Faktencheck

Einbürgerungen bis zu 130 Prozent teurer als Plakolm behauptet

Laut ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm kostet die Einbürgerung 1000 Euro. faktiv hat nachgerechnet. Die tatsächlichen Kosten liegen in allen Bundesländern darüber – teils sehr deutlich.

Drucken

Schriftgröße

Die Kosten für eine Einbürgerung betragen auf die zehnjährige Dauer bis zur Verleihung verteilt 100 Euro pro Jahr.

Claudia Plakolm

Jugendstaatssekretärin, ÖVP, 14. Juni 2022

Falsch

Sind die Hürden zur Staatsbürgerschaft zu hoch? Darüber ist zuletzt Streit entbrannt: Während NGOs, Arbeiterkammer, Opposition und der grüne Koalitionspartner meinen, die Einbürgerung sei zu langwierig und teuer, sagt die Generalsekretärin der Volkpartei, Laura Sachslehner: Die Staatsbürgerschaft als „hohes Gut“ müsse man sich „verdienen“. Ihre Parteikollegin und Jugendstaatssekretärin, Claudia Plakolm, spricht sich im profil Mitte Juni für eine Beibehaltung der aktuellen Einbürgerungskriterien aus. Die Crux an den Argumenten von Plakolm – die Fakten hat sie dabei nicht auf ihrer Seite.

Die ÖVP-Politikerin meint: „Die Kosten für eine Einbürgerung, die ja Landeskompetenz ist, betragen auf die zehnjährige Dauer bis zur Verleihung verteilt 100 Euro pro Jahr.“ Wie Plakolm auf Kosten von insgesamt 1000 Euro kommt? Sie addiert 867,40 Euro an Bundesgebühren mit 147 Euro an Landesgebühren, die etwa in Niederösterreich anfallen. Das würde 1014,40 Euro ausmachen. Das Problem an dieser Rechnung: Sie ist unvollständig und damit falsch. Die tatsächlichen Kosten sind teils deutlich höher – je nach Bundesland und Einkommen der Antragssteller um fast zehn bis 130 Prozent. faktiv ackerte sich durch alle neun Abgabenverordnungen der Bundesländer und rechnete nach.

Plakolm vergisst Gebühr

Wer den österreichischen Pass will, muss obendrauf noch eine Antragsgebühr an den Bund bezahlen. Für Erwachsene liegt diese bei 125,60 Euro. In Niederösterreich kostet die Staatsbürgerschaft für eine Einzelperson daher jedenfalls 1140 Euro – und das auch nur im allerbilligsten Fall.

Staatsbürgerschaft kostet bis zu 2350 Euro

Die Gebühren in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg und der Steiermark sind nämlich einkommensabhängig. Bei einem Nettoeinkommen von über 17.000 Euro im Jahr – das sind etwa 1200 Euro netto pro Monat – fällt in Niederösterreich eine Landesgebühr von 1146 Euro an. Laut dem Amt der Landesregierung fallen „die meisten Antragssteller“ in diese Einkommenskategorie. Für sie kostet die Staatsbürgerschaft insgesamt 2139 Euro – und damit mehr als das Doppelte des angeblichen Plakolm-Tausenders. In Oberösterreich und Vorarlberg fallen ähnlich hohe Kosten an. Die Steiermark ist sogar noch teurer: Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von über 1500 Euro muss eine Einzelperson 2350 Euro für die Einbürgerung bezahlen.

Um die Staatsbürgerschaft überhaupt zu bekommen, muss – neben einer gewissen Aufenthaltsdauer in Österreich – auch ausreichendes Einkommen vorgewiesen werden. Einem Antragssteller müssen von seinem Nettogehalt im Monat 1030 Euro übrig bleiben, nachdem er Miet- und Kreditkosten bezahlt hat. Es gilt ein Freibetrag von etwa 300 Euro. Da Einkommen Voraussetzung für den Pass ist, kommen für fast alle Antragssteller die höheren Gebühren zum Tragen, die Ausnahme sind Ehepartner und Kinder.

Und auch in Bundesländern mit einkommensunabhängigen Gebühren kommt man auf über 1000 Euro für eine Einbürgerung: In Kärnten, Tirol und dem Burgenland fallen mindestens 30 Prozent mehr Kosten an, als Plakolm behauptet. In Salzburg sogar 90 Prozent mehr. Das Bundesland, für das Plakolms Aussage am ehesten stimmt, ist Wien mit mindestens 1069 Euro. Zu dieser Summe kommen allerdings noch Verwaltungsabgaben für Niederschriften in der Höhe von je 3,99 Euro, wie es aus der Bundeshauptstadt heißt, wonach auch dort mindestens 1080 Euro anfallen.

Weitere finanzielle Hürden in der Praxis

Zu allen Bundes- und Landesabgaben fallen oft zusätzliche Landesgebühren für den „Bescheid über die Zusicherung der Staatsbürgerschaft“ an. Das rechnet Migrationsexperte Gerd Valchars vor. In Wien sind das beispielsweise 40 Euro. Auch Kosten für Übersetzungen und Beglaubigungen von Urkunden aus dem Herkunftsstaat sowie Anwaltskosten kommen in vielen Fällen noch dazu.

Die bisher angestellten Berechnungen beziehen sich auf rund 6000 Menschen, die im Jahr 2021 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben. Für fast 1000 Personen kam der Pass noch teurer: Sie haben diesen aufgrund einer Bestimmung im Staatsbürgerschaftsgesetz (§ 10) erhalten, bei der höhere Bundesgebühren (1115,30 Euro) anfallen – und meist auch bedeutend höhere Landesabgaben. In der Steiermark können die Kosten in diesem Fall um fast 160 Prozent höher sein, als Plakolm gesagt hat.

Fazit

Die Aussage, dass eine Einbürgerung insgesamt 1000 Euro kostet, ist falsch. Inklusive verpflichtender Bundes- und Landesgebühren, die Plakolm nicht einkalkuliert, ergeben sich in allen Bundesländern Mehrkosten – teils massive.

Kosten für die Staatsbürgerschaft

Bundes-, Antrags- und Landesgebühren (exklusive Kosten für Niederschriften, Zusicherungsbescheid, Beglaubigungen, Übersetzungen, etc.)

  • Wien: min. 1069 Euro
  • Tirol: min. 1293 Euro
  • Burgenland: min. 1302,6 Euro
  • Kärnten: min. 1344 Euro
  • Salzburg: min. 2072 Euro
  • Oberösterreich: 1097 Euro bis 1857 Euro*
  • Vorarlberg: 1122,5 Euro bis 2083 Euro*
  • Niederösterreich: 1140 Euro bis 2139 Euro*
  • Steiermark: 1130,2 Euro bis 2350 Euro*

Kosten bei Rechtsanspruch nach §§ 11a bis 14 StbG

*Gebührenstaffelung nach Höhe des Einkommens

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.