Österreichfahne weht vor blauem Himmel. Die hälfte der Fahne ist rot-weiß-rot die andere Hälfte symbolisiert die Natur.
Bild anzeigen

Ein Land erfindet sich neu

Vom Start-up bis zum Weltkonzern, von der energieautarken Sternwarte bis zum digitalen Forst-Zwilling: 16 Austro-Innovationen für eine nachhaltigere Zukunft.

Drucken

Schriftgröße

Einundvierzigmal Erster, seit 1967 nie schlechter als auf Platz zwei: Die alljährliche Spitzenplatzierung im Ski-Nationencup ist einer der Grundpfeiler der österreichischen Identität. Doch dass wir auch in der Disziplin „Green Tech“ zur Elite zählen, verdient eigentlich noch euphorischere Fangesänge. Platz drei in der aktuellsten Länderrangliste des Eco Innovation Index der EU und Platz sechs im internationalen Sustainable-Development-Ranking bedeuten: Österreich zählt zu den grünen Innovations-Weltmeistern.

Allein in der Umwelttechnik schufen 2.700 Unternehmen mit einer Exportquote von 72 Prozent 51.000 Arbeitsplätze. Leistungen wie diese treiben zwar keine Autogrammjäger mit rot-weiß-rot bemalten Wangen vor Firmenzentralen und Forschungseinrichtungen. Doch Österreichs grüner Pioniergeist sichert uns quer durch alle Branchen einen exzellenten Startplatz für die Wettkämpfe der Zukunft. Denn: Klimaschutz wandelt sich immer mehr von der moralischen zur wirtschaftlichen Verpflichtung. Einerseits wird sich der weltweite Markt für grüne Technologien und Produkte bis 2030 auf über 14.000 Milliarden US-Dollar verdreifachen. Andererseits hätte das Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens schwerwiegende makroökonomische Konsequenzen: Verpassen wir das entscheidende Tor, drohen uns globale BIP-Verluste von bis zu 22 Prozent bis zum Jahr 2100.

„Die grüne Transformation ist eine der größten Wettbewerbschancen unserer Zeit“, fasst es Tanja Michael von der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) zusammen. Im Jänner veröffentlichte BCG gemeinsam mit dem Kontext Institut für Klimafragen die Studie „Grüne Transformation statt Stillstand: Klimaschutz als Erfolgsfaktor für die österreichische Wirtschaft“. Und kam zum Schluss: „Der durch den Klimawandel ausgelöste Transformationsprozess könnte sogar tiefgreifender sein als die Internetrevolution, die eine Welle von Gewinnern und Verlierern hervorgebracht hat. Unternehmen, die eine Vorreiterrolle einnehmen, eröffnen sich nicht nur neue Wachstumschancen, sondern schaffen auch nachhaltige Wettbewerbsvorteile und verdrängen traditionelle Geschäftsmodelle.“

Besonders stark stehen dafür die 100 größten heimischen Unternehmen in der Pflicht, sie sind allein für mehr als ein Drittel der heimischen Gesamtemissionen verantwortlich. Immerhin 73 davon haben inzwischen konkrete Klimaschutzziele definiert, 14 mehr als noch im Jahr 2022. Ein Fünftel hat seine Ziele nachgeschärft, zehn Unternehmen haben sie abgeschwächt. Wird aber auch umgesetzt und nicht nur versprochen? Ja, 38 der 100 Spitzenunternehmen konnten ihre Emissionen um mindestens 4,5 Prozent pro Jahr senken.

Einen optimistischen Blick in die Zukunft erlaubt auch der Nachwuchskader. Zusammen mit neun Partnern erhob das Netzwerk Green Tech Valley (Steiermark, Kärnten und Burgenland) einen aktuellen Stand von 215 Austro-Start-ups im Bereich Umwelt und Klimaschutz, das sind rund zehn Prozent mehr als 2024. „Bei den Neugründungen dominieren – wie auch bereits in den vergangenen Jahren – thematisch die Businessbereiche Energy mit 38 Prozent, Circular mit 21 Prozent und Digital mit 17 Prozent“, sagt Bernhard Puttinger, Geschäftsführer des Green Tech Valley. 

„Die Europäische Union muss Weltmarktführer bei grünen Technologien werden“, fordert auch Othmar Karas, der Vizepräsident des Europäischen Parlaments. „Dafür reicht es aber nicht, nur Geld in die Forschung zu investieren. Wir als Politik müssen die richtigen Rahmenbedingungen für die besten Köpfe, innovativsten Ideen und nachhaltigsten Konzepte liefern.“ 16 davon stellen wir auf den nächsten Seiten vor.

