Auf dem Bild befindet sich die Politikerin Leonore Gewessler im Rahmen eines Fernsehinterviews

Gewessler im Faktencheck: Falsch bei Teilzeit, richtig beim Klimabonus

Österreich habe kein Teilzeitproblem, sagte Grünen-Chefin Leonore Gewessler im ORF-Sommergespräch. Dabei zitierte sie nicht nur den AMS-Chef Kopf falsch, sie ging auch auf den Kern der Debatte nicht ein. Recht hat Gewessler beim Klimabonus und dem Heizkesseltausch.

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Teilzeit-Vollzeit-Debatte

„Ich halte mich an die Statistiken und auch an das, was Johannes Kopf, Chef vom Arbeitsmarktservice (...) gesagt hat: Österreich hat kein Teilzeitproblem, sondern ein Kinderbetreuungsproblem.“

Leonore Gewessler (Grüne)

ORF-Sommergespräche 2025

Größtenteils falsch

Kaum ein Thema wird hierzulande so intensiv diskutiert wie die Arbeitszeit. Angestoßen hat diese Debatte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) in einem Ö1-Interview Mitte Juli: Es brauche mehr Maßnahmen, um Menschen in Vollzeitarbeit zu bringen, forderte Hattmannsdorfer. Adressiert war die Botschaft des Wirtschaftsministers an all jene, die freiwillig nicht Vollzeit arbeiten. Das sind rund ein Viertel aller Personen, die Teilzeit arbeiten.

Wenig später erhielt diese Personengruppe vom Minister die Zuschreibung, „Lifestyle-Teilzeit“ zu pflegen. AMS-Chef Johannes Kopf sagte vor rund einer Woche, am 4. August, dass Moralisieren in dieser Debatte der falsche Zugang sei. Denn statt auf die rund 25 Prozent (Frauen) beziehungsweise 26 Prozent (Männer) der Teilzeitkräfte zu verweisen, die von sich aus nicht mehr Stunden arbeiten wollen, müssten flächendeckend Kinderbetreuungsplätze ausgebaut werden.

Im Sommergespräch wollte Grünen-Chefin Leonore Gewessler sichtlich an die Argumentation des AMS-Chefs anschließen: Auf die Frage des Moderators Klaus Webhofer (ORF), warum denn auch in Wien, wo es ausreichend Kinderbetreuungsplätze gibt, dennoch so viele Frauen Teilzeit arbeiten, sagte Gewessler: „Ich halte mich an die Statistiken und an das, was ein Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, nicht an dieser Stelle, aber erst zuletzt wieder gesagt hat: Österreich hat kein Teilzeitproblem, sondern ein Kinderbetreuungsproblem.“

Nur: AMS-Chef Kopf hat ein Teilzeitproblem nie bestritten: „Mich hat ein Journalist der ,Kleinen Zeitung‘ angerufen und gefragt, ob wir ein Teilzeitproblem haben“, sagte Kopf im „ZiB 2“-Studio. „Und meine Antwort war, ja, wir haben ein Teilzeitproblem, und es ist vor allem ein Kinderbetreuungsproblem.“ Ein Blick auf die Zahlen untermauert Kopfs Aussage: Fast 40 Prozent der Frauen in Teilzeit können aufgrund von Betreuungs- oder Pflegeaufgaben nicht mehr Arbeitsstunden leisten. Jedoch gibt es auch Personengruppen, die gerne mehr Stunden arbeiten würden, aber keine Vollzeitstelle finden.

Mehr Kinderbetreuungsplätze – da sind sich alle Expertinnen und Experten einig – sind zwar der größte Hebel, die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden hierzulande zu erhöhen. In der Debatte gehe es aber um mehr als die fehlende flächendeckende Betreuung, wie AMS-Chef Kopf im „ZiB 2“-Interview erklärte. Denn Österreich habe mit Blick auf den Arbeitsmarkt sehr wohl ein Problem, meinte Kopf.

