Ingrid Brodnig

#brodnig: I can't breathe

Social Media lassen rassistische Polizeibrutalität augenscheinlich werden.

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In den USA gibt es schon seit langer Zeit Studien, die strukturellen Rassismus aufzeigen. Schwarze werden eher von der Polizei gestoppt und eher durchsucht - auch ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie zu Unrecht wegen eines Drogendelikts verurteilt werden. Für die afroamerikanische und ebenso die Latino-Community ist das keine Neuheit. Neu ist aber: Smartphones machen diese Ungleichbehandlung und Polizeigewalt sichtbar. Die "New York Times" hat Handy-Videos von Augenzeugen und Aufnahmen von Überwachungskameras analysiert (zu finden unter nyti.ms/2BcxSpB).

Die Untersuchung der Videos zeigt zum Beispiel, dass George Floyd 16 Mal sagte, dass er nicht atmen konnte, als der Polizist Derek Chauvin auf seinem Hals kniete. Durch Smartphones und Social Media kommt es zur Verbreitung furchtbarer Bilder, die aber wichtig sind: So führte Facebook im Jahr 2016 die Funktion "Facebook Live" ein: Jeder User kann seither live streamen. Im selben Jahr erschoss ein Polizist in Minnesota den Afroamerikaner Philando Castile. Der Mann war lediglich mit seiner Freundin und ihrem Kind im Auto gesessen. Nach den Schüssen des Polizisten begann die Frau, live auf Facebook zu streamen -und machte den Vorfall bekannt. "Nicht der Rassismus wird schlimmer, sondern er wird gefilmt", sagte Schauspieler Will Smith kurz darauf.

"Bilder kann man nicht so leicht ausblenden."

Solche Funktionen werden natürlich auch missbraucht: Zum Beispiel übertrug der Terrorist von Christchurch seine rechtsextreme Tat live auf Facebook. Doch solche Tools können sehr wohl für gute Zwecke genutzt werden. Hashtags wie #BlackLivesMatter führen dazu, dass die Debatten am Köcheln bleiben, und Bilder leisten Aufklärungsarbeit: Früher konnten Augenzeugen oft nicht belegen, wie brutal manch ein Beamter vorging. Und wenn von Rassismus Betroffene davon erzählen, werden oft Zweifel geäußert. War das wirklich so schlimm? Hat die Person das vielleicht selbst provoziert? Es fällt Nichtbetroffenen von Rassismus oft leicht, Erzählungen von Diskriminierung zu verharmlosen oder die Schuld beim Opfer zu suchen. Aber Bilder kann man nicht so leicht ausblenden, Ausflüchte zu suchen, fällt dann schwerer. Technik kann nicht im Alleingang das Problem des Rassismus lösen, aber sie kann es zumindest sichtbarer machen.

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Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.