Ingrid Brodnig

#brodnig: Keine Kassa, bitte!

Amazon betreibt nun einen großen Supermarkt ohne Kassa – das wirft Fragen auf.

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Amazon hat in Seattle seinen ersten großen Lebensmittelladen eröffnet, in dem man ohne Kasse einkaufen kann. Bisher gab es diese Geschäfte nur im Kleinformat: In manchen Städten betreibt Amazon kleine Läden, in denen man beispielsweise Snacks für die Mittagspause oder Fertigprodukte fürs Abendessen kaufen konnte – die Bezahlung funktioniert automatisiert. Ich habe so einen Laden besucht: Wer das Geschäft betritt, muss zuerst die App „Amazon Go“ herunterladen (so heißen diese Supermärkte) und beim Eingang das Smartphone auf einen Scanner legen. Ab dann weiß die Software, wo man sich im Geschäft aufhält. An der Decke sind Videokameras angebracht, die Regale beinhalten Gewichtssensoren. Automatisiert registriert Amazon, welche Produkte jemand aus den Regalen nimmt oder zurückstellt. In San Francisco habe ich das ausprobiert und Knabberzeug sowie Getränke gekauft und wortlos den Laden verlassen. Automatisch hat mir Amazon den richtigen Betrag abgebucht. Das System funktioniert – jetzt bietet Amazon es auch in größerem Umfang an. Waren die „Amazon Go“-Läden bisher auf 110 bis 220 Quadratmeter beschränkt, umfasst der neue Laden 960 Quadratmeter.

Können wir noch shoppen gehen, ohne dass unser Einkauf digital erfasst wird?

Für Kunden ist das bequem: Man muss nicht beim Zahlen Schlange stehen. Aber für all jene, die im Supermarkt an der Kassa arbeiten, klingt das wohl unbehaglich: Technik ersetzt ihre Tätigkeit. Amazons Technologie ist auch praktischer als die Selbst-Scan-Kassen, die es in Österreich gibt: Denn als Einkäufer hat man keine zusätzliche Arbeit, muss nichts scannen. Der Supermarkt ohne Kassa wirft die Frage auf, wie sich die Jobs im Handel verändern, ob insgesamt Arbeitsplätze wegfallen. Aber auch die Privatsphäre von uns Käufern ist bei dieser Entwicklung ein interessantes Thema: Natürlich weiß Amazon, was man eingekauft hat – Barzahlung gibt es nicht, nur wer sich identifiziert, kann den Laden betreten. Wenn solche Technologie zunehmend üblich wird, müssen wir überlegen: Können wir noch shoppen gehen, ohne dass unser Einkauf digital erfasst wird? Schließlich sagt das Einkaufsverhalten viel über einen Menschen aus (vom Alkohol bis zu den Verhütungsmitteln).

Der digitale Wandel schreitet rasant voran und wirft große Fragen auf – nur wir als Gesellschaft sind deutlich langsamer, diese Fragen zu beantworten.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.