Oberösterreich/Steiermark

Hochofen an der Steckdose

Das größte Klimaschutzprojekt Österreichs soll allein fast fünf Prozent der heimischen Emissionen einsparen: Durch den Einsatz grünstrombetriebener Elektrolichtbogenöfen – je einer in Linz und einer in Donawitz – will die Voest bis 2029 ihre CO₂-Emissionen gegenüber 2019 um 30  Prozent senken. Fernziel: Net Zero bei den CO₂-Emissionen bis 2050. Das Projekt ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch international zukunftsweisend: Eine so vollständige, digitale und automatisierte Vernetzung der Elektrolichtbogenöfen mit allen vor- und nachgelagerten Prozessschritten gab es bisher noch nirgends. Die Prozessrouten werden durch den Einsatz digitaler Zwillinge und Big Data sowie durch maschinengestütztes Lernen beziehungsweise Echtzeit-Informations- und Analysesysteme laufend optimiert. 


Branche: Stahlerzeugung
Innovation: Grüner Stahl  
voestalpine.com/greentecsteel

Auf dem Bild sieht man den grünstrombetriebenen Elektrolichtbogenofen in Donawitz
Bild anzeigen
Vorarlberg

Big Data für den Wald

Das Dornbirner Start-up Pina Earth unterstützt beim klimagerechten Forstumbau mit Wald-Simulationssoftware inklusive digitalem Zwilling mit Einzelbäumen. Parallel dazu vermittelt es Unternehmen TÜV-geprüfte CO₂-Gutschriften.


Branche: Climate Tech
Innovation: Wald-Simulationssoftware
pina.earth

Oberösterreich

(Ab-)Wasserstoff

Der Rottenbacher Abwasserspezialist VTA gewinnt klimaneutralen Wasserstoff ohne externe Energiequelle aus Abwasser. Stattdessen löst der VTA-Nanobooster mit der im nanostrukturierten Metallionenkomplex gespeicherten Energie die Wasserstoffbildung aus. 


Branche: Abwasserreinigung
Innovation: Nanotech für Wasserstoff   
vta.cc

Steiermark

Kleiner Schuh-Abdruck

Der Feldkirchener Schuhhersteller gewann 2024 den CSR-Preis Trigos für seine mehr als 10.000 Datensätze umfassende Eco-Datenbank, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette Klimaschutz-Potenzial identifiziert.


Branche: Schuhherstellung
Innovation: Eco-Datenbank   
legero.com

Burgenland

CO2-neutrales Festival   

Das Paradiesgarten Festival in Bruck an der Leitha (nächste Austragung: 31. Juli bis 2. August 2026) ist Österreichs erstes CO₂-neutrales Musikfestival. Um diesem Titel gerecht zu werden, schnüren die Veranstalter:innen ein Maßnahmenpaket mit zahlreichen externen Partnerschaften: Die ÖBB stellt kostenlose Nachtzüge bereit, die Elektrizität stammt vom lokalen Wind- und Solarpark, auf Einwegplastik wird verzichtet und die ausschließlich vegetarische Gastronomie bezieht ihre Produkte aus lokalem Bio-Anbau. Unvermeidliche Auswirkungen werden durch die Unterstützung des Klimaprojekts von CO2logic kompensiert.


Branche: Eventmarketing
Innovation: Öko-Partnerschaften     
paradiesgartenfestival.at

Überarbeitete Bühne im Rosengarten, auf der die Besucher_innen direkt auf einem Pool tanzen konnten
Bild anzeigen
Tirol

Klimawandel-Schutzschirm

Das Innsbrucker Alpintechnik-Start-up macht klimabedingte Naturkatastrophen durch autarke KI-basierte IoT-Sensoren, autonome Drohnenüberwachung und maßgeschneiderte Anpassungsmodelle etwas beherrschbarer. 


Branche: Alpine Technik
Innovation: KI-gestützte Sensoren   
gmd.care

Steiermark

Stahl aus Staub

Bei der Herstellung von einer Tonne Stahl fallen bis zu 40 Kilogramm Chrom-, Nickel- und Zinkstäube an. Ein Umweltproblem – aber auch ein Kostenfaktor. Beides will der Technologiekonzern Andritz gemeinsam mit der Montanuni Leoben (MUL)in den Griff bekommen. Das neue, vom Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur geförderte Konzept soll die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen steigern und ist schon weit fortgeschritten: „Im Zuge der Versuche zur Optimierung der Extraktion zeigte sich, dass für Chrom Extraktionsraten von rund 70 Prozent und über 95 Prozent für Zink und Nickel erzielt werden konnten“, sagt Stefan Steinlechner, Projektleiter vom MUL-Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie.