„Wir haben aufgrund der Rezession zwischen dem Jahr 2023 und 2024 so viel weniger Stunden gearbeitet, als ob wir 60.000 Vollzeitäquivalente Jobs verloren hätten“, so der AMS-Chef in der „ZiB 2“. Und: Laut Kopf ist die Anzahl der geleisteten Arbeitszeit seit Jahren konstant, obwohl immer mehr Menschen am Arbeitsmarkt verfügbar wären. Neben der Wettbewerbsfähigkeit „führt das schon dazu, dass wir ein immer größeres Problem im Sozialversicherungs- und Sozialsystem haben, weil die Beiträge nicht im gleichen Ausmaß steigen“, sagte Kopf im ORF-Interview. „Wir haben in unserem Wunsch Armut zu bekämpfen, der ja auch sinnvoll ist, Sozialversicherungs- und Steuerbeträge bei Niedrigempfängern so niedergeschraubt, dass wir damit massiv Teilzeit gefördert haben“, so der AMS-Chef.

Das zu ändern, sei nicht einfach, meint Kopf. Man müsste über eine groß angelegte Steuerreform diskutieren, in der die Sozialabgaben vom tatsächlichen Stundenlohn und nicht vom Bruttoeinkommen, das wiederum stark mit dem Stundenausmaß verbunden ist, abhängen.

Auf Rückfrage, ob Österreich wirklich kein Teilzeitproblem habe, antwortete ein Sprecher der Grünen-Chefin, gemeint sei gewesen, dass Österreich „kein Lifestyle-Teilzeit-Problem, wie der Wirtschaftsminister vorgibt,“ habe, „sondern es gibt zuallererst ein Problem mit zu wenig Kinderbetreuung, das zu höherer Teilzeitbeschäftigung führt.“ Der Blick auf die Bundeshauptstadt Wien zeigt aber, dass trotz verbesserter Kinderbetreuung auch die Teilzeitquote steigen kann. Kinderbetreuung ist jedenfalls ein zentraler Hebel bei der Lösung des Problems. Aber nicht der einzige.

Fazit

Im ORF-Sommergespräch hat Grünen-Chefin Leonore Gewessler die aktuelle Debatte rund um Teilzeitarbeit stark verkürzt. Denn langfristig ist es ein Problem, wenn immer weniger Abgaben ins Sozialsystem abgeführt werden. Gewessler beschränkte diese Debatte nahezu auf die Kinderbetreuung. Zudem hat die Grünen-Chefin AMS-Direktor Kopf mit einer Aussage falsch zitiert, welche die Tageszeitung „Der Standard“ zwar in einer Headline Kopf zugeschrieben, er aber nie so gesagt hatte. Denn der AMS-Chef sagte sowohl im ORF-Interview als auch im Interview mit der „Kleinen Zeitung“, dass Österreich ein Teilzeitproblem habe. Der Hauptgrund dafür ist aus Sicht von Kopf die von Gewessler angesprochene fehlende flächendeckende Kinderbetreuung. Das ändert aber nichts daran, dass er wie viele andere Expertinnen und Experten Österreichs Teilzeitquote als Problem ansieht. Gewesslers Aussage ist deshalb als größtenteils falsch zu bewerten.

Klimabonus

„(...) So war zum Beispiel auch der Klimabonus konzipiert. Verteilt um, von oberen zu unteren Einkommen und hilft mit, dass bei den unteren Einkommen die Kaufkraft stabil geblieben ist.“

Leonore Gewessler (Grüne)

ORF-Sommergespräche 2025

Größtenteils richtig

Es ist ein Vorwurf, den sich neben Leonore Gewessler die gesamte ehemalige türkis-grüne Bundesregierung gefallen lassen muss: Die „koste-es-was-es-wolle“-Politik der vergangenen Regierung hat mitunter dazu beigetragen, dass sich Österreich nun in einem EU-Defizitverfahren befindet und die aktuelle ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung mit einem Sparbudget arbeiten muss. Plakativ für die Ausgabenpolitik der aus dem Amt geschiedenen Regierung wird oft der Klimabonus erwähnt – auch von Sommergespräche-Moderator Klaus Webhofer (ORF). Gewessler verteidigte die Maßnahme im Interview: „Wir haben uns in der letzten Bundesregierung dazu entschieden, die Kaufkraft zu stützen. Das heißt, sicherzustellen, dass die Menschen mit dem, was sie am Konto haben, sich noch ungefähr dasselbe leisten können“, sagte die Grünen-Chefin. Und: „So war zum Beispiel auch der Klimabonus konzipiert. Verteilt um, von oberen zu unteren Einkommen und hilft mit, dass bei den unteren Einkommen die Kaufkraft stabil geblieben ist.“

Zur Erinnerung: Der Klimabonus war als Rückvergütung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung geplant – und zwar so, dass Haushalte in Regionen mit schlechter öffentlicher Infrastruktur mehr erhalten, unabhängig vom Einkommen. In seiner Grundidee hätte das vor allem einkommensschwache Haushalte entlastet, die geringere CO2-Kosten haben. Etwa, weil sie weniger energieintensiv leben und in der Regel niedrigere Mobilitätskosten haben als einkommensstarke Haushalte.

