Symboldbild: Mann mit Kapuze.
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Burgenländische Schläger aus der „Pedo-Hunter“-Szene ausgeforscht

Selbstjustiz: Sie jagen vermeintliche Pädokriminelle und leben unter diesem Deckmantel brutale Gewaltfantasien aus. Im Frühjahr wurden 33 „Pedo-Hunter“ ausgeforscht. Doch die Szene dürfte größer sein, wie ein neuer Fall zeigt.

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Ein junger Mann fährt im Juli des Vorjahres in der Dämmerung zum alten Bahnhof in Parndorf. Er hat Pizza besorgt und will dort ein Mädchen treffen, mit dem er sich vorher über Instagram verabredet hat.

Doch plötzlich wird er brutal aus dem Auto gezerrt. Junge Männer, maskiert mit schwarzen Sturmmasken, teils mit Sand gefüllten Schlaghandschuhen ausgestattet, verprügeln ihn, schlagen mit einem Gürtel auf seine Beine ein.

Er erleidet Prellungen an den Armen, am Auge, am Knie, ein Loch im Trommelfell und eine posttraumatische Belastungsstörung. Einen seiner Schuhe findet er erst am nächsten Tag in einem Strauch wieder.

Die Täter zwangen ihn, die Chats mit dem vermeintlichen Mädchen auf seinem Handy zu löschen und drohten, sie würden ihn wieder aufsuchen, sollte er zur Polizei gehen. Er würde ansonsten seine Arbeit, seine Familie und seine Band verlieren.

Der junge Mann ging – in Begleitung seiner Eltern – dennoch zur Polizei. So kamen die Ermittlungen ins Laufen. Es stellte sich heraus: Der Account des Mädchens war gefälscht, wurde von der Gruppierung erstellt, um ihn zum Bahnhof zu locken.

Die Polizei konnte mittlerweile drei mutmaßliche Mitglieder ausfindig machen. Die Eisenstädter Staatsanwaltschaft wirft zumindest zwei von ihnen unter anderem schwere Körperverletzung vor. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die profil exklusiv vorliegt.

Der junge Mann ist nicht das einzige Opfer der Bande. Die Ermittlungen zeigten nämlich auch: Nur zwei Tage zuvor wurde am alten Bahnhof in Parndorf ein weiterer junger Mann verprügelt. Auch er wurde von einem gefälschten Instagram- Account zu dem Treffpunkt gelockt.

Videos auf Plattformen hochgeladen

Die mutmaßlichen Täter verstehen sich als „Pedo-Hunter“. Sie gehören damit einer internationalen Szene an, die sich in Selbstjustiz übt und Gewaltfantasien auslebt - alles unter dem Deckmantel einer angeblichen Jagd auf vermeintliche Pädokriminelle.

Szenetypisch sollen die jungen Burgenländer ihre Taten gefilmt und auf einschlägigen Social Media-Plattformen hochgeladen haben. Wie mit Jagdtrophäen posierten sie mit ihren erniedrigten Opfern auf Fotos, trugen dabei Sturmmasken mit Totenkopfaufdruck.

Untereinander sollen sich die Verdächtigen teilweise gar nicht gekannt haben, sich im Internet abgesprochen haben. Noch sind nicht alle Beteiligten ausgeforscht.

Bundesweite Razzia

Der Fall zeigt, dass die Szene in Österreich zahlreiche Anhänger haben dürfte. Schon im Frühjahr gab es eine bundesweite Razzia unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Graz. Die Ermittlungen dauern noch an. Was aber schnell feststand: Bei den Opfern handelt es sich nicht wirklich um Pädokriminelle.

Wie profil ausführlich berichtete, kommen einige der Verdächtigen aus der rechtsextremen oder Neonazi-Szene, teilweise wurden die Opfer gezielt auf Datingplattformen für Homosexuelle kontaktiert.

Gegen 33 Beschuldigte wird in diesem Fall noch ermittelt – unter anderem wegen versuchten Mordes, schwerer Körperverletzung und krimineller Vereinigung. Vier Verdächtige würden noch in Untersuchungshaft sitzen, teilt die Staatsanwaltschaft Graz auf profil-Anfrage mit. Gegen neun der Beschuldigten ermittle man auch wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Verbotsgesetz.

„Neben homophoben Motiven zeigt sich, dass die Opfer vorrangig nach einer vermeintlichen pädophilen Neigung ausgewählt worden sind, wobei die Beschuldigten sich mit strafrechtlich relevanten Altersgrenzen nicht auseinandergesetzt haben“, sagt die Staatsanwaltschaft Graz.

So dürfte es auch bei dem Fall im Burgenland gewesen sein: „Ob etwaige sexuelle Handlungen zwischen den jungen Männern und dem Mädchen strafrechtlich relevant gewesen wären, ist schwer zu beurteilen“, sagt ein Sprecher des Landesgerichts Eisenstadt. Das Mädchen gibt es gar nicht und man wisse auch nicht, ob es überhaupt zu sexuellen Handlungen gekommen wäre. Die mutmaßlich schwere Körperverletzung sei aber selbst dann „nicht zu rechtfertigen“.

Wie es um die politische Gesinnung der drei beschuldigten Burgenländer steht, ist derzeit noch nicht bekannt. Den Verdächtigen im Alter von 19, 18 und 16 Jahren drohen laut Strafverteidiger Roland Friis bis zu fünf Jahre Haft. 

Konstantin Auer

Konstantin Auer

seit 2025 im Digitalteam des profil, davor bei PULS24 und Kurier. In seinen Recherchen geht es meist um soziale Ungerechtigkeiten, menschliche Abgründe und juristische Herausforderungen im Graubereich zwischen Chronik und Politik.