Kolumne

#brodnig: Trumps Schuld und fehlende Sühne

Donald Trump darf zu Facebook und Twitter zurückkehren-die Frage ist, was ihm das konkret politisch bringt und ob eine lebenslange Sperre gerechter wäre.

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Eine Frage beschäftigt mich sehr: Soll es eine lebenslange Verbannung von Social-Media-Plattformen geben-ist es in Ordnung, Menschen für immer von Facebook/Twitter/TikTok etc. auszusperren? Aktuell gibt es den Anlass, dass Donald Trump wieder zu den großen Plattformen Facebook, Instagram und Twitter zurückkehren darf. Im Jahr 2021 hatten diese Unternehmen Trump verbannt, weil er mit seinen Postings Falschmeldungen über die US-Wahl verbreitet, konkret behauptet hat, die Wahl wäre manipuliert und das Amt somit gestohlen worden, und weil angestachelt von solchen Erzählungen ein wütender und zum Teil auch gewalttätiger Mob das US-Kapitol stürmte. Das Aufheben der Trump-Sperren wirft nun viele Fragen auf:

Muss man fürchten, dass Trump erneut online Falschmeldungen verbreitet und so zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt? Eindeutig: Ja. Es gibt keinen Grund, zu glauben, dass sich Trump geändert hätte. Aktuell ist er einzig und allein auf der von ihm gegründeten Plattform Truth Social aktiv, dort verbreitet er wiederholt Falsches über die Wahl, spricht von einer "rigged election", und er teilt Posts von QAnon-Verschwörungsgläubigen . Trump ist weiterhin Trump. Das Gute ist nur, dass das kaum jemand mitbekommt, weil Truth Social kein Erfolg ist. Ungünstig wirkt sich für den Ex-Präsidenten aus, dass er sich vertraglich verpflichtet hat, alle Postings zuerst auf Truth Social abzusetzen. Erst sechs Stunden danach darf er sie anderswo posten. Ab Juni kann Trump vertraglich aus dieser Vereinbarung aussteigen. Das Medium "Rolling Stone" berichtete, dass Trump dies auch möchte (das Unternehmen hinter Truth Social dementiert dies).Aber zusammengefasst: Rein rechtlich könnte Trump bald in der Lage sein, Facebook und Twitter wieder ganz für seine Zwecke zu nutzen.

Was bringt Trump Facebook und Twitter denn aktuell? Simpel: Will er noch einmal Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei werden, braucht er diese Kanäle. In den republikanischen Vorwahlen könnte ihm womöglich der Rechtsaußen-Politiker Ron DeSantis, Floridas Gouverneur, gefährlich werden. Facebook und Twitter helfen Trump, Spenden und Sichtbarkeit zu erhalten. Gerade im US-Wahlkampf eignet sich Facebook als Spenden-Tool: Trumps Team kann dort wiederholt Fans dazu motivieren, kleine Beiträge an die Kampagne zu überweisen. Twitter wiederum eignet sich für Trump als Kanal, um Themen zu setzen: In der Vergangenheit war es so, dass Trump dort atemberaubend falsche oder herabwürdigende Aussagen machte-und diese Tweets wurden dann kostenlos auf und ab in Medien zitiert. Dass nun Elon Musk Twitter besitzt, ist für Trump ein Segen. Denn dort muss er nicht fürchten, für derartige Rhetorik und Provokationen ausgesperrt zu werden. Bei Facebook wiederum gibt es eine Regel, die Politiker:innen vor Faktenchecks schützt. Zur Erklärung: Die Plattform kooperiert mit Faktencheck-Organisationen. Wenn ein Posting als Falschmeldung eingestuft wurde, kann dazu ein Warnhinweis auf Facebook erscheinen-mit einer Ausnahme. Die Postings von Politiker:innen dürfen nicht faktengecheckt werden. Meta, das Unternehmen hinter Facebook, erklärt das damit, dass man in die Rede von Politiker:innen nicht eingreifen wolle. Ich halte das für eine falsche Richtlinie: Denn gerade bei Menschen, die sich um öffentliche Ämter bewerben, sollte darauf hingewiesen werden, wenn diese nachweisbar etwas Falsches verbreiten. Auch von dieser Regel profitiert Trump, der mit besonders vielen falschen Aussagen auffällt.

Facebook ist für Trump wichtig - weil er dort gut Spenden sammeln kann.

Jetzt zur Kernfrage: Wäre es besser, Trump viel länger oder gar lebenslang auszusperren? Und generell: Sind lebenslange Plattformsperren auf Social Media eine gute Idee? Auf Twitter zum Beispiel war Trump ohne zeitliche Frist gesperrt, bis Elon Musk dies aufhob. Auf Facebook betrug die Sperre zwei Jahre und wurde nun beendet. Ich glaube, dass es gute Argumente gegeben hätte, Trump deutlich länger als zwei Jahre auszusperren. Eine Sanktion, bei der ich aber offen gesagt skeptisch bin, sind zeitlich unbegrenzte Sperren-speziell gegenüber amtierenden Politiker:innen oder politischen Kandidat:innen. Denn Facebook, Instagram, Twitter und Co. haben enorme Macht. Sie sind mitverantwortlich, worüber in Wahlkämpfen diskutiert wird, sie beeinflussen, wer in der politischen Arena gut sichtbar ist und wer nur Zaungast sein darf. Es erscheint mir undemokratisch, einer Person auf Lebenszeit die Möglichkeit zu nehmen, Teil der digitalen Debatte auf führenden sozialen Plattformen zu sein. Vor allem aber erscheint es mir undemokratisch, dass dies derzeit eine Streitfrage ist, deren Beantwortung wir einzelnen wenigen marktführenden Plattformen oder einzelnen Personen wie Mark Zuckerberg und Elon Musk überlassen. Ich zum Beispiel fände es interessant, über eine Medienbehörde nachzudenken, die speziell für politische Akteur:innen und Wahlkämpfe Leitlinien vorgibt-zum Beispiel, wann eine Sperre stattfinden darf und wie lang diese sein kann. Und die womöglich auch strittige Fälle entscheidet. Vielleicht gibt es auch bessere rechtliche Ideen als diese-vor allem sollten wir eben Facebook und Co. solche wichtigen Fragen in Zukunft nicht mehr im Alleingang entscheiden lassen.

Was denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter [email protected] 

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Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.