Darauf stützt sich auch Leonore Gewessler, der Budgetdienst des Parlaments hat diese Ansicht vor Einführung des Klimabonus im Jahr 2022 in einer Analyse bestätigt. „Die CO2‑Bepreisung und der Klimabonus bewirken eine durchschnittlich stärkere Entlastung der unteren Bereiche der Einkommens­verteilung.”

Grüne Parteigenossinnen und Genossen sprangen Gewessler noch während des Fernsehinterviews in Sozialen Medien zur Seite. „Sogar Fiskalrat hat positive Verteilungswirkung zugunsten unterer Einkommensgruppen bestätigt“, schrieb etwa Peter Kraus, Parteivorsitzender der Wiener Grünen, auf Bluesky. Eine Zuschreibung, die Fiskalratchef Christoph Badelt so allein nicht stehen lassen möchte. Denn so wie der Klimabonus ursprünglich geplant war, wurde er im Jahr 2022 nicht ausgezahlt.

500 Euro für alle

Aufgrund der damals rapide steigenden Inflation wurde der Klimabonus pauschal auf 250 Euro pro Person erhöht und mit 250 Euro Anti-Teuerungsbonus obendrauf an die Anspruchsberechtigten überwiesen. „Das (der Anti-Teuerungsbonus; Anm.) hat aber nichts mit der CO2-Bepreisung zu tun und das war eine nicht wirklich gescheite Idee, weil der extrem viel gekostet hat. Und weil dieser Bonus gießkannenartig über alle Anspruchsberechtigten verteilt wurde, sodass es eigentlich ein Wahnsinn ist, das Geld so hinauszuschmeißen“, sagt Badelt zu profil.

Der Fiskalratbericht, auf den sich grüne Parteimitglieder gerne stützen, der die Verteilungswirkung aller Anti-Teuerungs-Pakete aus dem Jahr 2022 (inklusive Anhebung des Klimabonus; Anm.) untersucht hat, lässt an den Geldtransfers der Bundesregierung kein gutes Haar: Statt sich auf die einkommensschwächsten 35 Prozent der Haushalte zu fokussieren, die die Mehrkosten durch die Inflation nicht selbst tragen konnten, bekamen fast alle Einkommensgruppen Geld. 

Laut Fiskalrat hätten 1,8 Milliarden Euro gereicht, um die Bedürftigsten mit 660 Euro pro Person und Kind komplett zu entlasten. Tatsächlich wurden jedoch 4,7 Milliarden Euro ausgegeben – also 2,9 Milliarden mehr. Dadurch erhielten manche einkommensschwache Haushalte zwar im Schnitt über 1.200 Euro und konnten ihre Kaufkraft deutlich halten, doch auch die einkommensstärksten 20 Prozent profitierten stark: Sie bekamen über 80 Prozent ihrer Hilfen aus diesen breit gestreuten Zahlungen. Eine teure und laut Fiskalrat über das Nötige hinausgehende Verteilung.

2023 und 2024 wurde der Klimabonus dann so wie er ursprünglich konzipiert war, ausgezahlt. Als Instrument der strukturellen Umverteilung von oben nach unten, taugte er aber nicht, sagt Badelt zu profil. Denn der Klimabonus war an die Verfügbarkeit der örtlichen Infrastruktur gekoppelt – und nicht an das Einkommen. Genau das habe auch zu Extrembeispielen geführt, dass auch Personen den Klimabonus bekommen haben, die diesen nicht gebraucht hätten. „Es ist zutreffend, dass es auch einkommensstarke Haushalte gibt, die da überkompensiert wurden. Im Durchschnitt trifft das aber nicht zu“, sagt Franz Sinabell vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo).

