Fußball-Trainer Andreas Ogris steht auf dem Trainingsplatz des USV Neulengbach, im Hintergrund trainiert die Damenmannschaft
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Damen-Trainer Andreas Ogris: „Ich bin kein Feminist“

Der urige Ex-Fußballstar Andreas Ogris fand nach seiner aktiven Karriere lange keine wirkliche Rolle im Fußballgeschäft. Nun trainiert er die Frauen des USV Neulengbach – und kämpft gegen Vorurteile.

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Von Andreas Ogris existieren zwei Bilder. Da ist das des heißblütigen Kickers, der mit verschwitztem Vokuhila zur Fußball-Legende wurde – und dessen Nase-an-Nase-Duell bei einem Wiener Derby 1996 mit dem ebenso hitzigen Didi Kühbauer ikonenhaften Status erreichte. Ogris war ein Star bei Austria Wien, in Barcelona, im Nationalteam.

Die Sportlerpension verlief weniger glamourös: Trainer in Simmering, Stockerau, Schwadorf, im Austria-Nachwuchs. Erfolge, wie sie Ogris als Spieler erzielt hatte, blieben auf der Trainerbank aus. Herbert Prohaska forderte im TV einst einen Job für seinen Freund, mit dem Verweis, dieser könne gar „Barcelona trainieren“. Ogris wurde daraufhin zum Gespött. Seine öffentliche Figur changiert zwischen wildem Hund und feuchtfröhlichem Hallodri. Vor fünf Jahren tanzte er bei „Dancing Stars“ mit – und musste sich in Interviews für seinen Bierbauch rechtfertigen.

Nun schlägt er ein neues Kapitel auf. Seit diesem Sommer trainiert Ogris das Damenteam des USV Neulengbach. Junge Frauen zwischen 16 und 31 Jahren, die hier für eine geringe Aufwandsentschädigung in der Bundesliga kicken. Ogris ist nun mit Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Feminismus oder dem weiblichen Menstruationszyklus befasst.

Ein trüber Nachmittag, Ende September. Ogris trägt ein dunkles T-Shirt, Joggingweste, Dreitagebart. Der 60-Jährige ist schlanker als noch vor ein paar Jahren, er wirkt ernst und gereift. Zum Training erscheint er mit Käppi und Trillerpfeife, die er fleißig nützt und die Frauen zackig um sich versammelt. Sportlich läuft es noch nicht rund: In neun Ligaspielen gab es sechs Niederlagen, nur einen Sieg. Das Gespräch mit Ogris findet auf einem Heurigentisch im in die Jahre gekommenen Wienerwaldstadion statt. Es ist herbstlich frisch, knapp über zehn Grad. Ogris will dennoch draußen sitzen. „Stört es, wenn ich rauche?“, fragt er und steckt sich eine Zigarette an. Der heimische Bundesliga-Frauenfußball und Ogris haben eines gemeinsam: Sie kämpfen beide gegen ihr Image und um mehr Anerkennung. Kann Ogris in Neulengbach zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen?

Herr Ogris, Sie waren jahrzehntelang im Männerfußball aktiv – nun coachen Sie das Damenteam des USV Neulengbach. Sind Frauen oder Männer einfacher zu trainieren?

Andreas Ogris

Eigentlich Frauen. Sie sind lernwilliger, motivierter, wollen jeden Tag besser werden. Das ist bei Männermannschaften oft nicht so. Da wissen einige alles besser, glauben schon früh, dass sie die Champions League gewonnen haben – und sind nicht so offen für Erklärungen.

Der ehemalige ÖFB-Frauen-Teamchef Dominik Thalhammer meinte, dass man bei Männern „auch einmal harte Worte finden“ könne, bei Frauen aber mehr Zurückhaltung gefragt sei.

Ogris

Ich habe meine Wortwahl schon abgeändert. Im Männerbereich kann man rustikaler und härter sein. Bei Frauen ist das nicht angebracht, weil sie sonst ein Hunderter-Packerl Fee brauchen würden. Andererseits: Wenn eine Flanke hinter das Tor geht, dann nenne ich sie auch hier eine Scheißflanke – und keine suboptimale.

Und damit kommen alle klar?

Ogris

Ja, die Frauen wollen ehrliches Feedback – aber es darf nicht respektlos werden.

Noch so eine Zuschreibung, die immer wieder auftaucht: Es heißt, dass Frauen fairer spielen als Männer.

Ogris

Ja, leider. Manchmal würde ich mir wünschen, dass sie dreckiger spielen. Ich will jetzt keine schiefe Nase sehen oder einen zertrümmerten Knöchel – aber einen körperlich einwandfreien Zweikampf.

Ex-Frauen-Teamchef Thalhammer wurde als „Frauenversteher“ veräppelt. Was bekommen Sie zu hören?

Ogris

Es hat keiner erwartet, dass der Ogris jemals eine Frauenmannschaft trainiert. Aber die Reaktionen waren alle positiv. Für mich ist das eine Chance. Ich bin schon lange Frauenfußball-Fan, weil dort nicht mehr wie wild im Rudel umhergerannt wird, sondern Taktik und System dahinterstehen.

Wie wollen Sie dem Frauenfußball helfen?

Ogris

Wir haben hier viele junge Mädchen, die schon Bundesliga spielen und sich da beweisen müssen. Ich arbeite mit ihnen an Passqualität, Zweikampfverhalten und Ballbehauptung.

Dürfen Sie als Mann eigentlich in die Frauenkabine?

Ogris

Nein. Für mich ist das eine Tabuzone. Aber leichtgefallen ist mir diese Umstellung nicht. Ich bin vom Naturell ein emotionaler Typ, der nach einer schwachen Halbzeit in die Kabine reinprescht, lauter wird, etwas bewegen will. Aber das geht hier nicht.

Wo sprechen Sie dann zu Ihren Spielerinnen?

Ogris

Ich schicke die Feli (Co-Trainerin Felizitas Schneider, Anm.) hinein – und die sagt ihnen, dass ich in fünf Minuten drinnen bin und bitte keine halbnackt herumrennen soll. Das funktioniert. Auch ihren Massageraum betrete ich nicht. Mein Büro ist ganz oben im Stadion – dort ziehe ich mich um.

Sie sind im Wien der 1960er-Jahre aufgewachsen, in Fußballkäfigen und auf Betonplätzen – spielten damals auch Mädchen mit?

Ogris

Ich könnte mich nicht erinnern, dass jemals ein Madl dabei war. Wäre eines gekommen und hätte gefragt, ob sie mitspielen darf, wäre das kein Problem gewesen. Im schlimmsten Fall hätten wir sie ins Tor gestellt.

Frauen durften bis in die 1970er-Jahre nicht legal Fußball spielen. Vom Gesetzgeber wurde auf „die Gefährdung der Gebärfähigkeit“ verwiesen. Heute noch kämpft der Frauenfußball gegen Vorurteile …

Ogris

… dauernd wird der Frauen- mit dem Männerfußball verglichen. Aber es gibt körperliche Unterschiede. Der Männerkörper ist halt ein anderer.

Es gibt die Idee, den Frauenfußball mit verkleinerten Feldern, weniger Spielzeit, einem kleineren Ball und niedrigeren Toren zu spielen.

Ogris

Das ist ein absoluter Schwachsinn. Der Frauenfußball verträgt diese Felder. Die Mädchen rennen bei Spielen nicht viel weniger Kilometer als die Männer. Und sie brauchen auch kein kleineres Tor.

Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.