Von der Vision zur Realität: 5 Jahre 5G in Österreich im Faktencheck

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Vor fünf Jahren begann der Ausbau von 5G in Österreich, weitere fünf Jahre soll es unsere unangefochtene Leittechnologie für Datenübertragung bleiben. Warum 5G heute für Mobiltelefonie und das Internet of Things (IoT) unverzichtbar ist. Wie beispielhafte Unternehmen und Institutionen 5G einsetzen. Und weshalb manche weiter skeptisch bleiben.

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Wenn man sich das bundesweite 5G-Netz als Österreichs Nervensystem vorstellt, dann ist das Technologiezentrum im Wiener Arsenal so etwas wie das digitale Herz der Republik. Das Allerheiligste liegt aber einen Stock tiefer. Hier ist der Herzschrittmacher untergebracht. „Ich bin seit 30 Jahren in der Telekommunikationsbranche. Aber mein erster Besuch in den Katakomben des Arsenals hat mein Ingenieursherz höher schlagen lassen“, sagt Christian Laqué, seit Ende Jänner neuer Chief Technology Officer (CTO) von A1. „Die Dieselaggregate, die hier auf ihren Einsatz warten, könnten Flugzeuge antreiben, für die Kühlsysteme sind 150.000 Liter Wasser gebunkert. Hat man die schiere Größe dieser Anlage zum ersten Mal in der Realität vor Augen, ist das ganz schön beeindruckend.“ Dieses leistungsstarke Notfallsystem schräg unterhalb des 155 Meter hohen Funkturms (der übrigens heuer seinen 50. Geburtstag feiert) soll Österreichs Datenversorgung in Abstimmung mit Verbund, APG und lokalen Playern auch im Falle eines Blackouts sicherstellen.

Wie dringend wir ein solches Notfallsystem brauchen, zeigen schon die Durchschnittswerte unseres Datenverbrauchs. In den letzten vier Quartalen telefonierten die Österreicher:innen laut RTR Internet Monitor internetbasiert 32,2 Milliarden Minuten lang, führten 17,4 Milliarden Minuten Videokonferenzen und verschickten 101 Milliarden Sofortnachrichten. Jeden Tag verbrauchten die Endkund:innen dabei allein in den Mobilfunknetzen über 30 Petabyte. Zur Einordnung: Die Datenmenge von einem Petabyte entspricht etwa 20 Millionen Aktenschränken oder 500 Milliarden Seiten gedrucktem Standardtext. 

Der Datenhunger wächst

Um unseren ständig zunehmenden Datenverkehr zu stemmen, mussten die Mobilfunknetze im Schnitt alle zehn Jahre eine neue Evolutionsstufe erreichen: Das 2G- beziehungsweise GSM-Netz wurde rund um die Jahrtausendwende mit dem Start mobiler Daten auf 3G beziehungsweise UMTS upgegradet. Aus 4G oder LTE (Einführung um 2010) wurde ultraschnelles 5G, das seit 2020 ausgerollt wird. Mit jedem Upgrade wurden auch neue Frequenzbereiche erschlossen, die als Trägermedium für die versendeten Daten eingesetzt werden. 
 

Christian Laqué, CTO A1 Österreich

„Der schnelle Ausbau von 5G war notwendig, weil sich die Kommunikationsgewohnheiten der Menschen extrem verändert haben.“

Christian Laqué, CTO A1 Österreich

„Der schnelle Ausbau von 5G war notwendig, weil sich die Kommunikationsgewohnheiten der Menschen extrem verändert haben“, sagt Christian Laqué. „Die reine Voice-Kommunikation nimmt stark ab, dafür verbrauchen Games und videolastige soziale Medien wie YouTube und TikTok enorme Datenmengen. Das ist aber alles nichts gegen den großen Datentreiber Künstliche Intelligenz. KI hat einen unglaublichen Datenhunger.“  

Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, bietet der Mobilfunkstandard 5G mehrere Vorteile. Er macht nicht nur riesige Datenübertragungen im Gigabyte-Bereich möglich – deutlich mehr, als 4G sogar in besonders gut ausgebauten Gebieten schafft. 5G ermöglicht auch minimale Latenzzeiten von wenigen Millisekunden, wichtig für Games und Videotelefonie, aber auch essenziell für Anwendungen wie (teil-)autonomes Fahren oder die Steuerung von Maschinen. Und: 5G ermöglicht zudem die Anbindung schwer erreichbarer und entlegener Ortschaften, die mit Glasfaserleitungen nur teuer und aufwändig zu versorgen wären.
Die damalige Bundesregierung hatte deshalb schon 2019 die „Breitbandstrategie 2030“ entworfen, mit dem Ziel, ganz Österreich bis 2030 mit mindestens 100  Mbit/s schnellem Internet zu versorgen. Als Zwischenziel hatte man sich damals für 2025 die durchgängige Versorgung aller Stadtgebiete sowie der Hauptverkehrsverbindungen mit 5G-Anbindung vorgenommen. Inzwischen deckt das 5G-Netz österreichweit etwa 85  Prozent der Bevölkerung ab, in Wien sogar mehr als 98 Prozent. (Die 3G/4G/5G-Abdeckung des eigenen Wohnortes oder der aktuellen Position kann man z. B. auf rtr.at testen). Magenta versorgt seine Kund:innen aktuell von 3.700 5G-Standorten, Drei will 1,2 Milliarden Euro investieren, um von all seinen 6.500 Mobilfunkbasisstationen 2G-, 4G- und 5G-Frequenzen senden zu können. Und A1 verfügt aktuell über 5.500 5G-Sender, die mit einem Teil des Investitionsvolumens von einer halben Milliarde Euro pro Jahr weiter ausgebaut werden sollen. Zusätzlich werden im Unternehmensbereich mobile private Netze aufgebaut, die eine vom öffentlichen Netz abgekoppelte 5G-Versorgung in Form eines Campus-Netzwerks oder IoT-Systems ermöglichen.

Die folgenden fünf Unternehmen und Institutionen nützen 5G schon heute für automatisierte Logistik, effizientere Arbeitsschritte, Koordinierung mit KI:
 

Flughafen Wien - Autonome Gepäckwagen

„Ein Meilenstein unserer Digitalisierungsstrategie“ – so nennt Flughafen Wien AG-Vorstand Julian Jäger das 5G-Campusnetzwerk, das gerade um knapp sechs Millionen Euro am Flughafen Wien entsteht. Ab Ende 2027 soll das gemeinsam mit A1 und der Unternehmensberatung Arthur C. Little verwirklichte Campusnetz künftigen Anwendungen einen Extraschub verleihen, etwa automatisierten Vorfeldabläufen oder der autonomen Flächenbewirtschaftung. „Mit der geplanten Inbetriebnahme des Netzwerks im Jahr 2027 wird der Weg für bahnbrechende Technologien wie autonome Gepäckfahrzeuge oder automatisierte Vorfeldprozesse geebnet“, sagt Jäger. Einmal in Betrieb, soll das Netzwerk das ganze Unternehmen auf eine neue Flughöhe heben: 5G könnte betriebsinterne Abläufe von Künstlicher Intelligenz koordinieren lassen und mit autonomer Robotik abstimmen, automatisierte Wartungssysteme könnten die Grünflächen ressourcensparend bewirtschaften. Gleichzeitig sollen vom effizienteren Datenaustausch auch Betriebssicherheit und Nachhaltigkeit profitieren.

ÖBB - Smarte Güterwaggons

2019 brachten die ÖBB ihr Projekt „SmartCargo“ auf Schiene, 2024 wurde der zwölftausendste Güterwaggon mit einem Device für Positionserkennung und Stoßdetektion ausgestattet. „Damit können von der Kund:inneninformation bis hin zur Optimierung der Einsatzdisposition und Instandhaltung zahlreiche Prozesse im internationalen Güterverkehr optimiert werden“, erklärt ÖBB Rail Cargo Group Vorstandssprecher Clemens Först. Über das 5G-Netz werden dafür Live-Daten wie Standort, Bewegung und Temperatur an eine IT-Plattform namens Cumolocity geleitet. Parallel dazu liefert ein Positionssensor die genauen GPS-Koordinaten des Wagens sowie ein 3D-Beschleunigungssensor Informationen zur Stoßerkennung oder zur Überwachung empfindlicher Güter. Und das Device selbst? Ist mit sechs Jahren Akku-Betriebszeit ähnlich unkaputtbar wie die Güterwaggons, auf denen es durch Europa reist.