Fazit

Gewesslers Aussage ist größtenteils richtig: Die Auszahlungen haben untere Einkommen real stärker entlastet. Dass der Klimabonus nicht einkommensabhängig gestaltet war und ihn somit auch Haushalte erhielten, die ihn nicht brauchten, blendet die Aussage aber aus. Das Ergebnis war zwar eine faktische Umverteilung zugunsten unterer Einkommen – aber eine wenig zielgerichtete.

Heizkesseltausch

„Der Herr Landwirtschaftsminister sagt ja in seiner eigenen Wirkungsfolgenabschätzung für den Heizkesseltausch, dass sich das nie und nimmer ausgehen wird. Die Regierung sagt ja selber in ihren eigenen Unterlagen zum Budget, das geht sich nicht aus. Die Ziele 2030 erreichen wir so nicht.“

Leonore Gewessler (Grüne)

ORF-Sommergespräche 2025

Größtenteils richtig

Ein Klimaminister, der die Klimaziele nicht erreichen will? Norbert Totschnig (ÖVP) muss sich von seiner Vorgängerin Gewessler einiges vorwerfen lassen. Im Sommergespräch etwa, dass er in den eigenen Unterlagen zum Budget behaupten würde, den geplanten Ausstieg aus fossilen Ölheizungen bis 2035 und aus fossilen Gasheizungen bis 2040 nicht zu schaffen.

Zunächst einmal: Auch wenn die Grünen nicht mehr regieren, hat sich die Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos den vereinbarten Klimazielen verpflichtet. Das heißt: Bis 2040 will Österreich klimaneutral sein. Bis 2050 muss die Republik das auch, das verlangt die EU. Davor verpflichtet die Union Österreich, schon bis 2030 48 Prozent weniger CO2 auszustoßen als noch 2005. Der Pfad zu diesem ersten Klimaziel ist im Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) geregelt, den Gewessler im Dezember 2024 nach langem Hin und Her in Brüssel abgab. Und: Bis 2035 will Österreich den vollständigen Ausstieg aus fossilen Öl-, bis 2040 aus fossilen Gasheizungen erreicht haben.

Der letzte Punkt steht zwar nicht mehr im schwarz-rot-pinken Regierungsprogramm. Dafür aber in der Wirkungsfolgenabschätzung (WFA) zum Budgetbegleitgesetz, wo sozusagen festgehalten wird, was mit dem eingesetzten Steuergeld erreicht werden soll. 1,8 Milliarden Euro stehen demnach von 2026 bis 2030 für den Umstieg auf klimafreundliche Heizungssysteme und thermische Gebäudesanierung zur Verfügung. Im Jahr 2029 soll diese „Sanierungsoffensive“ mehr als 117.000 Tonnen Treibhausgase einsparen. Das Ziel laut dem Regierungspapier: „Die Förderung des Umstiegs auf klimafreundliche Heizsysteme soll dazu beitragen, dass der vollständige Ausstieg aus fossilen Ölheizungen bis 2035 sowie aus fossilen Gasheizungen bis 2040 gelingt.“ ÖVP, SPÖ und Neos haben sich also nicht von diesem Ziel verabschiedet.

Aber erreichen sie es auch?

In den Beilagen zum laufenden Budget wird genauer beschrieben, was durch die Förderungen erwartet wird. Im Teilheft Umwelt, Klima und Kreislaufwirtschaft findet sich dort eine Schätzung der jährlich dank Förderanreizen getauschten beziehungsweise vermiedenen fossilen Heizsysteme. „Ein stufenweiser Ausstieg aus diesen fossilen Heizanlagen muss kontinuierlich bis 2040 fortgesetzt werden, damit das im Regierungsprogramm festgehaltene Ziel der Dekarbonisierung bis 2040 erreicht werden kann und als Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele“, schreibt die Regierung dort. Immerhin gibt es in Österreich immer noch mehr als eine Million fossile Öl- und Gasheizungen.

Alternativ könnten sie auch mit erneuerbaren Heizstoffen wie grünem Gas beheizt werden. Diese dürften mittelfristig aber vor allem in der Industrie benötigt werden. Daher rechnet der noch von Gewessler verabschiedete NEKP damit, dass jährlich rund 60.000 Öl- und Gasheizungen getauscht werden müssten, um den Umstieg auf klimaschonende Heizsysteme bis 2035 beziehungsweise 2040 zu bewältigen.

