Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ), Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) anl. eines Arbeitsgesprächs der Bundesregierung im Bundeskanzleramt
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Flüge, Dienstautos, Make-Up: Die Selbstzerstörung der Politik

Regierungspolitiker müssen sich zunehmend für Selbstverständlichkeiten rechtfertigen: Dienstreisen oder Fotoshootings werden gnadenlos skandalisiert. Der Versuch, einander Privilegien anzudichten, untergräbt das Vertrauen in politische Arbeit insgesamt.

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Wer noch einen Beweis dafür gesucht hat, wie achtlos die gierige Politiker-Kaste das Geld der fleißigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbrennt, wurde in der Vorwoche nicht enttäuscht.

Zwei kleinformatige Zeitungen enthüllten Unglaubliches: Das Finanzministerium (BMF) hatte tatsächlich die stolze Summe von 456 Euro investiert, um Ressortchef Markus Marterbauer (SPÖ) für Porträtfotos zum Amtsantritt von einer Visagistin schminken zu lassen.

Die Summe klingt für ein halbtägiges Engagement einer Professionistin gar nicht so hoch? Ist sie auch nicht. Die Information stammt aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung an die Grünen, die sie offenbar an den Boulevard durchstachen. Die Zeitung „heute“ bezeichnete die Sache gar als „Visagisten-Gate“. 

Wer die parlamentarische Anfragebeantwortung genau liest, stellt fest, dass die Kosten für externe Berater – unter die auch die Visagistin fällt – im BMF vom zweiten auf das dritte Quartal 2025 halbiert wurden. In die Schlagzeilen schaffte es aber nur die Schminke.

Anfeindungen nehmen zu

In den Regierungsbüros wächst der Ärger über derlei kleinliche Attacken. Ein erfahrener Kommunikator auf Seiten der ÖVP hat das Gefühl, das habe „total zugenommen“. Ständig würden parlamentarische Anfragen gestellt und alles skandalisiert. Er seufzt: „Das wird eben geklickt.“

Die Sprecherin eines roten Regierungsmitglieds erzählt von einem kurzen Schockmoment, als sie für einen Langstreckenflug bordete: „Scheiße, wir fliegen da jetzt Business. Was, wenn das Thema wird?“ Nach dem Nachtflug sei um 10 Uhr das erste Meeting angestanden, die Businessklasse absolut gerechtfertigt gewesen. In der Öffentlichkeit sei das aber schwer zu verkaufen.

Babler bleibt daheim

In SPÖ-Kreisen erzählt man sich, dass Vizekanzler und Sportminister Andreas Babler auch deshalb auf das Fußball-WM-Finale der erfolgreichen U17-Auswahl in Katar verzichtete, weil er sich die nächste Medienschelte für eine Protzreise lieber ersparen wollte. Er tat vermutlich gut daran, denn seine Amtsgeschäfte lassen sich auch ohne diesen Ausflug gut erledigen. Es zeigt aber, dass in den Regierungsbüros die Angst umgeht. 

Bestenfalls lachhaft wird es, wenn die Freiheitlichen ausgerechnet Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) ihre rege Reisetätigkeit vorhalten, obwohl das Meilensammeln bei ihr ein Leistungsnachweis ist. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach in diesem Zusammenhang im September von „Business-Class-Eskapaden“ und Ministern, die „im Flugzeug auf Samtsesseln“ sitzen würden. 

Die Retourkutsche folgte vorgestern via „Kronen Zeitung“. Da wurde Schnedlitz‘ FPÖ-Generalkollege Christian Hafenecker für einen 7000-Euro-Businessklasseflug nach Kuala Lumpur kritisiert. Sein „Vergehen“: Er hatte an einer Konferenz internationaler Parlamentarier zum Zukunftsthema KI teilgenommen und diese Reise vom Parlament bezahlen lassen.

Gegenseitiges Anpatzen schadet allen

Es ist emotional nachvollziehbar, dass die Regierungsparteien nach Monaten der FPÖ-Attacken eine gewisse Genugtuung empfinden, wenn sie Hafenecker als „FPÖ-Bonzen“ (ÖVP) vorführen können. Sie begeben sich damit aber auf das Niveau, das sie den Freiheitlichen zurecht vorwerfen. 

Nicht falsch verstehen: Medien und Zivilgesellschaft müssen genau hinschauen, wie und wofür die Regierung ihr Geld ausgibt. Zu oft wurden Parteifreunde und ihre teuren Agenturen mit öffentlichen Geldern gefüttert. Zu oft wurde das Geld in Sinnlos-Studien (welcher Politiker wäre am ehesten ein Pfau?) investiert.

Doch die Parteien täten gut daran, sich wechselseitig ein paar Mindeststandards wie Dienstautos und Reisespesen zu gönnen. Nichts davon ist Protz, wie ein ÖVP-Sprecher es formuliert: „Man muss den Leuten erklären: Die Politiker reisen ja nicht zum Spaß herum, sondern aus Notwendigkeit.“ Doch die Versuchung, sich selbst als Sparefroh über die anderen zu stellen, ist groß. Das zeigt Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der seine angebliche Bescheidenheit mit Economy-Flügen zu beweisen versuchte. Auch Werner Faymann steckte einst dem Boulevard, dass er von einem „Billig-Büro“ aus regiere, sein Kanzler-Schreibtisch hätte bloß 600 Euro gekostet. Es ist ein Nivellieren nach unten, bei dem niemand gewinnt.

ÖVP-Kanzler Christian Stocker tat im Sommer das einzig Richtige: Er machte sich über eine FPÖ-Anfrage zu Visagisten- und Friseur-Kosten lustig, die die Freiheitlichen an alle Regierungsmitglieder gestellt haben. Der Kanzler trägt bekanntlich Glatze.

Friseurkosten fielen keine an.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.