Auf dem Bild ist eine Kärntner Kasnudel mit Pinienkernen und Kaiserschoten zu sehen
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Kasnudel im Tschocherl: Das „Sopherl am Naschmarkt“ ist wieder da

Ein Hauch von Wolfgang Puck, Paprikahendl und ein paar Gastro-Baustellen: Das Wiener „Sopherl“ hat wieder offen.

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„Des Sopherl is zruck“, steht seit Kurzem auf den Fensterscheiben des alteingesessenen, am Wiener Naschmarkt gelegenen ehemaligen Tschocherls – verantwortlich für diese prominente Rückkehr ist der in Wien und in den sozialen Medien sehr bekannte Gastronom Jing Chen. Es handelt sich um Chens neuestes Projekt, bisher hatten sie eine eher asiatische Küchenausrichtung – in dem Klassikerwirtshaus setzt er jetzt aber eher auf Wirthausklassiker.

Das Bild zeigt das Lokal "Sopherl am Naschmarkt" von außen
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Seit dem Jahr 2019 herrschte Funkstille im „Sopherl“, Chen hat eine Art modernes Beisl mit Stil daraus gemacht: schlicht, elegant, schön. Küchentechnisch hat in dieser Wiener Institution ein Kärntner das Sagen: Nein, es ist nicht Wolfgang Puck, sondern Mike Köberl. Puck hat aber in Köberls Kochleben doch einige Spuren hinterlassen, wie uns das Service erzählt.

Zu erzählen vergessen hat man uns dafür, dass die Wiener Gabelbissen heute leider aus sind. Okay, ist halt so. Deshalb fragen wir nach der Karpfenmousse auf Brioche. Leider: Die gibt es heute auch nicht mehr. Kleiner Hinweis: So was weiß der Gast gerne vor der Entscheidungsfindung.

Auf dem Bild sieht man ein rotes und gelbes Rüben-Mousse
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Notgedrungen wird es also die rote und gelbe Rübe mit Pinienkernen und Feta (Bild oben). Erwartet hätte ich vielleicht ein Carpaccio, gekommen ist zweimal Rüben-Mousse, die gelbe ist süßlich, der roten fehlt ein bisschen die Power. Der drübergebröselte Feta macht nicht viel verkehrt, trotzdem ist der Teller eher ein Dip als eine Vorspeise. Er wirkt wie nicht zu Ende gedacht. Vielleicht Brot als inkludierten Teil dazu? Vielleicht die Rübe zweimal unterschiedlich verarbeitet servieren?

Jetzt zum Must-have, der Kasnudel (Bild ganz oben). Sie gelingt außerhalb Kärntens eigentlich nie – meist bekommt der Gast eine ungekrendelte Teigtasche mit irgendwas drin und und irgendwas drauf. Köberl macht das aber ordentlich, mit Minze und viel brauner Butter getoppt. Warum er aber (zu) dunkel geröstete Pinienkerne und sautierte Kaiserschoten drüberstreut, erschließt sich nicht. Ein Hauch zu viel Hollywood vielleicht?

Bevor es zu den Hauptspeisen kommt, noch ein kleiner Einschub aus dem Kellner-Einmaleins: Das Besteck, das der Gast artig, fein und säuberlich auf die leer gegessenen Teller gelegt hat, klaubt das Service nicht wieder runter, um es für die Hauptspeise liegen zu lassen.

Auf dem Bild sieht man Fettucine mit Garnelen
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Bei den „Fettuccine Sopherl“ (Bild oben) hätte die Sopherl die Fettuccine noch ein bisschen länger im Wasser lassen können, sie wären selbst in Italien noch zu al dente. Was genau daran jetzt so Sopherl-typisch sein soll … Wer weiß? Es ist eine ölige Sauce mit getrockneten Tomaten und Kapern, die wie durch ein Wunder nicht zu intensiv wirken. Pluspunkt: Die Garnelen wurden sehr sicher gesondert gegrillt und sind deshalb auch schön glasig geblieben.

Sehr geglückt ist dafür das „Signature Paprikahendl“ (Bild unten). Es wurde von der Sauce getrennt gegrillt und hat eine schön knusprige Haut behalten. Die Spätzle bilden dann den konsequenten Gegenpart zu den Nudeln – sie sind ein bisschen zu lange im Wasser geblieben und schmecken nach nicht viel. Der Salat kann das Ganze schön abrunden.

Auf dem Bild sieht man ein Paprikahendel mit Spätzle und Salat
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Der Sopherl-Apfelstrudel ist wahrscheinlich gut, aber ebenfalls aus, immerhin wissen wir es diesmal vorher. Auf der Dessert-Karte bleiben Chocolate-Gateau-Kuchen und einmal Grießkuchen übrig. Ersterer ist ein dunkler, fast schon Schokomousse-artiger Kuchen, schlicht, aber adäquat mit ein paar Beeren ausdekoriert. Beim Grießkuchen samt Filoteig sind die Früchte dann gleich mehrfach am Teller, einmal von Fruchtsauce umschlungen, einmal im Naturzustand.

Ja, des Sopherl is zruck, und ein bisschen Luft nach oben gibt es darin schon noch. Was nach dem ganzen Gesudere aber durchaus positiv erwähnt werden darf, ist die Preisgestaltung: Drei-Gänge-à-la-carte-Menüs für zwei Personen in Summe unter 100 Euro – zumindest in Wien ist das längst nicht mehr selbstverständlich.

Stimmung: Beisl modern
Empfehlung: vorher fragen, was es alles gibt 
Preisverhältnis: Vorspeisen 6–19 Euro, Hauptspeisen 16–38 Euro, Dessert 6–7 Euro

Sopherl am Naschmarkt
Linke Wienzeile 34, 1060 Wien 
sopherl.wien

Stephan Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.