Gläserner Waggon

Gesundheit Burgenland - KI-gestützte Diagnosen

Erst Oberwart, dann Kittsee, Güssing, Oberpullendorf und Eisenstadt: Seit Mai 2024 leisten im Burgenland fünf 5G-Kliniken europaweite Pionierarbeit. Ein eigenständiges 5G-Campusnetz koordiniert in diesen Spitälern die gesamte Sprachkommunikation und Alarmierung, das Gesundheitspersonal verwendet dafür Smartphone-ähnliche Endgeräte. „Das Krankenhaus der Zukunft baut auf ein eigenständiges 5G-Campusnetz, das einerseits durch höchste Datensicherheit glänzt und andererseits innovative Gesundheitsversorgung ermöglicht, etwa durch KI-gestützte Diagnosestellungen, in deren Rahmen riesige Datenmengen innerhalb kürzester Zeit verarbeitet werden müssen“, sagt Franz Öller, kaufmännischer Geschäftsführer der Gesundheit Burgenland. Auch IT-Direktor Harald Binder sieht im Campusnetz großes Potenzial: „Denkbar ist, dass künftig die gesamte Logistik – vom Patiententransport bis zur Medikamentenlieferung – sowie Vereinfachungen und Verbesserungen in der Patientenversorgung und -sicherheit über das neue System gesteuert werden.“
 

Kapsch Trafficom - Intelligente Verkehrsschilder

Von der Mautstation, die automatisch Gebühren erhebt und verrechnet, bis zur Echtzeit-Fahrzeugwarnung für nomadische Autobahnbaustellen: Auch der 1892 in Wien gegründete Tech-Konzern Kapsch nützt Mobilfunktechnologie für die Long-Range-Kommunikation smarter Maut- und Verkehrsmanagementsysteme. „Doch Teile von 5G sind teures WiFi mit Lippenstift“, sagt Richard Lax, Corporate Expert EU Affairs. „Ob es Sinn ergibt, hängt stark vom Use Case und regulatorischen Umfeld ab. Denn 5G ist eigentlich kein Standard, sondern ein Ökosystem vieler standardessentieller Patente. Das Geschäftsmodell sind die Lizenzgebühren dahinter, die alle paar Jahre auslaufen. Kein Problem, wenn man sich ein neues Handy anschaffen will, für Produktzyklen über zehn oder 15 Jahre aber vielleicht nicht immer geeignet.“ Dazu käme die Überlastung des Funkspektrums durch 5G-Short-
range-Technologien, die Radaren oder Militärsatelliten in die Quere kommen können. Wo möglich, setzt Kapsch in Europa daher auf das rückwärtskompatible W-Lan-verwandte „Cooperative Intelligent Transport System“ (C-ITS) aus Standards mit transparenten und kosteneffizienten Lizenzen. Ziel: eine Schwarmintelligenz miteinander kommunizierender Fahrzeuge und mit Mini-Roadside-Units ausgerüsteter Verkehrszeichen, die Staus und Unfälle verhindern und für flüssigen Verkehr sorgen.  

Kommunizierende Fahrzeuge

Dimetor - Sichere Drohneneinsätze

Unbemannte Flugsysteme sind die Lösung vieler Transportprobleme. Doch bevor sie im großen Stil eingesetzt werden können, muss die (entstehende) Industrie noch ihre Hausaufgaben machen und einen sicheren und effizienten Betrieb auch jenseits der Sichtlinie garantieren. Entscheidender Faktor: der automatisierte Informationsaustausch zwischen mobiler Infrastruktur, Drohnenbetreibern und unbemannten Verkehrsleitsystemen. Zusammen mit A1 will das Softwareunternehmen Dimetor künftig österreichweit Konnektivität und Daten im Luftraum bereitstellen, die für den automatisierten und sicheren Betrieb von kommerziellen Drohnen notwendig sind. „Diese Zusammenarbeit hat das Potenzial, die Arbeitsweise zahlreicher Branchen zu verändern, indem eine neue und zuverlässige Infrastruktur für Inspektionen, Rettungsdienste, Logistik, Mobilität, Gesundheitswesen und vieles mehr bereitgestellt wird“, ist Dimetor-CEO und Co-Founder Thomas Neubauer überzeugt. 

Text: Alexander Lisetz