Das Bild zeigt den Eingang zum "All you can eat" Weihnachtsmarkt
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Der „All you can eat“-Weihnachtsmarkt im Wiener Prater enttäuscht

Sie haben Weihnachten gestohlen! Lokalaugenschein am ersten „All you can eat and drink"-Weihnachtsmarkt Wiens.

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Alle Jahre wieder diese Weihnachtsmärkte! Der Punschpreis heuer, eine Frechheit! Das Essen? Immer das Gleiche! Generell gibt’s dort nur Klumpert, kalt is’ auch. Bitte ned!

Für Menschen, die ungefähr so über Weihnachtsmärkte denken und sich aus Angst vor der möglicherweise bald im Freundeskreis gestellten Frage „Gemma noch vor Weihnachten auf an Glühwein nach Schönbrunn?“ schon passende Ausreden (Pro-Tipp: Großeltern-Geburtstag) zurechtgelegt haben: Auf der Spenadlwiese im Wiener Prater gibt es Abhilfe: In der „Der Garten“-Location wird aktuell der erste „All-you-can-eat-and-drink-Weihnachtsmarkt“ der Stadt veranstaltet. Weihnachtliche Stimmung kommt dort kaum auf. Dass das so geplant war, darf allerdings bezweifelt werden.

Anfangs wirkt das Konzept für den Grinch von Welt noch durchaus bedrohlich: Die dicken, aufgeblasenen Weihnachtsmannfiguren, die man bereits beim Anstehen erspäht, künden vom nahenden Power-of-Love-Unheil. Innere Unruhe macht sich breit, als der Türsteher meine Erwachsenenkarte (inklusive Alkohol) um auch nicht gerade schlanke 45,90 Euro einscannt. Dazu kommt noch eine ominöse Online-Ticketgebühr von 4,01 Euro, keine Ahnung wofür. Immerhin ist drinnen alles gratis!

Das Bild zeigt einen Beerenpunsch
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Die Karte gilt für einen bestimmten Timeslot, es gibt drei pro Öffnungstag (Donnerstag bis Sonntag), jeder dauert 2,5 Stunden. Was man in der Zeit wohl Spannendes erleben kann? Feuertonnen und Lichterketten sollen beeindrucken, ein Kinderstrohbecken für kleine Besucher einen Ort voller Weihnachtsmagie bieten. Mir kommen die Tränen. Der Garten ist allerdings liebevoll dekoriert. Später, wenn es dunkel wird, funktioniert der Lichterketten-Trick tatsächlich so gut, dass sich Florian Silbereisen mit seinem 100.000-Lichter-Adventfest mal schämen gehen kann. Um die mittig platzierten Stehtische gibt es verschiedene Stationen: Barbecue, Hüttenschmaus, süßes Eck, Langos und natürlich ein Glühwein- und Punschstand. Wer jetzt aber denkt, das kleine blaue Punschhäferl (Bild oben) sei im Preis inbegriffen, der irrt.

Das Bild zeigt einen Hot Dog
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Erstes Türchen, Barbecue: Der Hot-Dog (Bild oben), eher eine Hot-Dog-Miniatur, ist okay, aber insgesamt hätte man da schon nach Höherem streben können – es existieren bessere Frankfurter, besseres Brot und auch ausgefallenere Saucen. Der Kartoffelpuffer ist halt, was er ist, die Linsensuppe funktioniert leider gar nicht – der verliebte Koch hat Salz mit Pfeffer verwechselt. Herzerwärmend, so was.

Aber wo es Linsensuppe gibt, gibt’s auch Käsespätzle, also noch mal zurück: Jetzt muss ich allerdings gut fünf Minuten warten, was ich als nicht besonders dramatisch einstufen würde. Mit dieser Einschätzung bin aber offenbar in der Unterzahl. Man habe hier ja nur 2,5 Stunden Zeit, schallt es da lieblich aus der Reihe, da möge es gefälligst keine Wartezeit geben. Einfach herrlich, diese friedliche Stimmung! Sie macht Weihnachten doch erst so richtig aus.

Das Bild zeigt Käsespätzle
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Die Käsespätzle (Bild oben) haben einen guten Biss, Gleiches gilt für den Germknödel. Der schmeckt, aber an ihm wirkt wirklich nichts selbstgemacht, auch nicht die Vanillesauce. Abschließend erfordern die gebackenen Mäuse aufgrund ihrer unglaublichen Zähigkeit noch einen Kau-Kraftakt, Glühwein hilft beim Runterspülen.

Was jetzt noch? Ja … Gute Frage. Viel passiert nicht mehr. Das Geschenk für die Tante, die mal wieder Seife vertragen könnte – hier werde ich es nicht finden. Der Weihnachtsmarkt im Garten ist eher ein hübsch beleuchteter Food-Court. Das Problem dabei: Das Essen ist, typisch „all you can eat“, nicht gut genug, um als Hauptdarsteller zu taugen. Die sehr netten Mitarbeiter können das auch nicht rausreißen. Für Weihnachtsmarkt-Fans lohnt sich der Besuch kaum, sie werden das typische Flair hier nur sehr abgespeckt vorfinden. Für Foodies lohnt der Besuch ebenfalls nicht, dafür ist das alles ein bisschen zu sehr 08/15 und dafür recht teuer. Aber das Fest der Weihnacht, ja, das findet doch bekanntlich nicht auf Märkten, sondern im Herzen statt, fragen Sie ruhig Florian Silbereisen. In diesem Sinne: Schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Stimmung: Weihnachts-Food-Court
Empfehlung: nur mit Hunger und Durst kommen
Preisverhältnis: Kinder (6–12 Jahre): 19,90 Euro, Jugend (13–15 Jahre): 24,90 Euro, Studenten: 34,90 Euro, Erwachsene Donnerstag: 39,90 Euro, Erwachsene Freitag–Sonntag: 45,90 Euro, Erwachsene alkoholfrei: 34,90 Euro

Der Garten – Weihnachtsmarkt 
Spenadlwiese 1, 1020 Wien 
Do–So 15.30–23 Uhr (Timeslot jeweils 2,5 Stunden) 
der-garten.at

Stephan Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.