen, tourten damit zu SPÖ-Sektionen quer durch die Bundesländer und gingen der SPÖ-Spitze gehörig auf die Nerven. Im Jahr 2011 brachte die Sektion 8 gegen den Willen der Wiener SPÖ einen Antrag für die Abschaffung des „kleinen“ Glücksspiels ein – und erhielt dafür überraschend die Mehrheit. Vor allem bei Jungen war die Sektion 8 mit ihrer Mischung aus lässigem Rebellentum und tiefschürfender ökonomischer Analyse  attraktiv – sie gewann immer wieder den Preis für die meisten geworbenen Neu-Mitglieder. Ab 2014 wurde es ruhiger um Kowall, er legte den Vorsitz der Sektion 8 zurück und arbeitete am Institut für Konjunkturforschung in Düsseldorf. Mittlerweile hat der 40-jährige eine Stiftungsprofessur der Arbeiterkammer in Wien und betreibt den Videoblog „Kowall redet Tacheles“, wo er meinungsstark über  Themen aller Art spricht, von Putin und der Nato bis zum Wiener Dialekt und Migration.

Kowall hat einen Fanclub in der SPÖ-Linken. Die Statutenexperten in der SPÖ werden es heute schwer haben, seine Kandidatur abzulehnen, hier ist das komplexe Prozedere beschrieben.

profil prophezeite Niki Kowall übrigens schon im Jänner 2012 eine große Zukunft. Unter dem Titel „Wer regiert uns 2030?“  waren hoffnungsfrohe Jungtalente beschrieben. Unter ihnen: Sebastian Kurz (bis 2021 Bundeskanzler). Sigrid Maurer (seit 2020 Grüne Klubobfrau). Wolfgang Hattmansdorfer (ÖVP-Landesrat in Oberösterreich). Stephan Pernkopf (ÖVP-Landesrat in Niederösterreich). Und eben Niki Kowall.

Haben Sie einen konfliktfreien Tag!

Eva Linsinger

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin