Ingrid Brodnig

#brodnig: PR statt freie Presse

Ein Papier der deutschen Start-up-Szene lässt erahnen, welch bedenkliche Ideen über Medien kursieren.

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Ein Dokument sorgt in Deutschland für Aufsehen: Ein Beirat, der den deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier berät, hat in einem Positionspapier angeregt, die Pressefreiheit ein Stück weit einzugrenzen. Zum Beispiel soll es zu einer "Disziplinierung der Presse" kommen, "zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information" über Börsengänge. Wer definiert, was "sachlich" oder "vollständig" ist, lässt das Papier leider unerwähnt, auch wenn das eine wichtige Frage wäre.

Zudem ist von einer "Verpflichtung der Presse zur Berichterstattung" zu lesen, selbst über Börsengänge kleiner Unternehmen. Das würde also bedeuten: Nicht die Redaktionen selbst dürfen entscheiden, was ihnen relevant genug erscheint und wofür sie Personal abstellen, sondern über jedes Unternehmen müsse demnach beim Börsengang ein Artikel geschrieben werden. Das widerspricht der Idee der Pressefreiheit.

Die Ansätze finden sich im Positionspapier zum Thema "Börsengänge deutscher Start-ups" des Beirats "Junge Digitale Wirtschaft", das auch auf der Website des deutschen Wirtschaftsministeriums zu finden war, wie das "Handelsblatt" herausfand.

Mittlerweile hat sich Minister Altmaier davon distanziert und gesagt, ihm sei das Dokument nicht bekannt gewesen. Auch die Vorsitzenden des Beratungsgremiums sprechen von einem "Fehler" und einer "vorläufigen Arbeitsversion". Trotzdem ist der Aufschrei groß: Denn es ist bemerkenswert, dass solche Ideen überhaupt in ein Arbeitspapier Eingang finden.

Auch wirft das Papier die Frage auf, welche Vorstellung von Medien einzelne Vertreter der Start-up-Szene haben. So berichtet das Online-Medium "Gründerszene": "Beinahe täglich fragen Start-ups in unserer Redaktion an, ob wir sie nicht 'beim Launch supporten' oder ihr 'nächstes Funding pushen' könnten. Und bekannte Investoren schreiben uns nach negativen Berichten, die Aufgabe der Start-up-Presse sei doch, 'die Szene nach vorne zu bringen'."

Aber nein, die Aufgabe der Presse ist es nicht, positive Stimmung für Unternehmen zu machen. Ich verstehe, dass Unternehmer auf gute Presse hoffen, und auch, dass manche sich manchmal unfair behandelt oder zu wenig thematisiert fühlen - aber die Antwort kann nicht sein, Medien vorzuschreiben, worüber oder wie sie zu berichten haben. In so einem Fall will man keine Presse, sondern PR.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.