Doch nach den Berechnungen der Regierung gerät dieses Ziel unter dem neuen Förderregime in unerreichbare Ferne: Wurden 2024 noch 41.500 fossile Heizsysteme getauscht (laut dem ehemaligen Klimaschutzministerium von Gewessler waren es sogar rund 60.000; Anm.), erwartet die neue Regierung heuer und nächstes Jahr jeweils nur 15.662 getauschte Öl- und Gasheizungen. Das Landwirtschaftsministerium bestätigt diese Zahl, verweist aber darauf, dass ab 2026 jährlich 360 Millionen Euro zur Verfügung stehen sollen, um „zumindest 30.000 Kesseltausche“ zu fördern. Die Förderintensität soll auf rund 30 Prozent sinken, damit „jeder Fördereuro effektiver eingesetzt“ werden kann. Eine gesetzliche Austauschpflicht sei nicht geplant – man setze auf Freiwilligkeit und Anreize.

Dass die erwartete Zahl dennoch deutlich sinkt, hat einen einfachen Grund: Die Förderungen wurden massiv gekürzt. ÖVP und Grüne hatten für den Zeitraum von 2023 bis 2027 mehr als dreieinhalb Milliarden Euro für die Sanierungsoffensive eingeplant. Die neue Regierung fördert diese Klimaschutzmaßnahme von 2026 bis 2030 nur noch mit 1,8 Milliarden Euro – also weniger als der Hälfte.

Laut Mikrozensus gab es 2023/24 noch über 543.000 Haushalte mit Ölheizungen, 27.000 mit Flüssiggas und 956.000 mit Erdgas. Selbst der NEKP rechnet für 2035 noch mit über 325.000 Gebäuden, die fossil beheizt werden, und für 2040 mit mehr als 184.000.

Im NEKP, der den Pfad zu Österreichs Klimazielen bis 2030 vorzeichnet, sind noch die alten, höheren Förderungen und damit deutlich mehr CO2-Einsparungen vorgesehen. Gewessler hat also recht, wenn sie sagt, dass die Regierung ihre eigenen, in diesem Fall im NEKP definierten Ziele mit dem neuen Budget verfehlt.

Das Ministerium betont allerdings, dass ergänzende Maßnahmen wie thermische Gebäudesanierung, Nahwärmenetze aus Biomasse, Abwärmenutzung und punktuell CO2-Abscheidung bei Großemittenten helfen könnten, verbleibende fossile Heizungen auszugleichen. Konkrete Berechnungen, wie diese Alternativen den Rückstand beim Kesseltausch ausgleichen könnten, liegen derzeit nicht vor.

Aber hat sich die neue Regierung damit auch klar von den EU-Klimazielen bis 2030 verabschiedet? Nicht unbedingt.

Die Inhalte des NEKP sind für die Regierung rechtlich nicht bindend. Der Plan zeichnet einen Weg vor, um die benötigte Treibhausgasreduktion zu erreichen. Unter Leonore Gewessler als Klima- und Energieministerin beinhaltete das eben die höheren Förderungen für den Ausstieg aus Öl und Gas. Doch theoretisch kann die neue Regierung auch einen anderen Weg wählen – solange Österreich bis 2030 das Reduktionsziel von 48 Prozent weniger CO2 als noch 2005 erreicht. Das wäre theoretisch im Wärmebereich auch durch einen massiven Umstieg auf grünes Gas oder durch völlig andere Treibhausgaseinsparungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) möglich. Derzeit einfacher und realistischer wäre aber ein flächendeckender Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen – den die derzeitige Regierung allerdings nicht in einem ausreichenden Tempo vorantreibt.

Verfehlt die Republik die Ziele, drohen Strafzahlungen und Emissionszertifikat-Käufe in Milliardenhöhe.

Fazit

Gewesslers Aussage, Unterlagen der aktuellen Regierung würden zeigen, dass Österreich definierte Ziele beim Heizkesseltausch wohl verfehlt, ist richtig. Ob die EU-Klimaziele bis 2030 daher nicht erreicht werden, lässt sich so allerdings noch nicht feststellen. Denn obwohl der Heizkesseltausch ein wichtiger Teil des im NEKP definierten Pfades zum Erreichen dieser Ziele ist, könnte die Regierung theoretisch auch auf andere CO2-Einsparungsmaßnahmen setzen, um das Reduktionsziel zu erreichen. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Insgesamt ist Gewesslers Aussage daher als größtenteils richtig zu bewerten.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.