Branche: Maschinen- und Anlagenbau
Innovation: Höhere Extraktionsraten 
recyclingfähiger Rohstoffe
andritz.com

Flüssiges Metall wird aus einem Schmelztiegel in vorbereitete Formen gegossen.
Bild anzeigen
Wien

CO₂ für die Raumfahrt

Hundertmal stärker als Stahl, ein Sechstel so leicht: Carbon Nanotubes (CNTs) und Graphen sind z. B. für die Raumfahrt Gamechanger. Für ihre Herstellung nützt Ecotechnologies ein thermo-katalytisches Verfahren zur umweltfreundlichen Spaltung von CO₂ und Methan. 


Branche: Technologie-Plattform
Innovation: High-Tech-Materialien
evercraft.eco

Salzburg

KI-gestützt erholen

Mit „Re:GenTravel“ will die Paracelsus Medizinische Privatuni Gesundheitsförderung mit nachhaltigem Tourismus und Regionalförderung verbinden. Unter den Maßnahmen:  KI-gestützter Regenerationscoach, digitale Regenerationskarte , klimafreundliche Tourismusformate. 


Branche: Gesundheit/Tourismus
Innovation: Digitaler Öko-Tourismus
pmu.ac.at

Kärnten

Mobilitäts-App

Spielerische Heranführung an die Benützung umweltfreundlicher Verkehrsmittel: Wer im Lieser- und Maltatal mit dem Bus, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule fährt, bekommt App-Punkte. Dafür gab's den  Social-Impact-Award.


Branche: Busunternehmen/Reisebüro
Innovation: Awareness-Game  
cool-in-die-schul.at

Wien

Wiederverwertbare Wände

Ziegelhersteller Wienerberger will die Lebensdauer von Ziegeln von der Lebensdauer von Gebäuden abkoppeln. Die Lösung: Recycelbare Fertigteilwände, die im eigenen Werk individuell geplant, vollautomatisiert vorgefertigt und geschosshoch aufgezogen werden. 


Branche: Bauindustrie 
Innovation: Ziegelmodule  
wienerberger.at

Steiermark

Solarenergie für Sternenforscher:innen

Die Europäische Südsternwarte in La Silla in der chilenischen Atacama-Wüste ist eines der bedeutendsten Observatorien der Welt – und will ihre Teleskope, Unterbringungseinrichtungen, Heiz- und Kühlenergie künftig unabhängig und klimaneutral produzieren. Den Zuschlag zur Entwicklung einer PV-Anlage mit Warm- und Kaltwasserspeichern, modernen Wärmepumpen und einer hocheffizienten elektrischen Kältemaschine erhielt das Grazer Unternehmen SOLID. Das Gustostückchen aus Sicht von Johannes Luttenberger, dem Konzeptverantwortlichen: die High-End-Speichertechnologie, die die Spitzenerträge der Sommermonate effektiv im internen Stromnetz nützt und ein vorausschauendes Wartungssystem ermöglicht.


Branche: Energieversorgung
Innovation: High-End-Speicher für die Südsternwarte
solid.at

Silla Sternwarte unter Sternehimmel
Bild anzeigen
Vorarlberg

Überdachte Radwege

Das Start-up mo energy systems aus Lochau will Vorarlbergs Radwegenetz mit zwölf Meter langen Standardelementen aus PV-Glasmodulen, Leitungs- und Kabelstruktur überdachen. „Schon fünf Prozent Abdeckung könnten 7.000 Haushalte mit Strom versorgen“, so CEO Alexander Moosbrugger.


Branche: Energietechnik
Innovation: PV-Module als Überdachung
mo-energy-systems.at

Niederösterreich

Blühendes Öko-Business

Das Problem der Schnittblumenindustrie: prekäre Arbeitsbedingungen, lange Transportwege, Pestizide. Die Social-Impact-Award-Gewinnerinnen steuern mit regional angebauter, saisonaler und bio-zertifizierter Ware dagegen.


Branche: Blumenhandel
Innovation: Nachhaltige Schnittblumen   
thebloomingproject.at

Wien/Niederösterreich

Ressourcenschonende U5

Die Erzeugung von Zement verursacht rund zehn Prozent aller Industrieemissionen. Darum werden beim Bau von U5 und Semmeringbasistunnel recycelte Sekundärrohstoffe aus Schlacken und Gießereisand eingesetzt. 


Branche: Bauindustrie 
Innovation: Recycelter Zement   
geocycle.com

Oberösterreich

Mode-Revival

85 Prozent der weltweit produzierten Textilien landen auf Deponien oder werden verbrannt. Das wollen die Ansfeldener ändern. Pure Loop gewinnt aus dem Regranulat aufbereiteter PET-Fasern erneut qualitativ hochwertige Fasern.


Branche: Textilindustrie 
Innovation: Recycelte PET-Fasern
pureloop.com

Text: Alexander Lisetz