Ingrid Brodnig

#brodnig: Pass auf!

Ein Buchtipp für Menschen, die nicht ständig auf ihr Handy schauen wollen.

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Es ist ein bisschen kurios, ein Buch mit dem Titel "How to Do Nothing" zu lesen. Ist es wirklich so schwierig, nichts zu machen? Außerdem ist Lesen ja auch eine Aktivität -man macht also erst recht wieder etwas. Aber in Jenny Odells Buch "How to Do Nothing" geht es gar nicht um Inaktivität, sondern um die Fähigkeit, innezuhalten und die Umwelt aufmerksam zu betrachten.

Ständige Unruhe

Ihr Buch ist auch eine Abrechnung mit heutigen Social-Media-Plattformen, die davon leben, uns permanent abzulenken. "Eine der beunruhigendsten Weisen, wie die sozialen Medien in den vergangenen Jahren genutzt wurden, ist dieses Schüren von Wellen der Hysterie und Angst, sowohl von Nachrichtenmedien als auch von Usern selbst. Versetzt in einen permanenten Zustand der Aufregung, erzeugen und unterwerfen sich Menschen einem Nachrichtenzyklus, beschweren sich über die Beunruhigung, während sie gleichzeitig umso eifriger darauf zugreifen", schreibt die Amerikanerin Odell. Wobei ihr Buch Auswege aufzeigt. Odell ist Künstlerin und begeisterte Vogelbeobachterin, viele Passagen behandeln, wie man lernen kann, seiner Umgebung fokussierte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen (im Gegensatz zur flüchtigen Aufmerksamkeit, etwa beim Scrollen auf Twitter).

Volle Aufmerksamkeit

Sie geht auf den österreichisch-israelischen Philosophen Martin Buber ein, der menschliche Begegnungen in die Kategorien "Ich-Es" und "Ich-Du" unterteilt. Während wir bei Ich-Es-Beziehungen den anderen wie einen Gegenstand in Form einer Nutzbeziehung wahrnehmen, baut die Ich-Du-Beziehung auf dem Bewusstsein auf, dass der andere ein gleichwertiger Mensch ist. Erst das Wahrnehmen des anderen in Form der Ich-Du-Beziehung ermöglicht ein ernsthaftes Einlassen auf das Gegenüber. Odells Buch ist bisher nur auf Englisch erschienen, aber wer das Gefühl hat, die eigene Aufmerksamkeit sei zu zerstreut, dem kann dieses Werk empfohlen werden. Es geht eben nicht darum, nichts zu tun, sondern dem, was wir tun, und den Menschen rund um uns unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter: [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.