Ingrid Brodnig
#brodnig

#brodnig: Geleugnete Tote

Wie das Schicksal einer getöteten Schwangeren für russische Propaganda missbraucht wird.

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Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben, wie widerwärtig die Desinformation über den Ukraine-Krieg ist. Sie erinnern sich vielleicht, dass in Mariupol am 9. März ein Krankenhaus inklusive Geburtsstation bombardiert wurde. Damals veröffentlichte die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) Fotos dieses schrecklichen Angriffs: Ein Bild zeigt eine Frau in gepunktetem Pyjama, sie hat Blut im Gesicht und geht eine Treppe hinunter. Diese Frau ist eine Beauty-Bloggerin - sie und ihr Kind überlebten die Bombardierung zum Glück. Ein zweites Bild zeigt eine Schwangere mit hellem Pulli, die auf einer Trage liegt. Sie hält die Hand auf ihrem Babybauch. Recherchen der Associated Press ergaben, dass diese Frau und ihr Kind nach dem Angriff starben.

Und wissen Sie, was Pro-Putin-Kanäle machen? Sie verbreiten das Gerücht, dieser Vorfall sei inszeniert, beide Fotos würden ein und dieselbe Frau zeigen (die zweite Frau, die gestorben ist, gäbe es also gar nicht). Die russische Botschaft in Großbritannien behauptete, die Beauty-Bloggerin "spielte die Rolle beider Frauen". Das ist eine russische Falschmeldung. Foto- und Videoaufnahmen zeigen deutlich, dass es sich um zwei verschiedene Frauen handelt. Sie tragen anderes Gewand, ihr Gesicht unterscheidet sich, wie auch Faktenchecks des ZDF und der Deutschen Presse Agentur belegen.

Ich halte das für eine besonders widerwärtige Falschmeldung. Hier wird das reale Leid einer Familie, die Existenz einer im Krieg getöteten schwangeren Frau geleugnet und damit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine verharmlost. Auch die rechte Webseite "Wochenblick" mischt mit: Dort wird dieses Gerücht ebenfalls aufgegriffen, die Behauptung der russischen Botschaft zitiert und getitelt: "Fake News zu Klinik-Angriff: Angeblich tote Bloggerin bringt Tochter zur Welt". Der Text lässt die Frage offen, ob wirklich eine Frau und ihr Kind durch die Bombardierung starben - obwohl dies bereits von seriösen Redaktionen überprüft wurde.

Ich bin von windigen Websites viele fragwürdige Artikel gewohnt. Aber ich muss sagen, wie rechte Medien im Ukraine-Krieg agieren, scheint mir ein besonderer Tiefpunkt zu sein. Meines Erachtens ist es zum Schämen, wie das reale Leid von Menschen in der Ukraine kleingeredet wird.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.