Das Wiener Gasthaus Stafler ist gerettet: „Zum Bretschneider“
Für Marie und Georg Stafler ging es im Herbst 2024 mit ihrem alteingesessenen Wirtshaus im 12. Wiener Gemeindebezirk notgedrungen zu Ende – eine Krankheit zwang sie zur Schließung. Die Nachfolgersuche gestaltete sich herausfordernd, bis der Liedermacher Voodoo Jürgens einen Facebook-Hilferuf verbreitete. Es folgte der virale Ausnahmezustand, eine Vielzahl von Bewerbungen trudelte ein, und mit 4. September haben nun tatsächlich die Nachfolger den Betrieb aufgenommen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass Jürgen Sattler und Klaus Silberbauer die mit 32.000 Euro veranschlagte Ablöse bezahlt haben, schließlich haben sie das alte Gasthaus originalgetreu samt schmucker Bretschneider-Schank belassen (ja, daher auch der Name). Inhaltlich schaut’s aber schon ein bisschen anders aus: Die beiden setzen sich vom Südtiroler Kücheneinschlag ihrer Vorgänger ab und präsentieren Wiener Wirtshausklassiker mit Einschüben aus Kärnten und dem Burgenland.
Zum Start ein paar kleine Schweinereien: Das „Bretschneider Brettl“ (Bild oben) ist das, was manch einer als Kärntner Jause bezeichnen würde. Zu dünn aufgeschnittenem Bauchspeck, Osso Collo und einer Hartwurst gesellen sich ein milder Liptauer und ein bisschen (zu wenig) Brot. Das Grammelpogatscherl sorgt für den burgenländischen Brückenschlag. Ein bisschen mehr Gemüse hätte dem Ganzen vielleicht nicht geschadet, aber in Summe ist das schon ein netter Einstieg. Auf nette Weise konsequent ist das Beef Tatar. Klassisch gehackt, mit Gurken, Kapern und Zwiebeln vermengt sowie von einem angenehm säuerlich abgeschmeckten Vogerlsalat-Kranz umschlungen. Ein bisschen Butter noch zum getoasteten Schwarzbrot, und fertig ist der Spaß.
Das Altwiener Backfleisch (Bild oben) wurde vor der Panierung mit viel Senf bestrichen und nach der Frittierung noch mal mit Kren getoppt – herrlich derb. Beilage gibt es nur zum Aufpreis von 4,50 Euro: Der Vogerlsalat ist so gelungen wie schon beim Beef Tatar, der Erdäpfelsalat vielleicht eine Spur zu sehr Püree. Das „Andauer Beuschl“ (Bild ganz oben) ist dann tatsächlich ganz etwas anderes, als man es erwarten würde, und zwar ein Beuschl, das auf Lunge verzichtet. Nur würfelig geschnittenes Herz und Zunge schwimmen in einer dicklichen Einbrennsauce – nein, das ist kein Nepp, die Karte klärt vorher darüber auf. Mitsamt dem Semmelknödel kann man festhalten: Andau, die neue Beuschl-Metropole.
Herzhaft dann die eindeutig selbstgemachten Mohnnudeln (Bild oben) mit einem sehr zupackenden Erdäpfelteig und genial-schlichtem Hollerröster darunter.
Im Stafler-Nachfolger ist ein sympathisches Team am Werk, das die Küchenline in die vorhandenen Gegebenheiten einpasst und es trotzdem nicht verabsäumt, durch kleine Schlenker Eigenständigkeit zu vermitteln. Auch die Preisgestaltung fühlt sich mehr als fair an. Im „Zum Bretschneider“ gibt’s kein Getue, dafür gutes, unkompliziertes Essen, ein nettes Team, eine sehr solide Weinkarte und am Ende auch kein besonders großes Loch in der Brieftasche.
Stimmung: Vorstadtgasthaus
Empfehlung: aktuell abends besser nicht ohne Reservierung kommen
Preisverhältnis: Vorspeisen: 7-15 Euro, Hauptspeisen: 14-21 Euro, Desserts: 4-10 Euro
Zum Bretschneider
Ehrenfelsgasse 4
1120 Wien
zumbretschneider.at