Polizei in AMS-Filiale
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Beschimpft, bedroht, attackiert: Hass auf Beamte steigt

Die Aggression gegen Österreichs Behörden nimmt zu. Beim AMS schnellten die Übergriffe seit 2020 um 45 Prozent nach oben – es gab Hausverbote, Polizeieinsätze und Gerichtsverfahren. Auch andere Ämter berichten von wachsender Feindseligkeit gegen ihr Personal. Woran liegt das?

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Gestern wurde im Wiener Hanusch-Krankenhaus ein Arzt von einer Frau mit Buttersäure attackiert. Buttersäure riecht nicht nur übel nach Erbrochenem, sie kann die Atemwege und Augen reizen und die Haut angreifen. Ob und wie schwer der Arzt durch den Angriff verletzt wurde, war noch nicht bekannt.

Vor wenigen Wochen musste ein Richter in Salzburg als Opfer vor Gericht Platz nehmen. Ein Routineverfahren an einem Bezirksgericht war eskaliert: Ein Vater drohte in einem Pflegschaftsverfahren mehrfach mit Rache, kündigte an, „morgen auf dem Gericht“ zu erscheinen und sprach offen von möglicher Gewalt.

Im Saal zerriss er Akten, warf einen Stuhl zu Boden und deutete mit der Hand einen Schlag gegen den Richter an. Das Landesgericht Salzburg verurteilte ihn zu 15 Monaten Haft, davon drei Monate unbedingt.

Als ein Wiener Bezirksamt die Wohnadresse „unter der Floridsdorfer Brücke“ nicht akzeptieren wollte, flogen Drucker und Fingerprint-Scanner durch den Raum. Ein tobsüchtiger Bürger warf auch einen Kugelschreiber herum, weil man eine Anmeldung ohne Unterschrift des Unterkunftgebers nicht akzeptieren wollte. Während der Coronapandemie kam es allein im Bezirksamt für den zehnten Bezirk zu einem Mordversuch mit einem Messer, einem Faustschlag ins Gesicht eines Beamten und einem Tritt gegen ein Schienbein.

Vorfälle wie diese sind zwar Extrembeispiele. Doch auch abseits von roher Gewalt berichten sowohl Vertreter der Richterschaft, der Staatsanwältinnen, mehrerer Bezirkshauptmannschaften und Magistrate sowie des Arbeitsmarktservices in Gesprächen mit profil, dass die Anfeindungen gegen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigen würden.

Die Pandemie als Zündstoff

„Ja, verbale Angriffe bzw. Anfeindungen haben im Allgemeinen zugenommen. (…) Corona hat etwas mit uns und unserer Gesellschaft gemacht – Umgang und Umgangston sind rauer geworden“, heißt es etwa von der Wiener Magistratsdirektion.

Betroffen sind vor allem Behörden mit direktem Bürgerkontakt, wie etwa die Fremdenbehörde, das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, die Schulen und Kindergärten und der Sozialbereich, erklärt die Salzburger Magistratsdirektion. Auch hier vermutet man die Pandemie als Ursache: Die Kinder- und Jugendhilfe sei seither etwa vermehrt „mit Fakenews, Verschwörungstheorien und irrationalem Misstrauen gegen Behörden“ konfrontiert.

Die Salzburger Sozialverwaltung berichtet außerdem von steigendem Rassismus gegenüber den Angestellten. Hier macht man die zunehmende Anspannung wegen teurer Mieten und Energiekosten verantwortlich für Aggressionen.

Besonders drastische Zahlen meldet das AMS: Während man im Jahr 2020 noch 818 Übergriffe verzeichnete, waren es im Vorjahr 1.496. 40 Hausverbote sprach das AMS 2024 aus, 118-mal kam die Polizei, sechsmal endeten Vorfälle vor Gericht.

In Sicherheit investiert

Daran änderten auch Sicherheitsvorkehrungen nichts, in die Österreichs Behörden spätestens nach dem Mord am Sozialamtsleiter von Dornbirn im Jahr 2019 investierten. Es gibt Sicherheitsschleusen, Videoüberwachung, Alarmknöpfe, gut einsehbare Beratungsräume und entsprechende Schulungen für das Personal.

Einige Staatsdiener gehen wegen der verbalen und körperlichen Gewalt jetzt in die Gegenoffensive: Die Zahl der Staatsanwälte und Richterinnen, die sich gegen Drohungen und Beleidigungen on- und offline, wehren, nimmt zu, berichtet Elena Haslinger, Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Ob die Androhung von Klagen den Bürgerzorn zu stoppen vermag? Man wird sehen.

Das ist passiert: Öffentlich Bedienstete klagen im Gespräch mit profil über eine feindselige Stimmung, die sich seit Corona verstärkt hätte. Erst gestern kam es zu einer Buttersäure-Attacke auf einen Arzt in Wien.

So lief die Recherche: Viele Bezirkshauptmannschaften führen keine genauen Statistiken zu Übergriffen oder Beleidigungen. Auch im Innenministerium erfasst man nicht, wie viele Angriffe es gegen einzelne Behörden oder Berufsgruppen gibt. Der Artikel stützt sich daher auch auf subjektive Einschätzungen von mehreren Behördenvertretern.

Das sagen andere Stellen: Es gibt auch positive Nachrichten: Die Bezirkshauptmannschaften in der Steiermark konnten keinen Anstieg bei Angriffen beobachten. Bei den ÖBB gab es generell einen Rückgang der Übergriffe. Die Anzahl der Polizisten, die im Dienst verletzt werden, steigt seit 2019 kontinuierlich an, was man im Innenministerium aber mit einem Personalhöchststand erklärt.

Konstantin Auer

Konstantin Auer

seit 2025 im Digitalteam des profil, davor bei PULS24 und Kurier. In seinen Recherchen geht es meist um soziale Ungerechtigkeiten, menschliche Abgründe und juristische Herausforderungen im Graubereich zwischen Chronik und Politik.